Snowboarderin Gasser springt auf den Olymp
Big Air. Anna Gasser, 22, steht erst seit 2010 auf dem Snowboard. In den USA schulte sie ihr Geschick – ein „Jump“änderte ihr Leben, Olympia-Gold ändert alles erneut.
Snowboarderin Anna Gasser wurde im Big-Air-Bewerb ihrer Favoritenrolle gerecht und gewann Gold. Die 26-jährige Kärntnerin kam erst vor acht Jahren zum Snowboarden, jetzt ist sie auf den Olymp gesprungen – ein Porträt.
Medaillenhochrechnungen und Siegerprognosen sind ein fester Bestandteil Olympischer Spiele, aus heimischer Sicht galt neben Skistar Marcel Hirscher noch Snowboarderin Anna Gasser als große Gold-Hoffnung. Spätestens seit ihrer Auszeichnung als Österreichs Sportlerin des Jahres 2017 ist die Kärntnerin der breiten Öffentlichkeit bekannt. Weltmeisterin, X-Games-Gewinnerin, Weltcup-Seriensiegerin: Die Liste an Erfolgen ist lang, einzig OlympiaGold hatte der 26-Jährigen in ihrer imposanten Sammlung noch gefehlt. Und als Gasser Donnerstagvormittag bei ihrem dritten Versuch im Alpensia Jumping Park vor 8000 verblüfften Fans zum „Cab Double Cork 1080“ansetzte, war auch der letzte Makel behoben.
Bewegungstalent
Dass Gasser ihre Karriere hier, in Pyeongchang, krönte, ist bemerkenswert. Zum Snowboarden kam Gasser erst vor acht Jahren, als sie ihren Cousin eines Tages auf den Mölltaler Gletscher begleitete. „Ein bisserl springen, ein bisserl drehen, das hat ihr sofort getaugt“, erzählt Liesbeth Gasser der „Presse“von den Anfängen ihrer Tochter auf dem Brett. Ein Bewegungstalent war Gasser immer schon. Als Fünfjährige war sie einem Turnverein beigetreten, hatte in den eigenen vier Wänden immerzu Kopfstände geübt. Salti, Rotationen, egal, ob vorwärts, rückwärts oder seitwärts, alles gelang ganz spielerisch. „Und in der Luft hatte sie nie Angst.“
Gasser startet zunächst bei Schul-, später bei Landes- und Staatsmeisterschaften der Sport- akrobatik, als 14-Jährige setzt sie sich in den Kopf, sich im Kunstturnen zu versuchen. Bis zu sechs Mal pro Woche pendelt sie von Spittal nach Klagenfurt, kommt oft spätabends gegen 23 Uhr im Elternhaus an. Erst ein Trainerwechsel veranlasste sie, das Kapitel Kunstturnen zu beenden. „Sonst wäre sie vielleicht nie beim Snowboarden gelandet“, glaubt ihre Mutter.
Auf dem Brett unterwegs, schließt sich Gasser als einziges Mädchen bald einer Gruppe von Burschen an. „The real family“nennt sich diese verschworene Einheit, die in den Snowparks von Flachauwinkel, Bad Gastein oder Goldeck unterwegs ist und unermüdlich Tricks übt. Manchmal schwänzt Gasser dafür sogar die Schule, die Eltern ahnen nichts.
Gasser wird von Burschen in ihrer Snowboard-Clique großes Talent bescheinigt, sie liebt es, Sprünge und Tricks im Internet zu studieren. Als sie nach der Matura ihren Eltern von der Idee erzählt, ihr Können in den USA schulen zu wollen, ist der Weg vorgezeichnet. „Anna war Feuer und Flamme für diese Vorstellung, wir hätten sie nicht davon abbringen können.“
Doppelter Salto, halbe Drehung
In Mammoth Mountain, US-Bundesstaat Colorado, findet Gasser optimale Trainingsbedingungen vor, später lässt sie sich in Mount Hood, Oregon, nieder. Aus den geplanten fünf Monaten Aufenthalt werden inklusive Kurztrip nach Costa Rica acht. Zurück in Europa und mit knapp zwei Jahren Snowboard-Erfahrung bestreitet sie erste internationale Wettkämpfe.
Bei ihrer ersten WM 2013 im kanadischen Stoneham ist sie noch nicht Mitglied des ÖSV-Profikaders, muss Anreise und Auf-
enthalt selbst bezahlen. Doch als die gebürtige Villacherin zehn Monate später als erste Frau am Stubaier Gletscher den „Cab Double Cork 900“– einen doppelten Rückwärtssalto mit einer halben Drehung – steht, wird die Szene hellhörig. „Jetzt ist es kein Geheimnis mehr. Anna Gasser macht die Cab Doubles wie die Jungs! „Yeah girl!“, twitterte damals ihre deutsche Kollegin Silvia Mittermüller.
Fortan ist ihr Aufstieg nicht mehr aufzuhalten, mit jedem „Jump“nähert sie sich der Weltspitze, einzig Verletzungen werfen sie immer wieder aus der Bahn. Amerikas Werbemarkt hat sie zu diesem Zeitpunkt längst entdeckt. Zunächst legt Ausrüstungsriese Nike ein Angebot vor, später stattet Burton sie mit perfektem Material aus. Ein Ritterschlag für jede Snowboarderin. Und OlympiaGold öffnet jetzt weitere Türen.