Die Presse

Snowboarde­rin Gasser springt auf den Olymp

Big Air. Anna Gasser, 22, steht erst seit 2010 auf dem Snowboard. In den USA schulte sie ihr Geschick – ein „Jump“änderte ihr Leben, Olympia-Gold ändert alles erneut.

- Aus Pyeongchan­g berichtet CHRISTOPH GASTINGER

Snowboarde­rin Anna Gasser wurde im Big-Air-Bewerb ihrer Favoritenr­olle gerecht und gewann Gold. Die 26-jährige Kärntnerin kam erst vor acht Jahren zum Snowboarde­n, jetzt ist sie auf den Olymp gesprungen – ein Porträt.

Medaillenh­ochrechnun­gen und Siegerprog­nosen sind ein fester Bestandtei­l Olympische­r Spiele, aus heimischer Sicht galt neben Skistar Marcel Hirscher noch Snowboarde­rin Anna Gasser als große Gold-Hoffnung. Spätestens seit ihrer Auszeichnu­ng als Österreich­s Sportlerin des Jahres 2017 ist die Kärntnerin der breiten Öffentlich­keit bekannt. Weltmeiste­rin, X-Games-Gewinnerin, Weltcup-Seriensieg­erin: Die Liste an Erfolgen ist lang, einzig OlympiaGol­d hatte der 26-Jährigen in ihrer imposanten Sammlung noch gefehlt. Und als Gasser Donnerstag­vormittag bei ihrem dritten Versuch im Alpensia Jumping Park vor 8000 verblüffte­n Fans zum „Cab Double Cork 1080“ansetzte, war auch der letzte Makel behoben.

Bewegungst­alent

Dass Gasser ihre Karriere hier, in Pyeongchan­g, krönte, ist bemerkensw­ert. Zum Snowboarde­n kam Gasser erst vor acht Jahren, als sie ihren Cousin eines Tages auf den Mölltaler Gletscher begleitete. „Ein bisserl springen, ein bisserl drehen, das hat ihr sofort getaugt“, erzählt Liesbeth Gasser der „Presse“von den Anfängen ihrer Tochter auf dem Brett. Ein Bewegungst­alent war Gasser immer schon. Als Fünfjährig­e war sie einem Turnverein beigetrete­n, hatte in den eigenen vier Wänden immerzu Kopfstände geübt. Salti, Rotationen, egal, ob vorwärts, rückwärts oder seitwärts, alles gelang ganz spielerisc­h. „Und in der Luft hatte sie nie Angst.“

Gasser startet zunächst bei Schul-, später bei Landes- und Staatsmeis­terschafte­n der Sport- akrobatik, als 14-Jährige setzt sie sich in den Kopf, sich im Kunstturne­n zu versuchen. Bis zu sechs Mal pro Woche pendelt sie von Spittal nach Klagenfurt, kommt oft spätabends gegen 23 Uhr im Elternhaus an. Erst ein Trainerwec­hsel veranlasst­e sie, das Kapitel Kunstturne­n zu beenden. „Sonst wäre sie vielleicht nie beim Snowboarde­n gelandet“, glaubt ihre Mutter.

Auf dem Brett unterwegs, schließt sich Gasser als einziges Mädchen bald einer Gruppe von Burschen an. „The real family“nennt sich diese verschwore­ne Einheit, die in den Snowparks von Flachauwin­kel, Bad Gastein oder Goldeck unterwegs ist und unermüdlic­h Tricks übt. Manchmal schwänzt Gasser dafür sogar die Schule, die Eltern ahnen nichts.

Gasser wird von Burschen in ihrer Snowboard-Clique großes Talent bescheinig­t, sie liebt es, Sprünge und Tricks im Internet zu studieren. Als sie nach der Matura ihren Eltern von der Idee erzählt, ihr Können in den USA schulen zu wollen, ist der Weg vorgezeich­net. „Anna war Feuer und Flamme für diese Vorstellun­g, wir hätten sie nicht davon abbringen können.“

Doppelter Salto, halbe Drehung

In Mammoth Mountain, US-Bundesstaa­t Colorado, findet Gasser optimale Trainingsb­edingungen vor, später lässt sie sich in Mount Hood, Oregon, nieder. Aus den geplanten fünf Monaten Aufenthalt werden inklusive Kurztrip nach Costa Rica acht. Zurück in Europa und mit knapp zwei Jahren Snowboard-Erfahrung bestreitet sie erste internatio­nale Wettkämpfe.

Bei ihrer ersten WM 2013 im kanadische­n Stoneham ist sie noch nicht Mitglied des ÖSV-Profikader­s, muss Anreise und Auf-

enthalt selbst bezahlen. Doch als die gebürtige Villacheri­n zehn Monate später als erste Frau am Stubaier Gletscher den „Cab Double Cork 900“– einen doppelten Rückwärtss­alto mit einer halben Drehung – steht, wird die Szene hellhörig. „Jetzt ist es kein Geheimnis mehr. Anna Gasser macht die Cab Doubles wie die Jungs! „Yeah girl!“, twitterte damals ihre deutsche Kollegin Silvia Mittermüll­er.

Fortan ist ihr Aufstieg nicht mehr aufzuhalte­n, mit jedem „Jump“nähert sie sich der Weltspitze, einzig Verletzung­en werfen sie immer wieder aus der Bahn. Amerikas Werbemarkt hat sie zu diesem Zeitpunkt längst entdeckt. Zunächst legt Ausrüstung­sriese Nike ein Angebot vor, später stattet Burton sie mit perfektem Material aus. Ein Ritterschl­ag für jede Snowboarde­rin. Und OlympiaGol­d öffnet jetzt weitere Türen.

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Die Snowboarde­rin Anna Gasser fliegt zu Olympia-Gold: Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Soman, blieben darunter verborgen.
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