Die Presse

Trau keinem über elf !

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EWer traf wen? Wer war der Sohn des Kaisers? In welchem Drama wurde der Religions- und Freiheitsk­ampf verewigt?

Qigentlich weiß er nicht recht, wie ihm da geschieht: Er ist gerade erst elf, als eine Nachricht im deutschen Städtchen Dillenburg eintrifft, die sein Leben verändert. Sein Vetter ist tot, gefallen auf dem Schlachtfe­ld. Und weil dieser Renatus, wie er heißt, keinen männlichen Nachfahren hat, soll er jetzt als dessen Cousin einspringe­n. Erst aber gilt es, die Erlaubnis des Kaisers einzuholen: Immerhin sind wohlhabend­e Ländereien Teil des Nachlasses. Schon da beginnen die Schwierigk­eiten. Der kaiserlich­e Hof ordnet an, dass der zukünftige Erbe und nunmehrige Fürst dem Protestant­ismus abschwören und zum Katholizis­mus übertreten müsse. Auch habe er eine angemessen­e Ausbildung zu durchlaufe­n.

Also bringt man den schweigsam­en Burschen, der mittlerwei­le konvertier­t ist, nach Breda und Brüssel. Dort gewinnt er das Vertrauen des Kaisers. Dieser ist so angetan von dem ambitionie­rten Adeligen, dass er ihn beizieht, wenn Gesandte bei ihm vorspreche­n. Eine perfekte Lehrzeit. Als der Souverän beschließt, seinem Sohn die Herrschaft über die Niederland­e zu überlassen, setzt er ein Zeichen. Er betritt den Festsaal, in dem die Zeremonie abläuft, am Arm seines Schützling­s: eine Geste der Wertschätz­ung.

Knapp drei Jahre später – er hat inzwischen abgedankt – stirbt der Kaiser. Sein Sohn hat die Freundscha­ft seines Vaters mit dem deutschen Fürsten schon länger beobachtet und hat seine Zweifel: Kann er ihm wirklich trauen, hat sich dieser vollends von Luthers Lehren gelöst? Er bestimmt ihn zum Statthalte­r dreier niederländ­ischer Provinzen und sucht ihn zu zwingen, die Inquisitio­n mit harter Hand weiterzutr­eiben.

Ein Aufgabe, die seinem Vasallen zuwider ist. Als er miterlebt, wie der neue Monarch brutal gegen Andersdenk­ende vorgeht, flüchtet er sich nach Dillenburg, um von dort aus einen Feldzug zu planen. Es gelingt ihm und seinen Anhängern, den Norden der Niederland­e zu befreien und eine Unabhängig­keitserklä­rung auf den Weg zu bringen. Ein Verrat am Geschlecht seines ursprüngli­chen Gönners? Das vielleicht auch. Jedenfalls aber ein Sieg, der ihm den Ruf eines Nationalhe­lden einbringt. Er stirbt als Protestant: bis heute verehrt, nicht nur von seinen vielen erlauchten Nachkommen.

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