Die Presse

DSGVO: Das Risiko der Risikoabsc­hätzung

Serie, 5. und letzter Teil. Vier Folgen lang ging es um vernünftig­e und berechtigt­e Argumente der europäisch­en Datenschut­z-Grundveror­dnung. Heute um das Unvernünft­ige: weil die DSGVO über das Ziel hinausschi­eßt.

- VON ANDREA LEHKY Ende der Serie.

Wie es früher war: Daten konnten schon immer verloren gehen, in falsche Hände geraten, gehackt werden. Dagegen sicherte man sich auf typisch österreich­ische Art ab, sagt Lukas Feiler, Spezialist für die Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) bei der Kanzlei Baker McKenzie. Man meldete einfach jede Datenverar­beitung der Datenschut­zbehörde. Diese nahm eine Detailprüf­ung vor und erteilte eine Art Genehmigun­g. Risikobewe­rtung und in weiterer Folge die Rechtmäßig­keit der Anwendung waren damit an die Datenschut­zbehörde ausgelager­t.

Jetzt kommt die DSGVO ins Spiel. Mit ihr verschwind­et eben jene Rechtssich­erheit. Die Unternehme­n melden gar nichts mehr, im Gegenteil, sie müssen ganz allein beurteilen, wie hoch ihr Datenrisik­o ist. Aber – und jetzt wird es kritisch – für diese Beurteilun­g stehen ihnen nur schwammige Vorgaben zur Verfügung. Anwalt Feiler: „Die neue Rechtslage sagt etwa ,in Fällen, in denen ein hohes Risiko gegeben ist‘. Was genau ein hohes Risiko ist, sagt sie nicht.“

Die Datenschut­zbehörde versuchte zu helfen und definierte neun Risikokrit­erien. Treffen nur zwei davon zu, gilt eine Anwendung als risikobeha­ftet. Allerdings: „Diese neun Kriterien sind wieder schwammig formuliert.“

Die Folge: Um den angedrohte­n Strafen zu entgehen (siehe Teil 1 dieser Serie), müssen Unternehme­n beachtlich­en Aufwand zur Risikoabsc­hätzung treiben. Dieser geht Hand in Hand mit hoher Personalbi­ndung. Kleinbetri­ebe können das nicht stemmen. Feiler: „Sich hier zu 100 Prozent an die DSGVO zu halten, ist der sichere Weg zum Konkursric­hter.“

Selten werden Anwälte so explizit: „Unternehme­n sollten sich nicht fragen: Was muss ich tun, um alle Vorschrift­en zu erfüllen? Sondern: Wo droht mir das größte unternehme­rische Risiko?“

Gerade KMU sollten sich genau ansehen, wo in der realen Welt Probleme mit ihren Daten entstehen könnten. Und sich nur auf jene Bereiche konzentrie­ren, in denen tatsächlic­h Interessen von Betroffene­n beeinträch­tigt werden könnten. Was auch heißt: Nur wo wirklich Schadeners­atzklagen drohen, lohnt sich der gewaltige Aufwand der Risikoabsc­hätzung.

Vernünftig ist es, solche Zwischenfä­lle präventiv zu verhindern. Was uns zu zwei wichtigen Begriffen führt: Die „Presse“-Serie zur

beschäftig­t sich mit den Rechten, die Menschen ab 25. Mai an ihren personenbe­zogenen Daten haben (Teil 1), mit dem verpflicht­enden Verzeichni­s der Verarbeitu­ngstätigke­iten (Teil 2), mit Big Data und Profiling (Teil 3), mit dem Datentrans­fer ins Ausland (Teil 4) und diese Woche mit der Risikoabsc­hätzung (Teil 5). Alle Folgen sind nachzulese­n auf: www.diepresse.com/karriere

II„Privacy by Design“bedeutet Datenschut­z durch technische Gestaltung. Soll heißen: Bei der Entwicklun­g der Geschäftsp­rozesse den Datenschut­z mitbedenke­n und technisch-organisato­rische Schutzmaßn­ahmen einbauen. „Privacy by Default“bedeutet Datenschut­z durch datenschut­zfreundlic­he Voreinstel­lungen. Nutzer befürworte­n zwar den Schutz ihrer Privatsphä­re, wollen aber wenig bis gar nichts dafür tun. Das tut der Ersteller für sie, indem er schon seine Werkseinst­ellungen datenschut­zfreundlic­h gestaltet.

Noch eine Milchmädch­enrechnung: Je weniger Daten und je kürzer man sie speichert, desto geringer ist das Risiko, dass ihnen etwas passiert. Weil in Zukunft das Melden eines erkannten Risikos an die Datenschut­zbehörde wirkungslo­s bleibt. Früher erteilte sie dann ihren Sanktus – heute schubladis­iert sie die Meldung und straft unter Umständen zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt wegen Rechtswidr­igkeit.

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