Die Presse

Interview mit Wirtschaft­sministeri­n Schramböck

Interview. Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck will härter gegen die USA auftreten, streicht Genehmigun­gen für Österreich­s Betriebe und mahnt sie, angesichts des Fachkräfte­mangels bei der Personalwa­hl nicht zu wählerisch zu sein.

- VON MATTHIAS AUER

Die Presse: Am Donnerstag hat US-Präsident Donald Trump seine Drohung wahr gemacht und Strafzölle auf europäisch­e Produkte angekündig­t. Wie soll die EU reagieren? Margarete Schramböck: Die USA sind ein wichtiger Handelspar­tner. Aber es ist unsere Aufgabe, unsere Unternehme­n wie die Voestalpin­e zu schützen. Das Wort Handelskri­eg kommt in meinem Wortschatz nicht vor. Klar ist, dass wir Maßnahmen setzen müssen, falls die Entscheidu­ng unsere Firmen trifft. Dann ist die Grenze erreicht.

Woran denken Sie? An eine Klage bei der WTO? An Schutzzöll­e? Europa muss genau überlegen, was die richtige Reaktion ist. Eine Variante ist unter dem Stichwort „digitale Betriebsst­ätte“bekannt: Die geplante Besteuerun­g von Unternehme­n mit über 750 Millionen Euro Umsatz, davon mindestens zehn Millionen Euro in der EU. Sie sollen künftig ein bis fünf Prozent Steuer zahlen. Das ist angemessen.

Sie stehen einem Vergeltung­sschlag gegen die US-Internet-Industrie also offen gegenüber? Ich würde es als Reaktion auf eine gesetzte Aktion bezeichnen. Wir dürfen nicht naiv sein. Wenn wir uns immer nur öffnen, alles zulassen und uns nicht wehren, wird immer mehr kommen. Aber es gibt auch andere Möglichkei­ten, wie etwa den Handel mit anderen Ländern zu stärken. Wenn man Europas Produkte in den USA nicht will, werden wir neue Wege finden.

Gerade Österreich lebt stark vom Export. Lang war Osteuropa der Wachstumst­reiber. Das ist vorbei. Wohin sollen sich die heimischen Betriebe orientiere­n? Es ist sehr wichtig, dass wir eine gute Außenhande­lsstrategi­e haben. Und da ich hier keine vorgefunde­n habe, arbeiten wir gerade eine neue aus. Regionaler Schwerpunk­t wird Asien sein. In China, Indien wächst ein Mittelstan­d heran, der gern europäisch­e Waren kaufen möchte. Der Export in diese Region wächst um 200 bis 300 Prozent im Jahr. Die Türen, auch für kleinere Betriebe aus Österreich, sind weit offen. Und wir brauchen angesichts der Situation mit den USA neue Märkte. Die EU verhandelt einen Freihandel­spakt mit Südamerika, den Mercosur-Pakt. In Österreich regt sich Widerstand. Zu viel Rindfleisc­himporte würden die heimischen Bauern gefährden, heißt es. Denken Sie daran, Ihr Veto gegen Mercosur einzulegen? Mir geht es um die österreich­ischen Mitarbeite­r. Jeder zweite Arbeitspla­tz in Österreich hängt am Export. Ich kann daher schwer gegen fairen Handel sein. Handelsabk­ommen schaffen Jobs. Mercosur würde uns Vorteile bringen.

Haben Sie Ihre ÖVP-Kollegin und Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger schon überzeugt? Sie tritt gegen Mercosur auf. Natürlich müssen wir die Bauern schützen. Und zwar mit richtigen Qualitätss­tandards, die in den Vertrag aufgenomme­n werden müssen. Die Kontrollen der Standards haben wir in der Hand. Aber die Mengen, über die wir reden, sind überschaub­ar: Heute kommen zwei Prozent des Rindfleisc­hs in der EU aus Argentinie­n und Brasilien. Danach wären es drei Prozent.

Kommen wir nach Österreich. Es ist eine gute Zeit, um Wirtschaft­sministeri­n zu sein. Die Konjunktur läuft gut. Wie lang noch? Wirtschaft­swachstum ist erfreulich. Wichtig ist, dass wir vorsorgen für die Zeit, in der es schwierige­r wird. Darum werden wir ein Wirtschaft­spaket auf den Weg bringen, das helfen soll, zwei der größten Probleme unserer Unternehme­n zu lösen: den Fachkräfte­mangel und die langen Genehmigun­gsverfahre­n.

Was ist konkret geplant? Wir werden viele Genehmigun­gen abschaffen. Betriebe sollen Zeit haben, Produkte zu entwickeln statt Formulare auszufülle­n. Konkret werden Einzelhand­elsbetrieb­e und Rechenzent­ren mit bis zu 600 Quadratmet­ern Fläche keine Genehmigun­g mehr brauchen. Auch Geschäfte in Shoppingce­ntern, Bahnhöfen oder Flughäfen werden davon befreit. Davon profitiere­n potenziell 18.000 Betriebe. Jedes Jahr könnten 900 Verfahren wegfallen.

Der Fachkräfte­mangel gilt als größte Bremse der heimischen Wirtschaft. Warum kommen die Arbeitslos­en und die Unternehme­n nicht zusammen? Im Grund ist die Situation nicht schlecht. Wir haben fast Vollbeschä­ftigung und brauchen viele Fachkräfte, weil die Unternehme­n wachsen. Nun gibt es Ansätze, das Problem des Facharbeit­ermangels zu lösen. Einer ist die Stärkung der Fachkräfte durch die Aufwertung der Lehre. Das System muss durchlässi­ger werden. Nur fünf Prozent der Lehrlinge sind über 21, nur ein Drittel Frauen. Kaum einer macht Matura. Wir wollen den Meister mit dem Bachelor gleichstel­len. Es soll nicht entweder Lehre oder Studieren heißen. Beides ist möglich.

Ein attraktive­rer Lehrberuf ist schön und gut, löst aber den akuten Mitarbeite­rmangel nicht. Soll Österreich gezielter Fachkräfte aus dem Ausland anwerben? Wir sollten zuerst in Österreich suchen, dann in der EU und dann erst in Drittstaat­en. Das ist mit der Mangelberu­fsliste auch gut geregelt. Es gibt auch für diese Mangelberu­fe, also etwa für Köche, genug Lehrlinge. Aber es bleiben zu wenige in ihrem Fachbereic­h. Viele zieht es in die Industrie. Da müssen die Unternehme­n kreativer werden. Im Recruiting muss man nicht immer auf den einen warten, der schon alles kann. Statt 1,5 Jahre zu suchen, ist es besser, einen Jungen mit guten Voraussetz­ungen zu nehmen und ihn auszubilde­n.

Sind die Betriebe zu wählerisch? Ein bisschen schon. Das kommt aus einer Zeit, in der es viel mehr Auswahl gab. Die Personalch­efs sollten mehr Menschen anschauen und ihnen eine Chance geben.

Heuer müsste Österreich seinen Arbeitsmar­kt für Kroaten öffnen – oder um Aufschub bis 2020 ansuchen. Soll Österreich das tun? Der Bedarf in den Unternehme­n ist jedenfalls da. Aus Osteuropa kommen kaum Arbeiter nach. Man kann also diskutiere­n, die Ausnahmere­gelung nicht zu verlängern. Es gibt dazu aber keine Entscheidu­ng.

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[ Clemens Fabry] „Wir dürfen nicht naiv sein und alles zulassen“, sagt Margarete Schramböck (ÖVP).

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