Navigieren in schwierigem Gewässer
Navigationshilfen. Ob Aktien, Staatsanleihen oder das Sparbuch: Wirklich verlockend erscheint momentan keine der wichtigsten Anlageformen. Wir zeigen ein paar Möglichkeiten, wie man sich da als Investor durchwursteln kann.
Ob Aktien, Staatsanleihen oder Sparbuch: Nichts davon wirkt als Anlageform attraktiv.
Jerome Powell hat gesprochen, und spätestens jetzt müssen sich Anleger weltweit fragen, wie sie ihr Geld noch sinnvoll anlegen können. Den geplanten drei Zinserhöhungen 2018 stehe nichts im Weg, sagte der neue Chef der US-Notenbank Fed vorige Woche im Kreuzverhör mit dem Senat. Im Gegenteil: Wenn nötig, werde man den Leitzins auch öfter anheben, deutete er an.
Wer wissen will, was das für Anleger bedeutet, kann sich an der unmittelbaren Reaktion der Marktteilnehmer nach Powells Aussagen orientieren. Sie verkauften Aktien in großem Stil, ebenso wie Staatsanleihen. Es macht Sinn, dass Aktien an Wert verlieren, wenn die Notenbanken die Zinsen schneller anheben, weil andere Anlageformen bei höheren Zinsen relativ attraktiver werden. Und bereits emittierte Staatsanleihen verlieren auch an Wert, weil ihr fixer Zinscoupon in einem höheren Zinsumfeld eben unattraktiver wird.
Der Notstand
Viel wird sich an diesem Trend in naher Zukunft wohl nicht ändern. Das soll keineswegs heißen, dass die Aktienmärkte nicht noch weiter zulegen können. Jedoch scheinen wir auch trotz der zuletzt gesehenen Verluste immer noch nahe am Plafond zu sein, und selbst wenn die Kurse weiter steigen, dürfte es zumindest eine äußerst unruhige Reise werden, wie die vergangenen Wochen gezeigt haben. Bei Staatsanleihen wiederum beginnt die Fed gerade erst und die Europäische Zentralbank noch nicht einmal, ihren Bestand zu reduzieren, und die Chance ist groß, dass das künftige höhere Angebot die Kurse nicht steigen lässt.
Immerhin, könnte man nun sagen, steigen die Zinsen nach vie- len Jahren der Nullzinspolitik wieder. Steckt man sein Geld halt in das gute alte Sparbuch. Damit mag man auf Dauer nicht so viel verdienen wie mit Aktien, aber dafür streift man eben einen soliden Zinssatz ein. Blöd nur, dass man in Europa von steigenden Zinsen noch weit entfernt ist und selbst in den USA die Banken den Zinsvorteil nur langsam an die Kunden weitergeben. Kurz: Es gab schon mal bessere Zeiten für Investoren. Pyramidenspiele und Kryptowährungen sind bekanntlich auch nicht der Weisheit letzter Schluss.
Was also tun mit seinem Geld? Das hängt einerseits vom Zeithorizont und andererseits von der persönlichen Risikofreude ab.
Die Schleichwege
Wenn man das Geld nicht unbedingt in einem Jahr braucht und bei zwischenzeitlichen Kursverlusten nicht panisch verkauft, spricht wenig dagegen, zumindest einen Teil seines Kapitals in Aktien zu stecken. Viele Firmen, vor allem in den USA, haben zuletzt die Dividenden erhöht, weil sie von der Steuerreform profitieren. Im Schnitt werfen die Aktien des S&P 500 Index knapp zwei Prozent Dividendenrendite ab, mehr als ein durchschnittliches Sparbuch. Wer sich auf dividendenstarke Papiere konzentriert, kann durchaus drei oder vier Prozent verdienen. Freilich: Wenn die Aktie abstürzt und sich nicht wieder erholt, hilft das nur wenig.
Die steigenden Renditen bei Staatsanleihen wiederum bedeuten Kursverluste, doch werden US-Treasuries mit kürzerer Laufzeit wieder eine ernsthafte Option. Ein Beispiel: Zweijährige Papiere notieren bei einer Rendite von 2,2 Prozent. Das ist bemerkenswert, erstmals seit der Finanzkrise liegt dieser Wert über der durchschnittlichen Dividendenrendite von Aktien des S&P 500 Index.
Auch der Vergleich mit Österreich und Deutschland ist bemerkenswert. In beiden Ländern ist die zweijährige Rendite nach wie vor negativ. Vereinfacht gesagt: Wer der Republik Österreich zwei Jahre Geld leiht, muss dafür bezahlen. Wer es den USA borgt, verdient damit – vor Steuern und ohne Berücksichtigung des Währungsrisikos – mehr als zwei Prozent. Wohlgemerkt: Die Chance, dass die Rendite für Staatsanleihen weiter steigt, ist relativ groß. Das würde Kursverluste bedeuten. Wenn überhaupt, ist dieses Investment also nur sinnvoll, wenn man die Papiere bis zum Ende der Laufzeit hält und daher den vollen Betrag zurückerhält. Unwiderstehlich mag das alles nicht klingen, und nicht umsonst mag man fragen, ob man sein Geld nicht in alternative Formen, etwa Roh- stoffe, stecken soll. Auf den ersten Blick spricht tatsächlich viel dafür. Der wichtigste Rohstoffindex, der S&P Goldman Sachs Commodity Index, hat seit Sommer stärker zugelegt als die meisten Aktienindizes. Trotzdem notieren viele Rohstoffe im Gegensatz zu Aktien immer noch weit entfernt von ihren Höchstwerten. Auch boomt die globale Wirtschaft. Das kommt in der Regel Rohstoffen zugute.
Doch wer nun in großem Stil am Rohstoffmarkt zuschlagen will, sei gewarnt. Experten empfehlen dem durchschnittlichen Anleger Rohstoffe bestenfalls als Ergänzung zum Portfolio – aus gutem Grund: Lagerkosten machen es schwierig, die zugrunde liegenden Produkte zu kaufen, was dazu führt, dass breit gestreute Rohstofffonds relativ teuer sein können und zudem oft nur Futures auf Rohstoffe kaufen, was wieder zu erheblichen Abweichungen vom tatsächlichen Preis führen kann.
Die Lauerstellung
Es gibt auch noch ein banales Zusatzargument gegen Rohstoffe: Sie erbringen keine Leistung, sie existieren bloß. Firmen hingegen produzieren etwas, sie wachsen in der Regel, weshalb Aktienkurse langfristig und im Schnitt stets zulegen. Starinvestor Warren Buffett geht deshalb so weit, mit seiner Investmentfirma mehr als 100 Milliarden Dollar in bar beziehungsweise kurzfristigen US-Staatsanleihen zu halten. Rohstoffe oder andere alternative Investments kommen ihm nicht ins Portfolio, auch wenn er noch so lange auf die nächste gute Kaufgelegenheit warten muss.
Vielleicht ist es im aktuellen Umfeld auch sinnvoll, einfach einmal ein paar Monate zu warten und sein Geld schlecht verzinst liegen zu lassen. Die nächste Verlockung zum Kauf kommt bestimmt, vielleicht früher als später.