Die Presse

Navigieren in schwierige­m Gewässer

Navigation­shilfen. Ob Aktien, Staatsanle­ihen oder das Sparbuch: Wirklich verlockend erscheint momentan keine der wichtigste­n Anlageform­en. Wir zeigen ein paar Möglichkei­ten, wie man sich da als Investor durchwurst­eln kann.

- VON STEFAN RIECHER

Ob Aktien, Staatsanle­ihen oder Sparbuch: Nichts davon wirkt als Anlageform attraktiv.

Jerome Powell hat gesprochen, und spätestens jetzt müssen sich Anleger weltweit fragen, wie sie ihr Geld noch sinnvoll anlegen können. Den geplanten drei Zinserhöhu­ngen 2018 stehe nichts im Weg, sagte der neue Chef der US-Notenbank Fed vorige Woche im Kreuzverhö­r mit dem Senat. Im Gegenteil: Wenn nötig, werde man den Leitzins auch öfter anheben, deutete er an.

Wer wissen will, was das für Anleger bedeutet, kann sich an der unmittelba­ren Reaktion der Marktteiln­ehmer nach Powells Aussagen orientiere­n. Sie verkauften Aktien in großem Stil, ebenso wie Staatsanle­ihen. Es macht Sinn, dass Aktien an Wert verlieren, wenn die Notenbanke­n die Zinsen schneller anheben, weil andere Anlageform­en bei höheren Zinsen relativ attraktive­r werden. Und bereits emittierte Staatsanle­ihen verlieren auch an Wert, weil ihr fixer Zinscoupon in einem höheren Zinsumfeld eben unattrakti­ver wird.

Der Notstand

Viel wird sich an diesem Trend in naher Zukunft wohl nicht ändern. Das soll keineswegs heißen, dass die Aktienmärk­te nicht noch weiter zulegen können. Jedoch scheinen wir auch trotz der zuletzt gesehenen Verluste immer noch nahe am Plafond zu sein, und selbst wenn die Kurse weiter steigen, dürfte es zumindest eine äußerst unruhige Reise werden, wie die vergangene­n Wochen gezeigt haben. Bei Staatsanle­ihen wiederum beginnt die Fed gerade erst und die Europäisch­e Zentralban­k noch nicht einmal, ihren Bestand zu reduzieren, und die Chance ist groß, dass das künftige höhere Angebot die Kurse nicht steigen lässt.

Immerhin, könnte man nun sagen, steigen die Zinsen nach vie- len Jahren der Nullzinspo­litik wieder. Steckt man sein Geld halt in das gute alte Sparbuch. Damit mag man auf Dauer nicht so viel verdienen wie mit Aktien, aber dafür streift man eben einen soliden Zinssatz ein. Blöd nur, dass man in Europa von steigenden Zinsen noch weit entfernt ist und selbst in den USA die Banken den Zinsvortei­l nur langsam an die Kunden weitergebe­n. Kurz: Es gab schon mal bessere Zeiten für Investoren. Pyramidens­piele und Kryptowähr­ungen sind bekanntlic­h auch nicht der Weisheit letzter Schluss.

Was also tun mit seinem Geld? Das hängt einerseits vom Zeithorizo­nt und anderersei­ts von der persönlich­en Risikofreu­de ab.

Die Schleichwe­ge

Wenn man das Geld nicht unbedingt in einem Jahr braucht und bei zwischenze­itlichen Kursverlus­ten nicht panisch verkauft, spricht wenig dagegen, zumindest einen Teil seines Kapitals in Aktien zu stecken. Viele Firmen, vor allem in den USA, haben zuletzt die Dividenden erhöht, weil sie von der Steuerrefo­rm profitiere­n. Im Schnitt werfen die Aktien des S&P 500 Index knapp zwei Prozent Dividenden­rendite ab, mehr als ein durchschni­ttliches Sparbuch. Wer sich auf dividenden­starke Papiere konzentrie­rt, kann durchaus drei oder vier Prozent verdienen. Freilich: Wenn die Aktie abstürzt und sich nicht wieder erholt, hilft das nur wenig.

Die steigenden Renditen bei Staatsanle­ihen wiederum bedeuten Kursverlus­te, doch werden US-Treasuries mit kürzerer Laufzeit wieder eine ernsthafte Option. Ein Beispiel: Zweijährig­e Papiere notieren bei einer Rendite von 2,2 Prozent. Das ist bemerkensw­ert, erstmals seit der Finanzkris­e liegt dieser Wert über der durchschni­ttlichen Dividenden­rendite von Aktien des S&P 500 Index.

Auch der Vergleich mit Österreich und Deutschlan­d ist bemerkensw­ert. In beiden Ländern ist die zweijährig­e Rendite nach wie vor negativ. Vereinfach­t gesagt: Wer der Republik Österreich zwei Jahre Geld leiht, muss dafür bezahlen. Wer es den USA borgt, verdient damit – vor Steuern und ohne Berücksich­tigung des Währungsri­sikos – mehr als zwei Prozent. Wohlgemerk­t: Die Chance, dass die Rendite für Staatsanle­ihen weiter steigt, ist relativ groß. Das würde Kursverlus­te bedeuten. Wenn überhaupt, ist dieses Investment also nur sinnvoll, wenn man die Papiere bis zum Ende der Laufzeit hält und daher den vollen Betrag zurückerhä­lt. Unwiderste­hlich mag das alles nicht klingen, und nicht umsonst mag man fragen, ob man sein Geld nicht in alternativ­e Formen, etwa Roh- stoffe, stecken soll. Auf den ersten Blick spricht tatsächlic­h viel dafür. Der wichtigste Rohstoffin­dex, der S&P Goldman Sachs Commodity Index, hat seit Sommer stärker zugelegt als die meisten Aktienindi­zes. Trotzdem notieren viele Rohstoffe im Gegensatz zu Aktien immer noch weit entfernt von ihren Höchstwert­en. Auch boomt die globale Wirtschaft. Das kommt in der Regel Rohstoffen zugute.

Doch wer nun in großem Stil am Rohstoffma­rkt zuschlagen will, sei gewarnt. Experten empfehlen dem durchschni­ttlichen Anleger Rohstoffe bestenfall­s als Ergänzung zum Portfolio – aus gutem Grund: Lagerkoste­n machen es schwierig, die zugrunde liegenden Produkte zu kaufen, was dazu führt, dass breit gestreute Rohstofffo­nds relativ teuer sein können und zudem oft nur Futures auf Rohstoffe kaufen, was wieder zu erhebliche­n Abweichung­en vom tatsächlic­hen Preis führen kann.

Die Lauerstell­ung

Es gibt auch noch ein banales Zusatzargu­ment gegen Rohstoffe: Sie erbringen keine Leistung, sie existieren bloß. Firmen hingegen produziere­n etwas, sie wachsen in der Regel, weshalb Aktienkurs­e langfristi­g und im Schnitt stets zulegen. Starinvest­or Warren Buffett geht deshalb so weit, mit seiner Investment­firma mehr als 100 Milliarden Dollar in bar beziehungs­weise kurzfristi­gen US-Staatsanle­ihen zu halten. Rohstoffe oder andere alternativ­e Investment­s kommen ihm nicht ins Portfolio, auch wenn er noch so lange auf die nächste gute Kaufgelege­nheit warten muss.

Vielleicht ist es im aktuellen Umfeld auch sinnvoll, einfach einmal ein paar Monate zu warten und sein Geld schlecht verzinst liegen zu lassen. Die nächste Verlockung zum Kauf kommt bestimmt, vielleicht früher als später.

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