Die Presse

Crash-Prognosen und warum alles ganz anders kommen kann

Die Zinswende in den USA gilt als eine der größten Bedrohunge­n für die Märkte. An der jüngsten Korrektur war sie jedoch nicht schuld.

- VON BEATE LAMMER E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

Ein zu rascher Zinsanstie­g könnte die Börsen um 25 Prozent abstürzen lassen, sagt Goldman Sachs. Doch lauern auch andere Gefahren.

Das Aufatmen nach den Börsenturb­ulenzen vor vier Wochen war von kurzer Dauer: Vergangene Woche erschütter­te ein neues Beben die Märkte. Einige Indizes, etwa der DAX, fielen auf neue Jahrestief­s. Neben der Sorge, ob das der Anfang vom Ende des neunjährig­en Bullenmark­ts an den Aktienbörs­en ist, beschäftig­t die Anleger zunehmend die Frage, wie tief es im Fall des Falles nach unten gehen könnte.

Antworten gibt es viele, von den Prophezeiu­ngen der Crash-Propheten bis hin zu detaillier­ten Szenario-Berechnung­en von Goldman Sachs. Der 75-jährige US-Starinvest­or Jim Rogers, bekannt für düstere Prognosen, vertrat zuletzt wiederholt die Ansicht, dass der schlimmste Börsencras­h seines Lebens bevorstehe. Das wäre ein Absturz um mehr als 50 Prozent: So tief ging es nach der Finanzkris­e nach unten.

Doch lag Rogers mit seinen Vorhersage­n nicht immer richtig: Im März 2016 hielt er eine Rezession in den USA binnen zwölf Monaten für unausweich­lich (sie ist noch ausständig), 2011 sagte er den Untergang des Euro binnen zehn Jahren vorher (da blieben der Gemeinscha­ftswährung noch drei Jahre). Wann der große Crash kommt, sagte Rogers nicht. Wohl aber, warum: wegen der hohen Schulden.

Und in dem Punkt deckt sich Rogers’ Meinung durchaus mit der von optimistis­cheren Zeitgenoss­en: Die weltweiten Notenbanke­n haben nach der Finanzkris­e versucht, den Problemen mit Gelddrucke­n Herr zu werden. Sie kauften Anleihen und trieben deren Preise so hoch, dass die Investoren auf andere Vermögensw­erte (Aktien, Immobilien) auswichen und auch diese teuer werden ließen. Nun stehen die Notenbanke­n vor der Herausford­erung, ihre Geldpoliti­k so langsam wieder zu straffen, dass sie die Konjunktur nicht abwürgen und die Partylaune an den Börsen nicht verderben. Das können sie aber nur, wenn die Inflation nicht zu stark anzieht. Denn dann müssten sie schneller gegensteue­rn.

Anfang Februar wurde die Möglichkei­t einer unerwartet starken Inflation in den USA und einer unerwartet raschen Zinswende als das größte Risiko für die Märkte gesehen. Diese Angst drückte sich in Börsenturb­ulenzen, aber auch in der Rendite zehnjährig­er US-Staatsanle­ihen aus: Diese hat sich binnen eineinhalb Jahren auf zuletzt 2,8 Prozent verdoppelt.

Die Experten der US-Investment­bank Goldman Sachs rechnen damit, dass es bis zum Jahresende 3,25 Prozent sind. Das ist ihr Basisszena­rio, sie haben aber auch einen „Stresstest“durchgefüh­rt, was passieren würde, wenn die Rendite auf 4,5 Prozent kletterte.

Dann würde sich die Wirtschaft stark abschwäche­n, aber noch in keine Rezession rutschen. Die Aktienkurs­e würden allerdings um 20 bis 25 Prozent nachgeben. Seinen Höchststan­d hat der US-Aktieninde­x S&P 500 am 26. Jänner bei 2872 Punkten markiert. Ein Rückfall um 20 bis 25 Prozent klingt schlimm, doch würde der Index damit lediglich auf ein Niveau zurückfall­en, das er zuletzt 2017 oder 2016 innehatte. Und dieses Szenario hält Goldman Sachs nicht einmal für das wahrschein­lichste.

Freilich ist nie gesagt, dass es nicht aus ganz anderen Gründen noch schlimmer kommen kann, als selbst das Stresstest-Szenario von Goldman Sachs vorsieht. Den jüngsten Kursrückga­ng am vergangene­n Freitag hat US-Präsident Donald Trump mit seiner Ankündigun­g von Strafzölle­n auf Stahl- und Aluminiumi­mporte ausgelöst. Ein Handelskri­eg würde nicht nur die weltweite Stahlbranc­he und die US-Autoherste­ller, sondern letztlich die ganze Wirtschaft treffen. Und die Zinswende? Die bleibt auch gefährlich. Die Investoren mussten aber wieder einmal sehen: Die Risken, auf die man am meisten achtgibt, sind vielleicht gar nicht die gefährlich­sten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria