Die Presse

Richter berieten: „So sind wir aus dem Schneider“

Zitat aus interner Beratung versehentl­ich veröffentl­icht.

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„Rechtssätz­e“sind die harte Währung der Judikatur: In ihnen werden die Kernaussag­en von Entscheidu­ngen kunstvoll zusammenge­fasst, damit sie möglichst einfach auf vergleichb­are andere Fälle angewendet werden und damit – im Rechtsinfo­rmationssy­stem des Bundes (RIS) jederzeit abrufbar – als Richtschnu­r dienen können. Bei einer Entscheidu­ng des Landesgeri­chts Wiener Neustadt wurde jedoch ungewollt etwas ganz anderes öffentlich.

„Das Ergebnis ausmachen“

„Wenn wir die gegenteili­ge Auffassung vertreten, für die wir immerhin eine höchstgeri­chtliche Entscheidu­ng, wenn auch des Verwaltung­sgerichtsh­ofes haben, sind wir im konkreten Fall ,aus dem Schneider‘, daher müssen wir uns das Ergebnis ausmachen.“Das stand als Rechtssatz über einer insolvenzr­echtlichen Entscheidu­ng eines Dreiersena­ts. Und fasste ganz offenkundi­g mitnichten die Quintessen­z der Entscheidu­ng zusammen.

„Das war natürlich nicht für die Öffentlich­keit bestimmt und schon gar kein Rechtssatz“, sagt Birgit Borns, Vizepräsid­ent des Landesgeri­chts, zur „Presse“. Vielmehr war es ein Versehen, das nach einigen Tagen korrigiert wurde. Bei Gericht gibt es ein Blatt, auf das der Referent oder der Senatsvors­itzende den Rechtssatz schreibt. Ein Beiblatt dient der Kommunikat­ion zwischen den Senatsmitg­liedern. Beide Blätter sehen einander zum Verwechsel­n ähnlich. Deshalb hat eine Beamtin irrtümlich das Bruchstück aus der Beratung statt des Rechtssatz­es ins RIS übertragen.

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