Raus aus dem Alltag, hinein in emotionale Turbulenzen!
Naked Cameo mit einem PopMeisterwerk in der Grellen Forelle.
Gerade das jubilierende Element ihrer Musik erzählt die klandestine Geschichte etlicher existenzieller Trübungen im Vorleben dieser vier jungen Menschen. Nur wer vor Kummer in Polsterzipfel gebissen hat, ist auch zu solch emotionalen Höhenflügen fähig, wie sie das Debütalbum der gerade einmal eineinhalb Jahre bestehenden Formation Naked Cameo bereithält. Den vier Oberösterreichern, darunter Synthiespielerin Maria Solberger und Songwriter und Leadsänger Lukas Maletzky, glückte mit „Of Two Minds“ein Pop-Meisterwerk, wie es in Österreich kaum jemals zuvor entstanden ist.
Dass sie keine Studioretortenkombo sind, haben sie bei ihrer beängstigend gut besuchten Plattenpräsentation in der Grellen Forelle bewiesen. Maletzky präparierte, wenige Minuten bevor das Licht ausging, noch sein Effektgerätekisterl. Dann ging es schon los, und Maletzkys hübsches Falsett entfaltete sich: „What’s the next best story to tell, you have never heard of my pony, have you?“Dass das Leben kein Ponyhof ist, davon wissen diese in der Peripherie aufgewachsenen Anfangzwanziger. „It’s about a woman who’s full of love, but in the end always sucks as a wife“, formulierte Maletzky in nicht unsympathischer, altkluger Pose. Als gelernter Graveur weiß er, dass sich Melodielinien markant ins Gedächtnis einbringen müssen. Im Livevortrag loderte den Fans höchste Intensität entgegen.
„Ephemeral“klang mit seiner kunstvoll stockenden Passage wie ein künftiger Welthit. Das Lied zelebrierte den Geist der Flüchtigkeit, der viel zu wenig wertgeschätzt wird. „A stranger, oh my bad, I am a naked cameo“, hieß es da etwa. Das sublime „Falling for You“tändelte mit Elementen von Cloud Rap, war aber am Ende ein waschechter Soulsong, wie er vom britischen Duo Honne hätte produziert werden können. Wunderherrlich, dass Internationalität zuweilen aus „the middle of nowhere“kommen kann. So eingängig ihre Melodien, so verschroben sind zuweilen die tragenden Charaktere ihrer Lieder. Der romantische Masochist in „Florence Nightingale“etwa, der manchen Seufzer im Publikum ausgelöst hat.
Für eine weitere Steigerung sorgte „Pocket Dial“, das mit knalligen Einschüben ein Herz für Rockaffine zeigte. Naked Cameo sind das perfekte Antidot für alle, die in Gefahr sind, von digitalen Pseudowelten verschlungen zu werden. Ihr Pop ist ein einziges Sich-zur-Wehr-Setzen gegen die Alltäglichkeit des Lebens. Weg von den Displays, hinein in emotionale Turbulenz. Was für eine Labsal! (sam)