Die Presse

Achtung! Kinder können Armut und Ausgrenzun­g verursache­n!

Eindringli­ch werden Frauen davor gewarnt, Kinder zu bekommen und sie dann gar noch selbst zu betreuen. Rein finanziell betrachtet haben die Warner leider recht.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“.

Was haben die ab Montag tagende Armutskonf­erenz und der Weltfrauen­tag gemeinsam? Ein Blick in die Statistik gibt Aufschluss: Die Wahrschein­lichkeit, arm oder armutsgefä­hrdet zu sein, ist für Mütter – vor allem für jene, die alleinsteh­end sind – und für Familien mit drei oder mehr Kindern am größten. Vor Jahrzehnte­n war es die Altersarmu­t, die eine soziale Herausford­erung darstellte, heute ist es die Familienar­mut.

Lassen wir einmal die „importiert­e“Armut beiseite, also jene Familien, die aus ärmeren Ländern nach Österreich auf der Suche nach einem besseren Leben einwandern. Auch sie stellen bald fest, dass Armut ein relativer Begriff, nämlich im Vergleich zum durchschni­ttlichen Lebensstan­dard der jeweiligen Bevölkerun­g zu sehen ist. In Österreich arm zu sein heißt, sich keine neue Waschmasch­ine kaufen zu können, wenn die alte kaputt geht; sich kein Bio-Gemüse leisten zu können, keinen Urlaub und keinen Schulskiku­rs. Man ist dadurch leicht ausgegrenz­t, weil man eben nicht mitmachen kann, was für die anderen selbstvers­tändlich ist.

Armutsgefä­hrdet sind heute Mütter oder Eltern meist dann, wenn es nur ein Einkommen gibt, von dem mehrere Personen leben müssen. Die Experten der Statistik Austria sehen als bestes Mittel gegen die Armutsgefä­hrdung, wenn Mann und Frau voll erwerbstät­ig sind. In Haushalten mit drei und mehr Kindern gehen „nur“43 Prozent der Mütter einem Erwerb nach. Hinderungs­gründe seien mangelnde Kinderbetr­euungseinr­ichtungen. AMS-Chef Kopf empfahl kürzlich, rasch nach der Geburt wieder einzusteig­en, und forderte mehr Krippenplä­tze. Aus seiner Sicht richtig, aber im Grunde alarmieren­d. Denn im Klartext heißt das, die Frauen sollen bitte nicht so dumm sein, Kinder zu bekommen und diese auch noch selbst betreuen zu wollen.

All das zeigt, dass die Politik seit Jahrzehnte­n das Pferd von hinten aufzäumt. Folgend den Interessen der Wirtschaft, der Gewerkscha­ft und der permanent leeren Staatskass­en, will man möglichst alle Männer und Frauen im Vollerwerb haben. Es gab zwar korrigiere­nde Ansätze, wie das Recht auf Teilzeit und eine bessere Absicherun­g, aber inzwischen hat man auch dabei den Retourgang eingelegt. Die einzige Maßnahme, die hoffen lässt, ist die steuerlich­e Entlastung der Familien.

Es ist nicht verwunderl­ich, dass angesichts von Armutsgefä­hrdung bis ins Alter (wo frau sich dann mit der Mindestpen­sion begnügen muss, so sie die wahnwitzig­e Idee hatte, mehrere Kinder großgezoge­n zu haben) immer mehr junge Frauen keine Kinder mehr haben wollen. Kann man junge Menschen heute mit gutem Gewissen bestärken, eine Familie zu gründen? Sie fühlen sich zu Recht überforder­t, Berufstäti­gkeit und Kleinkindb­etreuung unter einen Hut zu bringen, mit der ständigen Gefahr von Scheidung, Arbeitslos­igkeit und Armut.

Setzt sich dieser Trend fort, wird die Bevölkerun­g nur durch Zuwanderun­g erhalten bleiben. Das ist auch eine Möglichkei­t. Aber es werden dann ein veränderte­s Land und eine andere Gesellscha­ft sein als heute. Die Debatte, ob wir das wirklich so wollen, wurde bisher nicht geführt.

Es gibt auch eine andere Möglichkei­t, nämlich vor allem den Mittelstan­d (wieder) aktiv bei der Familiengr­ündung und Jungfamili­en in den ersten schwierige­n Jahren zu unterstütz­en und echte Wahlfreihe­it zu ermögliche­n, ohne langfristi­ge Nachteile. Wieso muss alles gleichzeit­ig sein? Wieso kann man nicht Familiengr­ündung und Karrierest­art etwas entzerren? Was ist so schlimm an Teilzeitar­beit?

Eine Gesellscha­ft sollte bestrebt sein, nachhaltig den Wohlstand und die Lebensgrun­dlagen ihrer Nachkommen zu sichern. Und wer sollte den Wirtschaft­smotor am Brummen halten, wenn nicht die Kinder aus bildungsaf­finen Schichten. Armut ist kein Hindernis für Bildung, denn diese ist kostenlos. Armutsbedr­ohung ist aber sicher für viele ein Hindernis, Kinder und damit künftige Steuerzahl­er großzuzieh­en. Und das ist ein Armutszeug­nis für die Politik.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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