Jubiläum mit dezenten Anklagen
Der Hauptpreis der Jubiläums-Oscars ging in der Nacht auf Montag an das Fantasymärchen „The Shape of Water“. Die Verleihung stand im Zeichen von #MeToo und #Time’sUp – blieb aber eher dezent in ihren Anklagen.
Die kraftvollste Ermahnung kam von Frances McDormand, die für „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ihren zweiten SchauspielOscar erhielt.
Als Warren Beatty und Faye Dunaway am Ende der 90sten Oscar-Verleihung den Titel des Besten Films verkündeten, konnte man sich einigermaßen sicher sein, dass kein Irrtum vorlag. Vergangenes Jahr hatte ein vertauschter Umschlag für temporäre Verwirrung (und großes Medienecho) gesorgt. Kurz wähnte sich das Musical „La La Land“im Oscar-Glück – der eigentliche Sieger hieß jedoch „Moonlight“. Heuer waren sämtliche Kuverts mit Kategorien beschriftet: Dass das Bonny-&-ClydeDuo den korrekten Brief in Händen hielt, war selbst für Fernsehzuschauer unübersehbar. Und als großer Gewinner des Abends erwies sich Guillermo del Toros berührendes Fantasymärchen „The Shape of Water“.
Ganz glatt lief das Veranstaltungsfinale trotzdem nicht: Nachdem der sympathische Mexikaner del Toro – derzeit auf dem Zenit einer verdienstvollen Karriere als Bannerträger kunstvoller Kinofantastik – seine Dankesrede beendet hatte, wollte auch ein Produzent des Films etwas sagen, doch das Mikro wurde abgedreht. Moderator Jimmy Kimmel kam ein letztes Mal auf die Bühne und entschuldigte sich bei ihm. Daraufhin karrte man den Kostümdesigner Mark Bridges auf einem giftgrünen Jetski herein, den Kimmel dem Urheber der kürzesten Rede des Abends versprochen hatte: Für diesen eher lauen Gag musste die Zeit noch reichen.
Die Show geht vor: Das gilt bei den zunehmend politisierten Academy Awards auch in Zeiten von Trump, # MeToo und
# Time’sUp. Und obwohl sich die JubiläumsOscars in der Nacht auf Montag in puncto Schmäh und Spektakel zurückhielten, um den Starplädoyers für Empathie, Gleichberechtigung und Diversität mehr Gewicht zu verleihen: Letztlich waren diese eher Aufputz als Belege für realen Wandel. Zwar warteten die Nominierungen dieses Jahr mit größerer Vielfalt auf. Aber am Ende wurden die Goldstatuetten in den größeren, geschlechtsneutralen Kategorien an Männer verliehen, darunter nur ein Afroamerikaner (Jordan Peele, dessen Horrorsatire „Get Out“für das beste Originaldrehbuch ausgezeichnet wurde).
Das war absehbar. Die nahezu komplett erwartungskonforme Preisverteilung bestätigte die „Moonlight“-Überraschung im Vorjahr als Ausnahme. Nur beim Besten Film waren die Buchmacher unschlüssig; dass der eine Favorit („Shape of Water“) dem anderen („Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“) ein Schnippchen schlug, kann jedoch kaum als Sensation gewertet werden.
Frances McDormand forderte Diversität
Relativ überraschungsfrei verlief auch die Gala: Spitzen gegen Chauvinismus und Ungleichheit blieben dezent, statt großer Aktionen setzte es verstärkte weibliche Bühnenpräsenz. Zu Beginn lobte Jimmy Kimmel die Oscar-Statue als „respektiertesten Mann in Hollywood“, weil er „seine Hände immer dort lässt, wo man sie sehen kann“– und verwies auf Harvey Weinsteins Ausschluss aus der Academy („es gab viele tolle Nominierte, aber Harvey hat es am meisten verdient“). Später erinnerten Anmoderationen wie jene von Emma Stone für Beste Regie, die die Preisanwärter als „vier Männer und Greta Gerwig“vorstellte, an den Gender-Gap. Die kraftvollste Ermahnung kam von Frances McDormand, die für „Three Billboards Out- side Ebbing, Missouri“ihren zweiten Schauspiel-Oscar erhielt (das männliche Pendant ging an Gary Oldman): Sie forderte alle weiblichen Nominierten auf, sich zu erheben, und rief dann potenzielle Geldgeber auf, nicht bloß auf Partys über Projekte von Frauen zu plaudern, sondern mit konkreten Angeboten vorstellig zu werden. Abschließend stellte sie noch zwei Wörter in den Raum: „Inclusion rider“. Der verzögerte Applaus deutete darauf hin, dass der Begriff vielen nicht geläufig war: eine Vertragsklausel, die Diversität bei Filmprojekten sicherstellen könnte.
Sonst blieben die Appelle vage, den gefühligen zwischengeschalteten Musikmontagen nicht unähnlich: Manche warben für Mitgefühl und Toleranz, andere bedankten sich mit einer endlosen Klassiker-Clip-show beim Publikum. Eine „positive Nacht“garantierte Zeremonienmeister Kimmel am Anfang des TV-Events. Das Versprechen wurde eingelöst. Für das aktuelle Bestreben, Hollywood von Grund auf umzukrempeln, braucht es indes mehr als gute Energien.