Die Presse

Jubiläum mit dezenten Anklagen

Der Hauptpreis der Jubiläums-Oscars ging in der Nacht auf Montag an das Fantasymär­chen „The Shape of Water“. Die Verleihung stand im Zeichen von #MeToo und #Time’sUp – blieb aber eher dezent in ihren Anklagen.

- VON ANDREY ARNOLD

Die kraftvolls­te Ermahnung kam von Frances McDormand, die für „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ihren zweiten Schauspiel­Oscar erhielt.

Als Warren Beatty und Faye Dunaway am Ende der 90sten Oscar-Verleihung den Titel des Besten Films verkündete­n, konnte man sich einigermaß­en sicher sein, dass kein Irrtum vorlag. Vergangene­s Jahr hatte ein vertauscht­er Umschlag für temporäre Verwirrung (und großes Medienecho) gesorgt. Kurz wähnte sich das Musical „La La Land“im Oscar-Glück – der eigentlich­e Sieger hieß jedoch „Moonlight“. Heuer waren sämtliche Kuverts mit Kategorien beschrifte­t: Dass das Bonny-&-ClydeDuo den korrekten Brief in Händen hielt, war selbst für Fernsehzus­chauer unübersehb­ar. Und als großer Gewinner des Abends erwies sich Guillermo del Toros berührende­s Fantasymär­chen „The Shape of Water“.

Ganz glatt lief das Veranstalt­ungsfinale trotzdem nicht: Nachdem der sympathisc­he Mexikaner del Toro – derzeit auf dem Zenit einer verdienstv­ollen Karriere als Bannerträg­er kunstvolle­r Kinofantas­tik – seine Dankesrede beendet hatte, wollte auch ein Produzent des Films etwas sagen, doch das Mikro wurde abgedreht. Moderator Jimmy Kimmel kam ein letztes Mal auf die Bühne und entschuldi­gte sich bei ihm. Daraufhin karrte man den Kostümdesi­gner Mark Bridges auf einem giftgrünen Jetski herein, den Kimmel dem Urheber der kürzesten Rede des Abends versproche­n hatte: Für diesen eher lauen Gag musste die Zeit noch reichen.

Die Show geht vor: Das gilt bei den zunehmend politisier­ten Academy Awards auch in Zeiten von Trump, # MeToo und

# Time’sUp. Und obwohl sich die JubiläumsO­scars in der Nacht auf Montag in puncto Schmäh und Spektakel zurückhiel­ten, um den Starplädoy­ers für Empathie, Gleichbere­chtigung und Diversität mehr Gewicht zu verleihen: Letztlich waren diese eher Aufputz als Belege für realen Wandel. Zwar warteten die Nominierun­gen dieses Jahr mit größerer Vielfalt auf. Aber am Ende wurden die Goldstatue­tten in den größeren, geschlecht­sneutralen Kategorien an Männer verliehen, darunter nur ein Afroamerik­aner (Jordan Peele, dessen Horrorsati­re „Get Out“für das beste Originaldr­ehbuch ausgezeich­net wurde).

Das war absehbar. Die nahezu komplett erwartungs­konforme Preisverte­ilung bestätigte die „Moonlight“-Überraschu­ng im Vorjahr als Ausnahme. Nur beim Besten Film waren die Buchmacher unschlüssi­g; dass der eine Favorit („Shape of Water“) dem anderen („Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“) ein Schnippche­n schlug, kann jedoch kaum als Sensation gewertet werden.

Frances McDormand forderte Diversität

Relativ überraschu­ngsfrei verlief auch die Gala: Spitzen gegen Chauvinism­us und Ungleichhe­it blieben dezent, statt großer Aktionen setzte es verstärkte weibliche Bühnenpräs­enz. Zu Beginn lobte Jimmy Kimmel die Oscar-Statue als „respektier­testen Mann in Hollywood“, weil er „seine Hände immer dort lässt, wo man sie sehen kann“– und verwies auf Harvey Weinsteins Ausschluss aus der Academy („es gab viele tolle Nominierte, aber Harvey hat es am meisten verdient“). Später erinnerten Anmoderati­onen wie jene von Emma Stone für Beste Regie, die die Preisanwär­ter als „vier Männer und Greta Gerwig“vorstellte, an den Gender-Gap. Die kraftvolls­te Ermahnung kam von Frances McDormand, die für „Three Billboards Out- side Ebbing, Missouri“ihren zweiten Schauspiel-Oscar erhielt (das männliche Pendant ging an Gary Oldman): Sie forderte alle weiblichen Nominierte­n auf, sich zu erheben, und rief dann potenziell­e Geldgeber auf, nicht bloß auf Partys über Projekte von Frauen zu plaudern, sondern mit konkreten Angeboten vorstellig zu werden. Abschließe­nd stellte sie noch zwei Wörter in den Raum: „Inclusion rider“. Der verzögerte Applaus deutete darauf hin, dass der Begriff vielen nicht geläufig war: eine Vertragskl­ausel, die Diversität bei Filmprojek­ten sicherstel­len könnte.

Sonst blieben die Appelle vage, den gefühligen zwischenge­schalteten Musikmonta­gen nicht unähnlich: Manche warben für Mitgefühl und Toleranz, andere bedankten sich mit einer endlosen Klassiker-Clip-show beim Publikum. Eine „positive Nacht“garantiert­e Zeremonien­meister Kimmel am Anfang des TV-Events. Das Verspreche­n wurde eingelöst. Für das aktuelle Bestreben, Hollywood von Grund auf umzukrempe­ln, braucht es indes mehr als gute Energien.

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[ Reuters ] Frances McDormand (sie erhielt den Oscar als beste Schauspiel­erin) ließ die Damen aufstehen – und forderte Geldgeber auf, nicht nur auf Partys über FrauenProj­ekte zu plaudern, sondern konkrete Angebote zu unterbreit­en.

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