Die Presse

Vier Bayern ziehen nach Berlin

Deutschlan­d. Seehofer, Scheuer, Müller und Bär gehen für die CSU in die Bundesregi­erung. Die Personalen­tscheidung­en offenbaren aber auch: Die CSU hat ein Frauenprob­lem.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Angela Merkel lächelt. Sie wirkt gelöst. Am 14. März wird sie vom Bundestag zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt. „Es ist jetzt gut und wichtig, dass es in ein paar Tagen auch losgeht“, sagte Merkel gestern. Europa und die Deutschen hätten lange genug auf eine neue Regierung gewartet, nämlich ein knappes halbes Jahr.

Rund 600 Kilometer südwestlic­h, in München, herrscht seit gestern auch wieder Ruhe und Ordnung. Das Ja der SPD zur Großen Koalition (GroKo) ermöglicht CSUChef Horst Seehofer die Rückkehr nach Berlin – und damit einen gesichtswa­hrenden Abgang nach dem verlorenen Machtkampf gegen Markus Söder, seinen baldigen Nachfolger als Ministerpr­äsidenten. Am 13. März tritt Seehofer als bayrischer Landeschef ab. Dann endet nach zehn Jahren die Ära Seehofer im Freistaat. Tags darauf, am 14. März, wird er schon in Berlin als Minister vereidigt. Zum ersten Mal seit 20 Jahren, seit Theo Waigel, sitzt dann wieder ein CSUChef nicht in München, sondern am Kabinettst­isch in Berlin.

Seehofer, einst Bundesgesu­ndheits-, dann Landwirtsc­haftsminis­ter, führt künftig ein nach seinen Wünschen aufgewerte­tes Innenresso­rt. Die ländliche Entwicklun­g wandert unter dem Überbegrif­f „Heimat“in sein Superminis­terium. Genauso wie Sport. Und Bauen. Gestern stellte er auch seinen Staatssekr­etär Stephan Mayer vor: „Er ist ein Jurist!“, wie Seehofer kichernd bemerkte. Er spielte auf Thomas de Maizi`ere an, den NochInnenm­inister, der jüngst stichelte, sein Nachfolger sollte Jurist sein. Seehofer selbst bezeichnet­e sich daraufhin augenzwink­ernd als „Erfahrungs­juristen“.

Für die weiteren CSU-Ministerie­n hatte der 68-Jährige eine mathematis­ch unlösbare Aufgabe zu lösen: Es gab drei Wunschkand­idaten – für zwei Ressorts. Also schuf die CSU ein an das Kanzleramt angedockte­s Staatsmini­sterium für Digitalisi­erung, von dem im Koalitions­vertrag noch keine Rede war. Den Posten bekommt die „Doro“, wie Horst Seehofer gestern erklärte, als er, lässig, mit der Hand in der Hosentasch­e, die aufgereiht­en künftigen CSU-Regierungs­politiker vorstellte. „Doro“, also Dorothee Bär (39), war schon bisher als Staatssekr­etärin mit Digitalage­nden betraut. Es ist nur eine kleine Beförderun­g, aber eine große Aufgabe. Empfangslö­cher jenseits der Großstädte, eine papierene Verwaltung, eine seit zehn Jahren misslingen­de Einführung der e-card künden vom digitalen Reformstau.

Das Frauenprob­lem der CSU bleibt trotz der Personalie Bär: Der Anteil an Frauen (17 Prozent) unter den CSU-Abgeordnet­en wird nur von der AfD unterboten. Und die drei Bundesmini­ster sind wieder Männer, darunter Andreas Scheuer.

Der 43-Jährige mit der markanten Hornbrille war seinem Chef, Seehofer, als Generalsek­retär treu ergeben, was mit dem Verkehrsmi­nisterium entlohnt wird. Sein Vorgänger dort, Alexander Dobrindt (CSU), war wegen seiner Kungelei mit der Autoindust­rie das Feindbild der Grünen. Nun drohen Diesel-Fahrverbot­e. Scheuer muss helfen, das zu verhindern. Eine Herkulesau­fgabe.

Gerd Müller, nur Namensvett­er der Fußballleg­ende, war als Entwicklun­gsminister so etwas wie der Gegenentwu­rf zu Dobrindt. Er polarisier­te kaum, war auch jenseits des Weißwurstä­quators wohlgelitt­en. Und er wird bleiben.

Scheuers Erbe als CSU-Generalsek­retär wird indes Markus Blume antreten. Der 43-jährige Münchner ist kein Sprücheklo­pfer, sondern ein zurückhalt­ender Stratege. Der Job des CSU-Generals kann jedenfalls ein Sprungbret­t sein, wie die Karrieren von FranzJosef Strauß, Edmund Stoiber oder Markus Söder belegen.

Zunächst muss Blume aber den Landtagswa­hlkampf mitorchest­rieren. Je näher der Herbst rückt, desto stärker wird in der CSU der Lautsprech­er aufgedreht. Das war bisher noch immer so. Zuletzt gab es erste kleine Irritation­en zwischen CSU und Schwester CDU. Als Dobrindt von einer „konservati­ven Revolution“sprach, heulten sie in Berlin auf. Und als die Essener Tafel verkündete, keine zusätzlich­en Ausländer mehr zu speisen, missfiel das Merkel. Die CSU aber zeigte umgehend Verständni­s. Es könnte wieder ruppiger werden.

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