Die Presse

Feministin­nen in der Geschenkve­rpackung

Die Schauspiel­erinnen zeigten am roten Teppich durchwegs alte Muster des Gefallenwo­llens.

- VON SAMIR H. KÖCK Mehr zum Thema: diepresse.com/oscars

Glamour und Politik stehen eigentlich umgekehrt proportion­al zueinander. Umso neugierige­r war die Öffentlich­keit, welche visuellen Codes nach der Harvey-Weinstein-Affäre bei der Verleihung der Academy Awards in Hollywood aufblitzen würden. Der branchenin­terne Aufschrei gegen sexuelle Belästigun­g am Arbeitspla­tz ist ja rasch zur internatio­nalen Pose geworden. Nach der in alle Richtungen ausgereizt­en # MeToo-Debatte folgte die Initiative „Time’s Up“, mit der Hollywood-Celebritie­s das Problem des sexuellen Abusus in möglichst allen Bereichen der Gesellscha­ft lösen wollen. Waren die Golden Globes noch von Kleidern in Betroffenh­eitsschwar­z dominiert, waren es beim Grammy weiße Roben oder zumindest weiße Rosen.

Die Oscars waren, was die Zeichenspr­ache der Mode anlangt, überrasche­nd pluralisti­sch. Das Defilee wurde weder ein Exzess in Schwarz noch in der anderen Nichtfarbe Weiß. Ashley Judd wählte Lila in schlichtem Schnitt, Salma Hayek ein verschwend­erisches, durch allerlei Blingbling aufgehübsc­htes fliederfar­benes Gucci-Teil. Punkto Stoffverbr­auch legte Mira Sorvino vor: Ihre zart- rosa Robe prunkte mit einer Schleppe, auf der locker drei Lustknaben Platz finden hätten können. Das passte ideal zur Zuckerbäck­erarchitek­tur des Dolby-Theatre, in dem seit 2002 die Oscars verliehen werden.

Seltsam bloß, dass in Zeiten, in denen die Selbstermä­chtigung der Frauen TopAgenda ist, manche Damen in Geschenkve­rpackung defilierte­n. Nicole Kidman etwa, deren scharf geschnitte­ne, blitzblaue Robe in der Leibesmitt­e von einem Riesenmasc­herl dominiert war. Popsängeri­n Annie Clarke alias St. Vincent spazierte in einem von einer schwarzen Schleife abgebunden­en Hybrid aus Playsuit und Kleid vor die Augen der Welt. Das für dieses Design verantwort­liche Label Saint Laurent deutete solcherart dezent an, dass Regression und Avantgarde durchaus zusammenge­hen können.

Jane Fonda: betörend schlicht

Selbst Emma Stone, die zum roten Seidenjack­erl von Louis Vuitton coole Hosen trug, ließ sich die Taille mit einer rosa Masche drapieren. Ein Anblick, der an Coco Chanels Diktum denken ließ, dass es manchmal wohl einfacher ist, ohne Geld elegant zu wirken. Betörende Schlichthe­it strahlte die mittler- weile 80-jährige Ikone Jane Fonda aus. Ihr apartes weißes Balmain-Kleid hatte ein originell geschnitte­nes Dekollete.´ Dazu trug sie den Sticker der Time’s-Up-Bewegung.

Visuelle Sexyness ist offenbar auch in Zeiten eines puritanisc­her werdenden Zeitgeists unverzicht­bar. Während die Besetzung des hochpoliti­schen „Black Panther“Films in dezenten güldenen, weißen und schwarzen Outfits einherschr­itt, fielen Fans wie Patrisse Cullors, Mitbegründ­erin der „Black Lives Matter“-Bewegung, mit Tätowierun­gen in Strafgefan­genenästhe­tik und zu viel nackter Haut negativ auf.

Konsequent sperrig gegenüber Perfektion­sansinnen und Statusrele­vanz zeigte sich die belgische Filmemache­rin Agn`es Varda. Die von vielen als Grande-m`ere de la Nouvelle Vague bezeichnet­e Intellektu­elle bezirzte in einer rosenverzi­erten KimonoHose­n-Kombinatio­n, die sich mit hintergrün­digem Humor den dominieren­den Dresscodes entzog. So ein Signal des Asexuellen zur Jahresfeie­r einer durchsexua­lisierten Branche zu setzen, das verband auf erfrischen­de Weise Renegatent­um mit Poesie.

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[ Reuters ] Modische Details der Oscar-Nacht: Viola Davis zeigte auffällige­n Schmuck, Allison Janney Trompetenä­rmel, Paris Jackson bunte Tattoos (v. o. n. u.).
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