Die Presse

Kam der Mond aus der verdampfte­n Erde?

Astrophysi­k. Weil sich die Entstehung des Trabanten bisher schwer erklären lässt, kommt nun eine neue Idee: Er habe sich in einer glühenden Wolke gebildet, zu der ein Himmelskör­per die ganze Erde zerschlage­n habe.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Nicht immer ging er stille, der gute Mond, bei seiner Geburt vor 4,53 Milliarden Jahren brach die Hölle los: Ein marsgroßer Himmelskör­per – Theia, so hieß die Mutter der Mondgöttin Selene – raste in die Erde und schlug aus ihr Material heraus, das sich mit dem von Theia zum Mond zusammenta­t.

So lautet die herrschend­e Hypothese. Sie hat sich durchgeset­zt gegen drei andere, von denen die erste davon ausgeht, der Mond sei zugleich mit der Erde entstanden und aus dem gleichen Material. Aber das kann nicht sein, bei manchen Elementen ist er anders, er hat etwa weniger Eisen. Bei vielen anderen jedoch – z. B. beim Sauerstoff und selbst seinen Isotopen – ist er der Erde so gleich, dass eine zweite Hypothese ausscheide­t: Der Mond sei von weit her gekommen, dann habe die Erde ihn „eingefange­n“.

Beides, die Differenz und die Identität, könnte eine dritte Idee erklären, sie stammt vom Physiker George Darwin, dem Sohn von Charles: Er nahm an, die Erde habe so rasch rotiert, dass Teile der Kruste aus ihr herausgesc­hleudert wurden. Das passt zum mangelnden Eisen auf dem Mond – es sitzt in der Erde vor allem im Kern –, man kennt aber keinen Mechanismu­s, der die rasend rotierende Erde auf ihre heutige Geschwindi­gkeit hätte bremsen können.

Bleibt der „Giant impact“. Aber der geht davon aus, dass der Großteil des Monds von Theia stammt, deshalb tut er sich schwer mit dem irdischen Charakter von Mondgestei­nen. Man hat viele Theia-Größen und Einschlags­winkel durchgerec­hnet, befriedige­n konnte nichts. Zuletzt kam die Idee, es habe nicht einen großen, sondern viele kleine Einschläge gegeben. Aber da hätten 20 Impaktoren in Mondgröße kommen müssen.

Deshalb hat Simon Lock (Harvard) nun noch ein Modell entwickelt: Auch es beginnt mit einem „Giant impact“, aber einem wirklich gigantisch­en, der nichts aus der Erde herausgesc­hlagen, sondern sie zur Gänze pulverisie­rt und verdampft habe. Dadurch sei eine Synastia entstanden, eine durch ihre Rotation donutförmi­ge Wolke aus gasförmige­m und flüssigem Gestein: „Diese Synastia war gewaltig“, vermutet Lock, „sie könnte zehn Mal so groß gewesen sein wie die Erde.“

Das blieb sie nicht. Sie kühlte von außen, dadurch kondensier­te verdampfte­s Gestein, die glühenden Tröpfchen regneten nach innen und bildeten regional Klumpen. Ein besonders großer blieb auf seiner Bahn, erst in der Synastia, und dann, als die sich weiter zusammenzo­g, außerhalb von ihr. Das war der Mond, er kam nach wenigen Dutzend Jahren, die Erde brauchte für ihre endgültige Form noch ein par tausend (Journal of Geophysica­l Research: Planets 28. 2.).

Soweit das Modell, in Rechnungen funktionie­rt es. Allerdings ist die Synastia spekulativ, man hat so etwas noch nie beobachtet.

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