Geisterfahrer H.-C. Strache hat den Start ziemlich vernudelt
Der Vizekanzler ist längst nicht im neuen Amt angekommen. Mit dem schrägen Kernthema Rauchverbot wird er zunehmend zum politischen Geisterfahrer.
Drei Landtagswahlen mit Zuwächsen weit unter den Erwartungen, anhaltend negativer Trend in den Umfragen bei Partei- und Kanzlerpräferenz: Langsam sollte es Heinz Christian Strache dämmern, dass er seinen Start als Koalitionspartner in der Regierung wohl ziemlich vernudelt hat.
Nach wochenlangen Diskussionen ist es immer schleierhafter, warum der Oberblaue sich mit Volldampf in das Nebenthema Rauchverbot in Lokalen verrannt hat und es gar zum Knackpunkt der Koalitionsverhandlungen hochjazzte. Inzwischen steht fest, dass der starke Raucher Strache hier als politischer Geisterfahrer unterwegs ist.
Mehr als 400.000 Unterschriften erreichte das AntiRauchen-Volksbegehren schon im Einleitungsverfahren. 71 Prozent der Wählerschaft sind laut „Profil“-Umfrage jetzt für eine Volksabstimmung über die geplante Aufhebung der auch von den betroffenen Gastronomen weithin akzeptierten Regelung nach internationalen Vorbildern. Man kann wohl die Forderung nach einer Volksabstimmung über ein Regierungsvorhaben weitestgehend mit dessen Ablehnung durch die Bürger gleichsetzen.
Wirklich ärgerlich bis beschämend sind zusätzlich die schrägen Argumente, mit denen vergangene Woche die Abschaffung im Nationalrat verteidigt wurde. Nach eindrücklichen Oppositionsreden mit eindeutigen Belegen für die hohe Krebsgefahr auch für Passivraucher verwechselte erst Strache die Regierungsbank mit dem Rednerpult seiner Aschermittwochsreden: „Ja, es besteht die Gefahr, dass man Krebs bekommt. Aber bei den Temperaturen da draußen stirbst vorher an einer Lungenentzündung.“Wenn man nämlich nur im Freien vor dem Lokal rauchen darf.
Noch ungleich ärger aber die angebliche Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein, die es schlicht „grauslich“fand. Aber nicht die Tausenden Krebstoten infolge Rauchens oder Passivrauchens pro Jahr, sondern das bestehende Verbot. Die frühere rot-schwarze Regierung habe damit „den Gastwirten verbo- ten, dass sie Raucher mit all ihren Schwächen bewirten. Sie haben den Gastwirten die Gastfreundlichkeit verboten.“Eine beeindruckende intellektuelle Rücktrittserklärung einer Gesundheitsministerin. Die wiederholt mehr selbstbewusste als inhaltlich trittsichere Hartinger-Klein hat sich damit wohl eindeutig als Problembärin der Regierung etabliert.
Der türkise Regierungspartner und seine Abgeordneten mussten sich hörbar knirschend und teilweise unübersehbar beschämt in dieser Frage der Koalitionsdisziplin beugen. Auch im Wissen, dass Straches Nikotintrip die Aufmerksamkeit von Opposition und kritischer Öffentlichkeit über die Maßen absorbiert und von anderen, ernsthaften und teilweise durchaus kritikwürdigen Regierungsprojekten ablenkt.
Das gilt auch für den Amoklauf Straches und seiner Partei gegen den ORF und seine Journalisten. Der blaue Furor vernebelt derzeit die durchaus berechtigten Fragen zu Unternehmenspolitik und Führung des Unternehmens ebenso wie die längst fällige Diskussion über die Ausgewogenheit der Berichterstattung.
Und Straches Amoklauf diskreditiert darüber hinaus auch noch die teilweise berechtigte Klage der FPÖ, seit Jahren vom ORF nicht immer fair behandelt zu werden.
Bleibt als drittes Riesenproblem für Strache der weit übermäßige Einfluss schlagender Burschenschaften in der Partei, im Parlamentsklub und in den Ministerbüros. Das letzte antisemitische Sudel-Liederbuch in Burschenschafter-Buden ist wohl noch nicht aufgedeckt. Wenn Strache mit seiner Historikerkommission in diesem Bereich nicht aufräumt, werden ihm dauerhaft rechtsextreme Grenzüberschreitungen von Parteifreunden an den Sohlen kleben.
Der lange erfolgreiche Oppositionsführer Strache ist im neuen Amt und in neuer Aufgabenstellung nicht angekommen. Vielleicht noch nicht, aber vielleicht ist er damit einfach überfordert.