Die Presse

Geisterfah­rer H.-C. Strache hat den Start ziemlich vernudelt

Der Vizekanzle­r ist längst nicht im neuen Amt angekommen. Mit dem schrägen Kernthema Rauchverbo­t wird er zunehmend zum politische­n Geisterfah­rer.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Peter Rabl arbeitete über Jahrzehnte als Journalist, Kommentato­r, Präsentato­r und Manager in Tageszeitu­ng, Magazinen und im Fernsehen. Vor seiner Pensionier­ung war er langjährig­er Herausgebe­r des „Kurier“.

Drei Landtagswa­hlen mit Zuwächsen weit unter den Erwartunge­n, anhaltend negativer Trend in den Umfragen bei Partei- und Kanzlerprä­ferenz: Langsam sollte es Heinz Christian Strache dämmern, dass er seinen Start als Koalitions­partner in der Regierung wohl ziemlich vernudelt hat.

Nach wochenlang­en Diskussion­en ist es immer schleierha­fter, warum der Oberblaue sich mit Volldampf in das Nebenthema Rauchverbo­t in Lokalen verrannt hat und es gar zum Knackpunkt der Koalitions­verhandlun­gen hochjazzte. Inzwischen steht fest, dass der starke Raucher Strache hier als politische­r Geisterfah­rer unterwegs ist.

Mehr als 400.000 Unterschri­ften erreichte das AntiRauche­n-Volksbegeh­ren schon im Einleitung­sverfahren. 71 Prozent der Wählerscha­ft sind laut „Profil“-Umfrage jetzt für eine Volksabsti­mmung über die geplante Aufhebung der auch von den betroffene­n Gastronome­n weithin akzeptiert­en Regelung nach internatio­nalen Vorbildern. Man kann wohl die Forderung nach einer Volksabsti­mmung über ein Regierungs­vorhaben weitestgeh­end mit dessen Ablehnung durch die Bürger gleichsetz­en.

Wirklich ärgerlich bis beschämend sind zusätzlich die schrägen Argumente, mit denen vergangene Woche die Abschaffun­g im Nationalra­t verteidigt wurde. Nach eindrückli­chen Opposition­sreden mit eindeutige­n Belegen für die hohe Krebsgefah­r auch für Passivrauc­her verwechsel­te erst Strache die Regierungs­bank mit dem Rednerpult seiner Aschermitt­wochsreden: „Ja, es besteht die Gefahr, dass man Krebs bekommt. Aber bei den Temperatur­en da draußen stirbst vorher an einer Lungenentz­ündung.“Wenn man nämlich nur im Freien vor dem Lokal rauchen darf.

Noch ungleich ärger aber die angebliche Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein, die es schlicht „grauslich“fand. Aber nicht die Tausenden Krebstoten infolge Rauchens oder Passivrauc­hens pro Jahr, sondern das bestehende Verbot. Die frühere rot-schwarze Regierung habe damit „den Gastwirten verbo- ten, dass sie Raucher mit all ihren Schwächen bewirten. Sie haben den Gastwirten die Gastfreund­lichkeit verboten.“Eine beeindruck­ende intellektu­elle Rücktritts­erklärung einer Gesundheit­sministeri­n. Die wiederholt mehr selbstbewu­sste als inhaltlich trittsiche­re Hartinger-Klein hat sich damit wohl eindeutig als Problembär­in der Regierung etabliert.

Der türkise Regierungs­partner und seine Abgeordnet­en mussten sich hörbar knirschend und teilweise unübersehb­ar beschämt in dieser Frage der Koalitions­disziplin beugen. Auch im Wissen, dass Straches Nikotintri­p die Aufmerksam­keit von Opposition und kritischer Öffentlich­keit über die Maßen absorbiert und von anderen, ernsthafte­n und teilweise durchaus kritikwürd­igen Regierungs­projekten ablenkt.

Das gilt auch für den Amoklauf Straches und seiner Partei gegen den ORF und seine Journalist­en. Der blaue Furor vernebelt derzeit die durchaus berechtigt­en Fragen zu Unternehme­nspolitik und Führung des Unternehme­ns ebenso wie die längst fällige Diskussion über die Ausgewogen­heit der Berichters­tattung.

Und Straches Amoklauf diskrediti­ert darüber hinaus auch noch die teilweise berechtigt­e Klage der FPÖ, seit Jahren vom ORF nicht immer fair behandelt zu werden.

Bleibt als drittes Riesenprob­lem für Strache der weit übermäßige Einfluss schlagende­r Burschensc­haften in der Partei, im Parlaments­klub und in den Ministerbü­ros. Das letzte antisemiti­sche Sudel-Liederbuch in Burschensc­hafter-Buden ist wohl noch nicht aufgedeckt. Wenn Strache mit seiner Historiker­kommission in diesem Bereich nicht aufräumt, werden ihm dauerhaft rechtsextr­eme Grenzübers­chreitunge­n von Parteifreu­nden an den Sohlen kleben.

Der lange erfolgreic­he Opposition­sführer Strache ist im neuen Amt und in neuer Aufgabenst­ellung nicht angekommen. Vielleicht noch nicht, aber vielleicht ist er damit einfach überforder­t.

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VON PETER RABL

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