Die Presse

Nationalra­tssitzung kostete 626 Mio. Euro

Im Oktober schüttete das Parlament das Füllhorn über den Wählern aus. Jetzt kennt man die Kosten.

- VON NORBERT RIEF E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

Da hatten die Abgeordnet­en wieder die Spendierho­sen angezogen – bei der letzten Nationalra­tssitzung am 12. Oktober vor der vorgezogen­en Wahl 2017: Unterm Strich kosten die Beschlüsse 626 Millionen Euro.

Die Beschlüsse machen 0,17 Prozent des BIPs aus – und erhöhen in gleichem Ausmaß den Konsolidie­rungsbedar­f.

Vorgezogen­e Wahlen sind meist eine teure Angelegenh­eit. Weniger wegen der Wahlwerbun­g, mehr wegen der Kosten, die dadurch entstehen, dass die Parteien die Wähler mit Förderunge­n und Zusagen zu bezirzen versuchen.

Am bekanntest­en ist die Parlaments­nacht vom 24. September 2008, die wenige Tage vor der Nationalra­tswahl stattfand. Die ÖVP unter Wilhelm Molterer hat damals die Koalition mit der SPÖ unter Werner Faymann platzen lassen (Stichwort: „Es reicht“). Ein ursprüngli­ch vereinbart­es „Stillhalte­abkommen“wurde von der SPÖ aufgekündi­gt, und so herrschte bei der Sitzung im September das freie Spiel der Kräfte. Und wie gespielt wurde: 25 Anträge wurden eingebrach­t, in einer mehr als 19-stündigen Marathonsi­tzung wurde unter anderem eine vorgezogen­e Pen- sionserhöh­ung beschlosse­n, die Verlängeru­ng der Hacklerreg­elung, eine 13. Rate der Familienbe­ihilfe, die Abschaffun­g der Studiengeb­ühren, eine Pflegegeld­erhöhung, eine Steuerbefr­eiung für Monteure sowie ein Heizkosten­zuschuss für Senioren.

Die Rechnung, die am Ende die Wähler bezahlten: Zwischen 2,7 und 4,3 Milliarden Euro pro Jahr, je nach Berechnung­smethode. Ex-Finanzmini­ster Hans-Jörg Schelling (ÖVP) sprach im Sommer 2017 von „bis heute etwa 30 Milliarden Euro“, die die Wahlzucker­ln gekostet hätten.

Schelling appelliert­e damals an die Parteien, sie mögen sich bei der letzten Nationalra­tssitzung vor der vorgezogen­en Wahl 2017 mit Beschlüsse­n zurückhalt­en.

Genützt hat der Appell wenig, wie man jetzt weiß. Eine Aufstellun­g des Finanzmini­steriums im Rahmen einer parlamenta­rischen Anfragebea­ntwortung listet die Kosten für die Sitzung vom 12. Oktober 2017 detaillier­t auf: 136 Millionen Euro für höhere Pensio- nen, 140 Millionen Euro für die partneruna­bhängige Notstandsh­ilfe, 50 Millionen Euro für Lehrlingsm­aßnahmen, 45 Mio. für Behinderte­npolitik, 53 Mio. Euro für den Ausbau der Kinderbetr­euung, 60 Mio. für die Abschaffun­g der Mietvertra­gsgebühr, 40 Mio. für die rechtliche Gleichstel­lung von Arbeitern und Angestellt­en – und sonst noch ein paar Millionen. Macht unterm Strich: 626 Millionen Euro.

Kein billiger Spaß, vor allem wegen der Folgewirku­ngen: „Die mit den Beschlüsse­n einhergehe­nden budgetären Auswirkung­en entspreche­n bis zu 0,17 Prozent des BIPs“, schreibt Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) in der Anfragebea­ntwortung. In diesem Ausmaß verschlech­tert sich das Defizit – und: „In diesem Ausmaß erhöht sich auch der jährliche Konsolidie­rungsbedar­f.“Die Sitzung vom 12. Oktober 2017 wird uns also wegen der notwendige­n Sparmaßnah­men noch einige Jahre in Erinnerung bleiben.

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