Die Presse

Historisch­e Wende in Korea-Krise

Gipfeltref­fen. Erstmals seit über zehn Jahren werden die Staatschef­s der beiden Koreas einander treffen. Nach Jahren heftiger Kriegsrhet­orik zeigt sich Pjöngjang bereit, über sein Atomarsena­l zu verhandeln.

- Von unserem Korrespond­enten F ELI X L EE

Zum ersten Mal in vielen Jahren wird eine ernsthafte Anstrengun­g von allen betroffene­n Seiten unternomme­n. Donald Trump, US-Präsident

Mit einer solchen historisch­en Einigung haben selbst die größten Optimisten nicht gerechnet. In der Nordkorea-Krise gibt es eine historisch­e Wende: Nach Jahren heftiger Kriegsrhet­orik hat sich Nordkoreas Führung bereiterkl­ärt, ihr Atombewaff­nungsprogr­amm zu unterbrech­en und mit der US-Regierung zu Gesprächen zusammenzu­kommen.

Das stalinisti­sche Land habe erklärt, dass es keine Notwendigk­eit für eine Aufrechter­haltung seines Atomprogra­mms sehe, solange es nicht militärisc­h bedroht werde und die Sicherheit seiner Führung gewährleis­tet sei, teilte Südkoreas Sicherheit­sdirektor Chung Eui-yong Dienstagab­end nach seiner Rückkehr aus Pjöngjang mit. Nordkorea habe ihm zudem versichert, auch keine konvention­ellen oder Atomwaffen gegen Südkorea einzusetze­n. Chung hatte sich für zwei Tage zu Gesprächen in der nordkorean­ischen Hauptstadt aufgehalte­n.

Herzliches Abendessen in Pjöng jang

Nordkoreas amtliche Nachrichte­nagentur KCNA hatte zuvor berichtet, der nordkorean­ische Machthaber, Kim Jong-un, habe die Vertreter aus Südkorea „herzlich empfangen“und ein Abendessen für die Gäste ausgericht­et. Es habe „herzliche“Gespräche gegeben. Kim sei fest entschloss­en, „die innerkorea­nischen Beziehunge­n und die Bemühungen für eine Wiedervere­inigung voranzubri­ngen“.

Als Zeichen des guten Willens sagte Südkoreas Präsident Moon Jae-in noch am Abend zu, sich mit dem nordkorean­ischen Diktator, Kim Jong-un, zu treffen. Der Gipfel ist für Ende April anberaumt und werde im Grenzort Panmunjom stattfinde­n.

Sollte es tatsächlic­h zustande kommen, wird es das erste Mal seit mehr als zehn Jahren sein, dass sich die Staatsober­häupter der beiden Koreas an einen Tisch setzen. Zudem sei geplant, eine ständige Telefonver­bindung zwischen Seoul und Pjöngjang einzuricht­en, um militärisc­he Spannungen zu verringern, heißt es in einer Pressemitt­eilung des südkoreani­schen Präsidiala­mts.

Dass überhaupt eine südkoreani­sche Regierungs­delegation zu Gast im verfeindet­en Nordkorea ist, gilt bereits als historisch. Noch vor Jahresfris­t schien der Konflikt um Nordkoreas Atomwaffen­programm so festgefahr­en, dass eine Annäherung unerreichb­ar schien. Das Regime in Pjöngjang hatte das ganze Jahr 2017 über mit Dutzenden von Mittel- und Langstreck­enraketent­ests und der unterirdis­chen Zündung einer Wasserstof­fbombe den Zorn der gesamten Weltgemein­schaft auf sich gezogen. Denn die Führung in Pjöngjang verstieß mit Atom- und Raketentes­ts gegen Resolution­en des UN-Sicherheit­srats. Dieser reagierte mit ständig neuen Sanktionen.

Trump begrüßt „Fortschrit­te“

Zur Verschärfu­ng des Konflikts beigetrage­n hatte zudem US-Präsident Donald Trump, der auf Twitter seinerseit­s eine Hasstirade nach der anderen abfeuerte und rhetorisch dem nordkorean­ischen Diktator in nichts nachstand. Kim und Trump haben sich gegenseiti­g mit der Vernichtun­g gedroht.

Doch in seiner Neujahrsre­de leitete Machthaber Kim überrasche­nd eine Wende beim festgefahr­enen Konflikt ein. Das erste Mal seit seiner Machtübern­ahme Ende 2011 äußerte er den Wunsch nach einer Annäherung an Südkorea. Kim nahm die Einladung Südkoreas an, mit nordkorean­ischen Athleten an den Olympische­n Winterspie­len im Februar im südkoreani­schen Pyeongchan­g teilzunehm­en. Der Diktator leitete damit eine Entspannun­gspolitik ein, auf die Süd- koreas linksliber­aler Präsident, Moon Jae-in, seit Monaten gehofft hatte.

Nordkorea nutzte die Teilnahme an den Spielen für eine Charmeoffe­nsive, wie es die Welt von diesem seit Jahrzehnte­n streng abgeschott­eten Land kaum für möglich gehalten hat. Zur Eröffnungs­feier Anfang Februar schickte Machthaber Kim nicht nur seine Schwester Kim Yo-jong, die dem südkoreani­schen Präsidente­n eine Einladung ihres Bruders überbracht­e.

Kim schickte auch eine 200-köpfige Cheerleade­r-Gruppe, die mit ihrer quirligen Art für Begeisteru­ng sorgte. Moon ließ jedoch offen, ob er die Einladung annehmen würde. Als Voraussetz­ung nannte Moon ein Moratorium des nordkorean­ischen Atomwaffen­programms. „Das kommt zwar überrasche­nd“, heißt es in westlichen diplomatis­chen Kreisen in Peking, die auch für Nordkorea zuständig sind. Zugleich sei Kims Vorgehen aber „äußerst schlau“. Dem nordkorean­ischen Machthaber sei es innerhalb kurzer Zeit gelungen, einen Keil zwischen den Verbündete­n Südkorea und den USA zu treiben. Trump stehe nun unter Zugzwang.

Trump jedenfalls reagierte überrasche­nd positiv: „Zum ersten Mal in vielen Jahren wird eine ernsthafte Anstrengun­g von allen Seiten unternomme­n“, schrieb er auf Twitter. Er begrüßte den Gipfel im April als „möglichen Fortschrit­t“.

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[ APA ] Sie sprechen wieder miteinande­r: Chung Eui-yong (l.), Leiter der Delegation Südkoreas, und Nordkoreas Diktator, Kim Jong-un (r.). Auch Kims Schwester Kim Yo-jong nahm an den Gesprächen teil. Sie war während der Olympische­n Spiele für eine...

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