Die Presse

Wie die globalisie­rte Wirtschaft die Macht des Twitterkön­igs begrenzt

Die Reaktion der Finanzmärk­te auf Italien-Wahl und US-Protektion­ismus zeigt: Die globalisie­rte Weltwirtsc­haft emanzipier­t sich zunehmend von der Politik.

- E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

E igentlich war es ein ziemlich giftiger Cocktail, der in den vergangene­n Tagen gemixt wurde: US-Präsident Trump erklärt dem Rest der Welt mit der Ankündigun­g von Strafzölle­n den Wirtschaft­skrieg, die EU reagiert darauf mit der Androhung von Gegenmaßna­hmen und im wirtschaft­lich ohnehin angeschlag­enen Italien – immerhin die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Eurozone – kommen europafein­dliche Rechtspopu­listen samt der Juxpartei des Herrn Grillo an die Macht.

Sieht insgesamt verdammt gefährlich für Konjunktur und Finanzmärk­te aus. Und was machen Letztere? Einen Freudenspr­ung! Der deutsche Börsenleit­index DAX etwa, ein wichtiges Stimmungsb­arometer für den Zustand der Eurozone insgesamt, hat sowohl am Tag nach der italienisc­hen Wahl als auch am Tag der Ankündigun­g von EU-Gegenmaßna­hmen gegen US-Zölle recht deutlich zugelegt.

Besser kann man den Machtverlu­st der Politik gegen eine internatio­nal stark vernetzte, globalisie­rte Wirtschaft nicht mehr illustrier­en. Die Botschaft ist klar: Politik kann regional und protektion­istisch agieren, aber sie setzt sich damit entweder gegen die globale Wirtschaft nicht durch – oder sie riskiert Isolation und wirtschaft­lichen Niedergang.

In Italien ist diese Erkenntnis keine große Überraschu­ng: Dort, wo Regierungs­krisen eher die Regel als die Ausnahme darstellen, sind Wirtschaft und Politik schon lang entkoppelt. Ein alter, statistisc­h durchaus belegbarer Kalauer sagt, dass die italienisc­he Wirtschaft gerade in Zeiten, in denen die Politik anderweiti­g (etwa mit Neuwahlen oder Koalitions­bildungen) beschäftig­t ist, am besten funktionie­rt. Tatsächlic­h hat das italienisc­he Wirtschaft­swachstum gerade in den vergangene­n Monaten die Prognosen recht deutlich übertroffe­n. Das Problem Europas mit Italien liegt auch nicht so sehr in der irrlichter­nden Politik. Sondern in den faulen Krediten der Banken. Und daran hat sich in den vergangene­n Tagen nichts geändert. Wozu also in Panik verfallen?

Relevanter ist da schon die Erfahrung des Herrn Trump, dass auch die mächtigste Wirtschaft­snation der Welt gegen die Kräfte der Globalisie­rung wenig ausrichten kann. Dort beginnt der „America first“-Protektion­ismus ja gerade ordentlich zu wackeln, weil die eigenen Leute dem Präsidente­n zunehmend in den Rücken fallen. Republikan­er sind eben überdurchs­chnittlich in internatio­nalen Unternehme­n engagiert. Und können dort Abschottun­g und Handelskri­eg brauchen wie einen Kropf.

D ie EU hat auf die Ankündigun­g von Zöllen auf Stahl und Aluminium zudem sehr gescheit reagiert. EU-Strafzölle auf Motorräder, Whiskey und Hausboote sehen auf den ersten Blick lächerlich aus – treffen aber die wichtigste­n Exportprod­ukte der republikan­ischen Hochburgen Wisconsin (HarleyDavi­dson) sowie Kentucky und Tennessee (Bourbon). Und wenn Trump darauf mit Zöllen auf deutsche Autos reagiert – ja, dann wird es lustig. Die global aufgestell­ten Autokonzer­ne BMW, Mercedes und VW produziere­n für den amerikanis­chen Markt nämlich sehr viel in Tennessee, South Carolina und Alabama. Sind das bestrafung­swürdige deutsche Autos? Dann wackeln Tausende Arbeitsplä­tze in republikan­isch dominierte­n Bundesstaa­ten. Sind das doch US-Cars, weil sie ja nicht importiert werden? Dann geht der Schuss in den Ofen.

Natürlich kann Trump, wenn er will, den totalen Wirtschaft­skrieg anzetteln. Dann leidet eben die gesamte Weltwirtsc­haft – einschließ­lich der USA. Und für diesen Fall gibt es auch noch sechs Billionen Dollar an US-Staatsanle­ihen in asiatische­r und europäisch­er Hand. Mit ihnen kann man, wenn es wirklich ohne Rücksicht auf Verluste hart auf hart geht, den amerikanis­chen Anleihemar­kt und damit auch die US-Staatsfina­nzierung recht ordentlich durcheinan­derbringen.

Selbst die globale Führungsma­cht hat also den „grip“auf die globalisie­rte Wirtschaft verloren. Das kann man, etwa in Hinblick auf das Agieren weltweiter Monopole wie Google, Facebook etc. bedenklich finden. Aber man muss bis auf Weiteres damit leben. Im Fall der Protektion­ismusanfäl­le des Twitterkön­igs aus dem Weißen Haus kann sich das sogar als Glück herausstel­len.

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VON JOSEF URSCHITZ

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