Rechtspopulismus und nihilistischer Protest
Gespaltenes Italien. Die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen Norden und Süden des Landes drücken sich nun auch im Wahlergebnis aus: Der Norden stimmte vor allem für die Lega, der Süden für die Fünf-Sterne-Bewegung.
Colourblocking, die Kombination starker Farben mit harten Trennlinien, ist aus der Mode nicht mehr wegzudenken. Im Land der Mode hat sich auch die politische Landkarte diesem Trend angepasst. Das zeigen die jüngsten Parlamentswahlen ganz deutlich. Schaut man auf die Verteilung der Wählerstimmen bei den Direktmandaten, teilt sich der italienische Stiefel: Der Schaft ist tiefblau, Ferse und Spitze grellgelb. Blau – die Farbe des Mitte-rechts-Bündnisses – zieht sich das Schienbein runter. Gelb – die Farbe der FünfSterne-Bewegung – erklimmt das Wadenbein. Ein diagonaler Schnitt geht durch das Land, die Grenze verläuft zwischen den Regionen Marken und Umbrien, und zwischen Latium und den Abruzzen.
Im Norden siegte am Sonntag, wenn es um die Direktmandate ging, der jeweilige Kandidat des Mitte-rechts-Bündnisses aus Forza Italia, der rechtspopulistischen Lega, und den noch rechteren Fratelli d’Italia. Der Süden und die Inseln sind hingegen nahezu komplett in der Hand der Protestpartei Fünf-Sterne-Bewegung (Movimento Cinque Stelle). „Diese Wahlen haben das Land gespalten“, sagt Giovanni Orsina, Professor für Politikwissenschaften an der Universität LUISS in Rom.
Wie eine Welle sind die Fünf Sterne über den Süden geschwappt. In Kalabrien, Kampanien, Apulien, Sizilien und anderen südlichen Regionen haben fast alle ihre Direktkandidaten einen Sieg errungen. In der Region Kampanien konnte sie ihre Stimmen von 2013 mehr als verdoppeln.
„Die Lega gewinnt im Norden, dort, wo es noch Hoffnung gibt“, erklärt sich Politikexperte Orsina diese Entwicklung. Im Gegensatz zum Süden Italiens. „Die Wahl dort hat eine nihilistische Komponente“, so Orsina. „Vielleicht ist auch noch ein Hauch Hoffnung dabei, aber vor allem ist diese Wahl ein Schmerzensschrei und ein Hilferuf.“Das Problem für die Wähler im Süden werde aber sein: Die benötigte Hilfe wird auch von den Fünf Sternen nicht kommen.
Somit vollzieht sich die politische Trennung nach der wirtschaftlichen: Der Norden ist stolz auf seine florierende Wirtschaft, der Süden ächzt seit Langem unter extrem hohen Arbeitslosenzahlen und einer maroden Infrastruktur. In den vergangenen Jahren hat sich Schere zwischen Nord- und Süditalien sogar noch weiter geöffnet. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lag im Jahr 2015 im Norden bei 32.889 Euro, im Süden bei 17.984 Euro. Die Differenz ist um 650 Euro höher als noch im Jahr 2007. Im Süden waren im Jahr 2015 ganze 46,4 Prozent der Menschen von Armut bedroht, 2007 waren es noch 42,7 Prozent. Fast die Hälfte der Süditaliener ist also in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Im Norden ist die Zahl im selben Zeitraum von 16 auf 17,4 Prozent gestiegen.
Die Fünf-Sterne-Bewegung erklärt sich ihren Sieg im Süden so- wohl mit dem Wahlversprechen eines Bürgereinkommens als auch mit der Positionierung gegen das Politikestablishment. „Dort, wo die Politiker die Verbindung zum Volk verloren haben, haben wir diese umso mehr verstärkt“, hieß es in der Wahlnacht aus dem Nobelho- tel Parco dei Principi im reichen Botschafterviertel Roms, wo die Protestpartei ihr Wahllager aufgeschlagen hatte.
„Italien war zwar schon immer ein geteiltes Land“, so LUISS-Professor Orsina. „Aber bisher hat zumindest die Politik das Land zu- sammengehalten.“Nach dem Faschismus war die politische Säule für die Bürger die Partei Democrazia Cristiana, und nach deren Zusammenbruch war es der viermalige Ministerpräsident Silvio Berlusconi. „Ob er einem gefällt oder nicht, er hat die Zustimmung sowohl aus dem Norden als auch aus dem Süden erhalten“, so Orsina. Die heutigen Parteien aber verfestigten die internen Unterschiede Italiens, anstatt das Land zusammenzuflicken. „Das ist der Punkt, der uns am meisten Sorgen bereiten sollte. Nicht der Populismus.“
Ein weiterer Unterschied: Der Süden Italiens hatte die höchste Zahl an Nichtwählern zu verzeichnen. Nur etwa 63 Prozent der Wahlberechtigten ist am Sonntag in Sizilien an die Urnen gegangen. Im ganzen Land lag die Wahlbeteiligung höher als erwartet bei rund 73 Prozent. Das sind zwar um zwei Prozentpunkte weniger als 2013, aber vor fünf Jahren wurde noch an zwei Tagen gewählt.