Nun Courage, du mein lieb Heimatland?
Jetzt hat auch Deutschland seine Hymnendebatte: Eine Gleichstellungsbeauftragte will die Wörter „Vaterland“und „brüderlich“ersetzen.
Gut sechs Jahre nach der „geschlechtergerechten Änderung“in „Land der Berge“hat nun auch Deutschland seine Hymnendebatte – und sie hat bereits ein schönes neues Adjektiv gebracht: „gomringerisch“, nach dem Lyriker Eugen Gomringer, debattenbekannt durch seine poetische Kühnheit, Frauen und Blumen in ein und derselben Zeile zu bewundern. „Nicht unbedingt emanzipierend, sondern mindestens gomringerisch gemeint“, schreibt Johan Schloemann in der „Süddeutschen Zeitung“, sei die zweite Strophe von Hoffmann von Fallerslebens „Lied der Deutschen“, die so beginnt: „Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang sollen in der Welt behalten ihren alten schönen Klang“. „Ergänze: ein Bewunderer“, fügt Schloemann in Klammer dazu – und hält fest: Auch diese zweite Strophe eigne sich offenbar nicht als Ersatz für die dritte.
Denn diese wird seit 1952 bei offiziellen Anlässen gesungen, seit 1991 ist sie Nationalhymne Deutschlands. Die erste Strophe („Deutschland, Deutschland über alles“) ist erstens durch die NS-Diktatur, in der sie meist vor dem Horst-Wessel-Lied gesungen wurde, entwürdigt; zweitens könnte man die Zeilen „Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt“als Gebietsansprüche verstehen.
Nun also die dritte Strophe („Einigkeit und Recht und Freiheit“), die, so Rainer Haubrich in der „Welt“, ein „erstaunlich moderater und moderner Geist durchzieht“. Gleichwohl hat Kristin Rose-Möhring, Gleichstellungsbeauftragte im Bundesfamilienministerium, eine Umdichtung vorge- schlagen: Aus „brüderlich mit Herz und Hand“soll „couragiert mit Herz und Hand“werden, das „Vaterland“soll durch „Heimatland“ersetzt werden. Rose-Möhring beruft sich explizit auf die Hymnenänderungen in Österreich und Kanada: „True patriot love in all thy sons command“wurde dort zu „in all of us command“.
Nun wird debattiert: Wie patriarchalisch ist das Vaterland? (Und ist die Muttersprache entsprechend matriarchalisch?) Natürlich, auch die „Marseillaise“wendet sich an die „enfants de la Patrie“, aber sie spricht ja auch von „unreinem Blut“, das die Furchen tränken soll.
Etliche kritisierten, dass „Heimatland“an „homeland“erinnere, was, so Schloemann, „sogleich Assoziationen mit einem Heimat(schutz)ministerium erzeugt“. Zumindest für Wiener Ohren klingt „Heimatland“auch recht bayrisch, als müsse man es ei- gentlich „Hoamatland“˚ singen, wie in der oberösterreichischen Hymne.
Und die Änderung von „brüderlich“auf „couragiert“? Sie sei rhythmisch bedenklich, argumentiert etwa Schloemann: „Das Versmaß, ein katalektischer trochäischer Vierheber, verlangt am Anfang der Zeile ein anfangsbetontes Wort.“Wohl der Nation, die so feines Rhythmusgefühl hat, möchte man da sagen: Im Vergleich zur Tortur der „großen Töchter und Söhne“– das klinge wie „Poesie mit der Kneifzange“, schreibt Haubrich – würde diese Änderung das Metrum nur sanft erschüttern, es bedürfte nicht viel Mutes, dem Wort „couragiert“eine kleine Zweitbetonung auf der ersten Silbe zu gewähren . . .
Doch halt! Kanzlerin Merkel hat sich gemeldet: Sie sei „sehr zufrieden“mit der derzeitigen Form der Hymne. Ob die Debatte um deutschen Hymnensang damit beendet ist?
„Für das deutsche Vaterland“, schrieb Hoffmann von Fallersleben 1841 im „Lied der Deutschen“, dritte Strophe.