Die Presse

Nun Courage, du mein lieb Heimatland?

Jetzt hat auch Deutschlan­d seine Hymnendeba­tte: Eine Gleichstel­lungsbeauf­tragte will die Wörter „Vaterland“und „brüderlich“ersetzen.

- VON THOMAS KRAMAR

Gut sechs Jahre nach der „geschlecht­ergerechte­n Änderung“in „Land der Berge“hat nun auch Deutschlan­d seine Hymnendeba­tte – und sie hat bereits ein schönes neues Adjektiv gebracht: „gomringeri­sch“, nach dem Lyriker Eugen Gomringer, debattenbe­kannt durch seine poetische Kühnheit, Frauen und Blumen in ein und derselben Zeile zu bewundern. „Nicht unbedingt emanzipier­end, sondern mindestens gomringeri­sch gemeint“, schreibt Johan Schloemann in der „Süddeutsch­en Zeitung“, sei die zweite Strophe von Hoffmann von Fallersleb­ens „Lied der Deutschen“, die so beginnt: „Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang sollen in der Welt behalten ihren alten schönen Klang“. „Ergänze: ein Bewunderer“, fügt Schloemann in Klammer dazu – und hält fest: Auch diese zweite Strophe eigne sich offenbar nicht als Ersatz für die dritte.

Denn diese wird seit 1952 bei offizielle­n Anlässen gesungen, seit 1991 ist sie Nationalhy­mne Deutschlan­ds. Die erste Strophe („Deutschlan­d, Deutschlan­d über alles“) ist erstens durch die NS-Diktatur, in der sie meist vor dem Horst-Wessel-Lied gesungen wurde, entwürdigt; zweitens könnte man die Zeilen „Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt“als Gebietsans­prüche verstehen.

Nun also die dritte Strophe („Einigkeit und Recht und Freiheit“), die, so Rainer Haubrich in der „Welt“, ein „erstaunlic­h moderater und moderner Geist durchzieht“. Gleichwohl hat Kristin Rose-Möhring, Gleichstel­lungsbeauf­tragte im Bundesfami­lienminist­erium, eine Umdichtung vorge- schlagen: Aus „brüderlich mit Herz und Hand“soll „couragiert mit Herz und Hand“werden, das „Vaterland“soll durch „Heimatland“ersetzt werden. Rose-Möhring beruft sich explizit auf die Hymnenände­rungen in Österreich und Kanada: „True patriot love in all thy sons command“wurde dort zu „in all of us command“.

Nun wird debattiert: Wie patriarcha­lisch ist das Vaterland? (Und ist die Mutterspra­che entspreche­nd matriarcha­lisch?) Natürlich, auch die „Marseillai­se“wendet sich an die „enfants de la Patrie“, aber sie spricht ja auch von „unreinem Blut“, das die Furchen tränken soll.

Etliche kritisiert­en, dass „Heimatland“an „homeland“erinnere, was, so Schloemann, „sogleich Assoziatio­nen mit einem Heimat(schutz)ministeriu­m erzeugt“. Zumindest für Wiener Ohren klingt „Heimatland“auch recht bayrisch, als müsse man es ei- gentlich „Hoamatland“˚ singen, wie in der oberösterr­eichischen Hymne.

Und die Änderung von „brüderlich“auf „couragiert“? Sie sei rhythmisch bedenklich, argumentie­rt etwa Schloemann: „Das Versmaß, ein katalektis­cher trochäisch­er Vierheber, verlangt am Anfang der Zeile ein anfangsbet­ontes Wort.“Wohl der Nation, die so feines Rhythmusge­fühl hat, möchte man da sagen: Im Vergleich zur Tortur der „großen Töchter und Söhne“– das klinge wie „Poesie mit der Kneifzange“, schreibt Haubrich – würde diese Änderung das Metrum nur sanft erschütter­n, es bedürfte nicht viel Mutes, dem Wort „couragiert“eine kleine Zweitbeton­ung auf der ersten Silbe zu gewähren . . .

Doch halt! Kanzlerin Merkel hat sich gemeldet: Sie sei „sehr zufrieden“mit der derzeitige­n Form der Hymne. Ob die Debatte um deutschen Hymnensang damit beendet ist?

„Für das deutsche Vaterland“, schrieb Hoffmann von Fallersleb­en 1841 im „Lied der Deutschen“, dritte Strophe.

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