EuGH sagt Nein zu Schiedsgerichten
Der EuGH entscheidet, dass Schiedsgerichte nicht zum Binnenmarkt passen. In Österreich und Deutschland sieht man die Sache anders. Schutzklauseln.
Der Europäische Gerichtshof lehnt den Schutz von Unternehmen, die im Ausland investieren, durch eigene Schiedsgerichte als rechtswidrig ab. Handelsstreitigkeiten zwischen Staaten können nur durch ordentliche Gerichte geklärt werden.
Sie sind der Teil eines Handelsabkommens, an dem sich in letzter Zeit die öffentliche Kritik immer wieder entzündet hat – die Rede ist von sogenannten Investorenschutzklauseln. Sie sollen Unternehmen, die im Ausland investieren, vor staatlicher Willkür schützen und sehen vor, dass im Streitfall ein unabhängiges Schiedsgericht darüber befindet, ob ein Staat die Rechte eines Unternehmens durch unverhältnismäßige Gesetzesmaßnahmen verletzt hat.
Das Beharren auf dem Investorenschutz ist einer der Hauptgründe dafür, dass das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA versandet ist. Und auch der Pakt EU/Kanada (Ceta) wäre fast an den Klauseln gescheitert. Doch auch innerhalb der EU gibt es Investorenschutzbestimmungen – vor allem zwischen „alten“EU-Mitgliedern im Westen und den „neuen“Mitgliedstaaten im Osten der Union. Sie wurden noch vor der EU-Osterweiterung fixiert. Die Tage dieser innereuropäischen Schutzklauseln sind allerdings gezählt: Am gestrigen Dienstag hat der Europäische Gerichtshof befunden, dass Schiedsklauseln in Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedern nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sind.
In der Causa (Rechtssache C-284/16) geht es um ein Abkommen, das im Jahr 1993 zwischen der Slowakei und den Niederlanden geschlossen wurde. Elf Jahre später eröffnete Bratislava im Zuge des EU-Beitritts den Krankenversicherungsmarkt für Privatinvestoren. Ein niederländischer Versicherungskonzern nutzte die Gelegenheit und gründete eine Tochtergesellschaft in der Slowakei. Doch bereits zwei Jahre später machte die slowakische Regierung die Liberalisierung teilweise rückgängig – unter anderem wurde die Ausschüttung der Gewinne aus dem Geschäft mit Krankenversicherungen untersagt.
Als Konsequenz aktivierten die Niederländer die Schutzklausel – und der Fall landete vor einem Schiedsgericht in Deutschland, das die Slowakei 2012 für schuldig erklärt und zur Zahlung eines Schadenersatzes von 22,1 Mio. Euro an das niederländische Unternehmen verdonnert hatte. Bratislava klagte daraufhin bei deutschen Gerichten auf die Aufhebung des Schiedsspruchs, die den Fall nach Luxemburg weiterleiteten.
Die EuGH-Richter sind zur Einsicht gekommen, dass Schiedsgerichte auf dem Binnenmarkt nichts zu suchen haben, weil sie die „Autonomie des Unionsrechts“verletzen. Nach Ansicht der Richter könne ein innereuropäisches Schiedsgericht nicht als Gericht eines Mitgliedstaates gemäß EU-Recht eingestuft werden. Seine Urteile passen somit nicht in das fein austarierte Rechtsgefüge der Union. Folglich sei es nicht gesichert, dass „ein solches Gericht in der Lage ist, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten“.
Nord-West gegen Süd-Ost
Die Causa offenbarte einen Bruch innerhalb der EU selbst: Während die EU-Kommission gemeinsam mit Tschechien, Estland, Griechenland, Spanien, Italien, Zypern, Lettland, Polen und Rumänien die Slowaken unterstützte, stellten sich Deutschland, Frankreich, Österreich und Finnland auf die Seite der Niederlande. Derzeit sind noch knapp 200 bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedern gültig.