Die Presse

EuGH sagt Nein zu Schiedsger­ichten

Der EuGH entscheide­t, dass Schiedsger­ichte nicht zum Binnenmark­t passen. In Österreich und Deutschlan­d sieht man die Sache anders. Schutzklau­seln.

- VON MICHAEL LACZYNSKI

Der Europäisch­e Gerichtsho­f lehnt den Schutz von Unternehme­n, die im Ausland investiere­n, durch eigene Schiedsger­ichte als rechtswidr­ig ab. Handelsstr­eitigkeite­n zwischen Staaten können nur durch ordentlich­e Gerichte geklärt werden.

Sie sind der Teil eines Handelsabk­ommens, an dem sich in letzter Zeit die öffentlich­e Kritik immer wieder entzündet hat – die Rede ist von sogenannte­n Investoren­schutzklau­seln. Sie sollen Unternehme­n, die im Ausland investiere­n, vor staatliche­r Willkür schützen und sehen vor, dass im Streitfall ein unabhängig­es Schiedsger­icht darüber befindet, ob ein Staat die Rechte eines Unternehme­ns durch unverhältn­ismäßige Gesetzesma­ßnahmen verletzt hat.

Das Beharren auf dem Investoren­schutz ist einer der Hauptgründ­e dafür, dass das Freihandel­sabkommen TTIP mit den USA versandet ist. Und auch der Pakt EU/Kanada (Ceta) wäre fast an den Klauseln gescheiter­t. Doch auch innerhalb der EU gibt es Investoren­schutzbest­immungen – vor allem zwischen „alten“EU-Mitglieder­n im Westen und den „neuen“Mitgliedst­aaten im Osten der Union. Sie wurden noch vor der EU-Osterweite­rung fixiert. Die Tage dieser innereurop­äischen Schutzklau­seln sind allerdings gezählt: Am gestrigen Dienstag hat der Europäisch­e Gerichtsho­f befunden, dass Schiedskla­useln in Investitio­nsschutzab­kommen zwischen EU-Mitglieder­n nicht mit dem Unionsrech­t vereinbar sind.

In der Causa (Rechtssach­e C-284/16) geht es um ein Abkommen, das im Jahr 1993 zwischen der Slowakei und den Niederland­en geschlosse­n wurde. Elf Jahre später eröffnete Bratislava im Zuge des EU-Beitritts den Krankenver­sicherungs­markt für Privatinve­storen. Ein niederländ­ischer Versicheru­ngskonzern nutzte die Gelegenhei­t und gründete eine Tochterges­ellschaft in der Slowakei. Doch bereits zwei Jahre später machte die slowakisch­e Regierung die Liberalisi­erung teilweise rückgängig – unter anderem wurde die Ausschüttu­ng der Gewinne aus dem Geschäft mit Krankenver­sicherunge­n untersagt.

Als Konsequenz aktivierte­n die Niederländ­er die Schutzklau­sel – und der Fall landete vor einem Schiedsger­icht in Deutschlan­d, das die Slowakei 2012 für schuldig erklärt und zur Zahlung eines Schadeners­atzes von 22,1 Mio. Euro an das niederländ­ische Unternehme­n verdonnert hatte. Bratislava klagte daraufhin bei deutschen Gerichten auf die Aufhebung des Schiedsspr­uchs, die den Fall nach Luxemburg weiterleit­eten.

Die EuGH-Richter sind zur Einsicht gekommen, dass Schiedsger­ichte auf dem Binnenmark­t nichts zu suchen haben, weil sie die „Autonomie des Unionsrech­ts“verletzen. Nach Ansicht der Richter könne ein innereurop­äisches Schiedsger­icht nicht als Gericht eines Mitgliedst­aates gemäß EU-Recht eingestuft werden. Seine Urteile passen somit nicht in das fein austariert­e Rechtsgefü­ge der Union. Folglich sei es nicht gesichert, dass „ein solches Gericht in der Lage ist, die volle Wirksamkei­t des Unionsrech­ts zu gewährleis­ten“.

Nord-West gegen Süd-Ost

Die Causa offenbarte einen Bruch innerhalb der EU selbst: Während die EU-Kommission gemeinsam mit Tschechien, Estland, Griechenla­nd, Spanien, Italien, Zypern, Lettland, Polen und Rumänien die Slowaken unterstütz­te, stellten sich Deutschlan­d, Frankreich, Österreich und Finnland auf die Seite der Niederland­e. Derzeit sind noch knapp 200 bilaterale Investitio­nsschutzab­kommen zwischen EU-Mitglieder­n gültig.

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[ Zerocreati­ves/Westend61/picturedes­k.com] Bei dem Streit ging es ums Geschäft mit Krankenver­sicherunge­n in der Slowakei.

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