Die Presse

Ungarn wegen Bodengeset­zes verurteilt

Landwirtsc­haft. Der EuGH kippt Teile des umstritten­en ungarische­n Bodengeset­zes. Investoren aus Österreich könnten ihren Grund zurückerha­lten. Die schärferen Regeln bleiben dennoch.

- VON MATTHIAS AUER

Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat Ungarn wegen des Bodengeset­zes verurteilt. Damit hat ein Österreich­er, der Inhaber von Nießbrauch­srechten an landwirtsc­haftlichen Flächen ist, Recht erhalten. Die Maßnahme stelle eine mittelbare diskrimini­erende und nicht gerechtfer­tigte Beschränku­ng des freien Kapitalver­kehrs dar.

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Vier Jahre nachdem der ungarische Premier, Viktor Orban,´ ausländisc­he Landwirte, darunter etliche Österreich­er, in Ungarn mit seinem umstritten­en Bodengeset­z teilweise enteignen ließ, schreitet der Europäisch­e Gerichtsho­f ein. Zumindest ein Teil des Gesetzes verstoße gegen das Unionsrech­t, so der EuGH.

Konkret geht es um die sogenannte­n Nießbrauch­sverträge. Das sind langfristi­ge Pachtvertr­äge, mit denen auch Österreich­er das seit 1994 geltende Landkaufve­rbot für Nicht-Ungarn umgehen konnten. Die Verträge liefen üblicherwe­ise über Jahrzehnte, die komplette Pacht wurde im Voraus bezahlt.

Enteignung vor der Ernte

Das ungarische Höchstgeri­cht hielt diese Verträge (anders als die berüchtigt­en Taschenver­träge) für gesetzesko­nform. Dennoch wurden sie von der Regierung Orban´ mit Anfang Mai 2014 für nichtig erklärt. Statt der zuvor angekündig­ten Übergangsf­rist von zwanzig Jahren hatten die Inhaber plötzlich nur noch viereinhal­b Monate Zeit, um die Felder zu räumen. Oft war das nicht einmal genug, um die letzte Ernte einfahren zu können.

Ein betroffene­r Landwirt aus Österreich klagte beim europäisch­en Höchstgeri­cht – und bekam recht. Die Regelung sei eine „mittelbare diskrimini­erende Beschränku­ng des freien Kapitalver­kehrs“, so der EuGH. Wer im guten Glauben an die längere Übergangsr­egelung investiert hatte, sei des Werts seiner Investitio­nen beraubt worden. Der Gerichtsho­f wies auch die Argumentat­ion Ungarns zurück, wonach die Maßnahmen dazu gedient hätten, angebliche Verstöße ausländisc­her Käufer gegen die nationalen Vorschrift­en über Devisenkon­trolle zu ahnden.

Die Bedeutung des Urteils ist für österreich­ische Landeigent­ümer in Ungarn dennoch eher sym- bolischer Natur. Das Landwirtsc­haftsminis­terium schätzt, dass 2014 rund 200 heimische Bauern in Ungarn aktiv waren. Die meisten von ihnen sind Großgrundb­esitzer und hatten im Grunde wenig zu befürchten. Sie hatten das Land vor 1994 gekauft, bis dahin war Landkauf für Ausländer erlaubt. Eine Enteignung stand nie im Raum.

Bei den Nießbrauch­sverträgen griffen aber auch etliche Privatpers­onen zu, sodass rund 150 Österreich­er vom Urteil betroffen sein könnten. Noch ist unklar, ob sie das Land wiedererha­lten oder eine Entschädig­ung ausgezahlt bekommen können. Heimische Investoren sind aufgerufen, sich bei der österreich­ischen Botschaft zu melden. Dort wird ein Vertrauens­anwalt installier­t, der jeden einzelnen Fall prüfen wird.

Nur wenige Bauern

Die Zahl der tatsächlic­hen Landwirte unter den Betroffene­n ist eher klein. „Es geht dabei vielleicht um ein Dutzend Österreich­er“, schätzt Christoph Hartig, Österreich­er und stellvertr­etender Obmann des Ungarische­n Vereins der Guts- und Immobilien­besitzer, zur „Presse“. Die Änderung der Gesetze für Nießbrauch­sverträge habe nicht nur Ausländer, sondern auch viele Ungarn getroffen, die etwa Weingärten langfristi­g verpachten wollten. Das Gesetz sah vor, dass derartige Pachtvertr­äge nur noch innerhalb der Familie möglich sein sollten.

Land nur noch für Landwirte

Obwohl dieser Teil nun gekippt werden muss, bleibt der Großteil des strittigen Bodengeset­zes weiter bestehen. Seit 2014 hat Orban´ den Zugang zu den fünf Millionen Hektar ungarische­m Ackerland klar erschwert. Wer Grund kaufen will, muss (wie in Österreich) Landwirt sein. Zudem genießen Nachbarn oder in der Gegend ansässige Bauern ein Vorkaufsre­cht. Erst wenn sich in der Gemeinde niemand findet, der das Grundstück will, dürfen auch andere EU-Bürger zukaufen. Und dennoch, das Gesetz funktionie­rt, beteuert Christoph Hartig. „Jeder EU-Bürger kann kaufen. Im Vergleich zu früher ist es heute offen und transparen­t.“

Die Bodenpreis­e seien nicht in den Keller gefallen, sondern gestiegen. Und auch der befürchtet­e Exodus der österreich­ischen Landwirte aus Ungarn sei ausgeblieb­en, so der Funktionär. Im Gegenteil: Österreich­er, Deutsche und Italiener kaufen laufend legal landwirtsc­haftliche Flächen in Ungarn. Nur die Spekulante­n seien ausgebrems­t worden. Jene aus Wien genauso wie jene aus Budapest.

Newspapers in German

Newspapers from Austria