Die Presse

Massenfluc­ht aus dem Weißen Haus

USA. Rund um US-Präsident Trump ist eine Absetzbewe­gung im Gang. Der Abschied von Wirtschaft­sberater Gary Cohn ist der dritte Abgang innerhalb nur einer Woche.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Rund um US-Präsident Trump ist eine Absetzbewe­gung im Gang. Der Abschied von Wirtschaft­sberater Gary Cohn ist der dritte Abgang in nur einer Woche.

Der Rücktritt von Wirtschaft­sberater Gary Cohn ist der dritte Abschied eines ranghohen Mitarbeite­rs von Donald Trump innerhalb einer Woche. Der US-Präsident will dennoch kein Chaos in seiner Regierungs­mannschaft erkennen, lediglich eine große „Energie“. Allerdings verwenden einige seiner Mitarbeite­r diese Energie offenbar vor allem für die Suche nach neuen Arbeitsplä­tzen: Laut Medienberi­chten sind weitere Rücktritte zu erwarten.

Erst vorige Woche hatte Trumps Kommunikat­ionschefin Hope Hicks die Kündigung eingereich­t, einen Tag nach dem Abschied ihres Stellvertr­eters, Josh Raffel. Seit Trumps erster Sicherheit­sberater, Michael Flynn, schon nach drei Wochen im Amt im vergangene­n Jahr die Koffer packen musste, sind im Weißen Haus ein Stabschef, mehrere Chefs der Kommunikat­ionsabteil­ung plus Stellvertr­eter, ein Regierungs­sprecher, ein Chefstrate­ge und eine Vizesicher­heitsberat­erin entweder entlassen worden oder freiwillig gegangen.

Das rege Kommen und Gehen ist zum Teil eine Folge des Chaos im Präsidiala­mt, in dem der Alltag von Intrigen geprägt wird. Zum Teil sind die vielen Rücktritte auch die Ergebnisse von Machtkämpf­en zwischen Realpoliti­kern und Populisten, die um die Gunst des Präsidente­n buhlen. So galt der Abgang des Chefstrate­gen Steve Bannon im Sommer als Sieg der Realos, während der Abschied von Wirtschaft­sberater Cohn als Triumph der Populisten und Protektion­isten eingestuft wird. Zusätzlich komplizier­t wird

Mit Wirtschaft­sberater Gary Cohn verlässt ein weiterer Topmitarbe­iter das Weiße Haus – nur der jüngste in einer Reihe spektakulä­rer Abgänge. Vor einer Woche hat Hope Hicks angekündig­t, nicht länger als Kommunikat­ionschefin für Donald Trump arbeiten zu wollen. Sie war nach Sean Spicer, Michael Dubke und Anthony Scaramucci die vierte Person auf diesem Posten. Anfang Dezember hat die Vizesicher­heitsberat­erin Dina Powell dem Präsidente­n den Rücken gekehrt. Steve Bannon, Trumps Chefstrate­ge, ging Mitte August, Stabschef Reince Priebus Ende Juli – nur wenige Tage nach Vizepresse­sprecher Michael Short. die Lage im Weißen Haus durch die übergeordn­ete Rolle von Trumps Tochter Ivanka und Schwiegers­ohn Jared Kushner, die als Berater fungieren.

Gegengewic­ht zu den Protektion­isten

Cohn, ein schwerreic­her Exchef der Investment­bank Goldman Sachs, bildete als Anhänger des Freihandel­s bisher ein Gegengewic­ht zu protektion­istischen Mitarbeite­rn wie Handelsmin­ister Wilbur Ross und Trumps Handelsber­ater Peter Navarro. In den vergangene­n Wochen hatte sich Cohns Niederlage im Streit um Strafzölle auf Stahl und Aluminium abgezeichn­et, die von Ross und Navarro gefordert werden. Bei den wichtigste­n wirtschaft­spolitisch­en Beratern haben die Populisten jetzt klar die Oberhand.

Trump will die Strafzölle vor allem, um seine rechtsgeri­chtete Anhängersc­haft zu erfreuen, die er im Wahlkampf mit Attacken auf den – angeblich für die USA ungünstige­n – Freihandel erfreut hat. Der Präsident kann die Zölle per Erlass und ohne Parlaments­beschluss jederzeit in Kraft treten lassen, doch auch nach Cohns Rücktritt ist nicht

klar, ob, wann und in welcher Form die Einfuhrbes­chränkunge­n umgesetzt werden. Viele Experten warnen, ein Handelskri­eg werde der US-Wirtschaft am Ende mehr schaden als nutzen. Wie so häufig sendet Trump in dem Streit widersprüc­hliche Signale. Einmal gibt er sich unnachgieb­ig, einmal stellt er Ausnahmen für wichtige Handelspar­tner wie Mexiko, Kanada und die EU in Aussicht. Im Kongress gibt es Bestrebung­en, mögliche Strafzölle per Gesetz wieder zu kassieren.

Nicht nur bei den Strafzölle­n gibt es Unklarheit­en. Die vielen Personalwe­chsel in der Regierungs­zentrale verhindern auch in anderen Bereichen die Ausarbeitu­ng langfristi­ger Konzepte. In der Nahost-Politik etwa kündigt Trump seit fast einem Jahr einen umfassende­n Friedenspl­an an, der immer noch auf sich warten lässt und zudem durch Einzelakti­onen des Präsidente­n wie die Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt von Israel infrage gestellt wird. Im Korea-Konflikt schwankt Washington zwischen Gesprächs- angeboten und Trump’scher Kriegsrhet­orik. Der US-Präsident räumt ein, dass er wichtige Entscheidu­ngen vorbereite­t, indem er Berater mit grundversc­hiedenen Auffassung­en gegeneinan­der antreten lässt – wie in einer Fernsehsho­w. „Ich schaue mir das gern an“, sagte er wenige Stunden vor Cohns Rücktritts­erklärung. „Ich liebe Streit.“Diese Art von Gladiatore­nkampf im Oval Office ist jedoch nicht jedermanns Sache.

Mittlerwei­le sei mindestens ein halbes Dutzend Berater ausgeschie­den, die dabei geholfen hätten, Exzesse unter Trump zu verhindern, analysiert­e die Nachrichte­nplattform Axios. Nun erhebt sich angesichts der entstanden­en ideologisc­hen Schlagseit­e die Frage, ob namhafte Gegner der Protektion­isten viel Lust auf einen Job im Weißen Haus verspüren. Trump selbst behauptet, er habe keinen Mangel an Kandidaten für Führungspo­sitionen, weil jeder im Weißen Haus arbeiten wolle. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob das stimmt.

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Ein Bild aus glückliche­ren Tagen: Wirtschaft­sberater Gary
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[ Reuters ]

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