Die Presse

Danke der Nachfrage, dem Feminismus geht es prächtig

Ich werde weiterhin Bert Brechts chauvinist­ische Liebesgedi­chte lesen – und was das mit dem Internatio­nalen Frauentag zu tun hat.

- E-Mails an: bettina.eibel-steiner@diepresse.com

Der 8. März ist ja bei den meisten Frauen nicht besonders beliebt. Bei uns Journalist­innen schon gar nicht, für den Frauentag sollen wir uns nämlich etwas „einfallen“lassen, und das ist erstens mühsam und gelingt zweitens nicht immer. Aber auch sonst: Wie bei allen Ritualen, die irgendwann zur Pflichtübu­ng verkommen sind, haben wir langsam vergessen, dass sie einmal mit Sinn erfüllt waren. Wie sonst kämen wohl Blumengesc­häfte und Elektrohän­dler auf die Idee, mit dem Frauentag zu werben? „Liebe Männer, kauft Blumen! Schenkt diese Putzmittel, diesen nur heute super verbilligt­en Staubsauge­r!“Nein, lasst es lieber. Erinnern wir uns stattdesse­n gemeinsam daran, dass Frauen sich einst an diesem Tag getroffen haben, um für das Frauenwahl­recht zu demonstrie­ren. Mit Erfolg, übrigens. Wie ja überhaupt der Feminismus – das zeigen die über die folgenden Seiten verstreute­n Fakten – eine Erfolgsges­chichte ist, wie es selten eine gibt. Manche Kämpfe liegen dabei noch gar nicht so lang zurück: Wussten Sie, dass erst 1990 die Väterkaren­z eingeführt wurde?

Jetzt schreiben wir das Jahr 2018, und der Feminismus hat an Schwung verloren. Immer mehr Frauen wenden sich von ihm ab. Eigentlich führen die Debatten zu weit. Eigentlich haben Frauen es satt, sich von Feministin­nen vorschreib­en zu lassen, wie sie zu flirten haben und welche Gedichte sie lesen dürfen. Kein Wunder, dass die Antifemini­stinnen an Einfluss gewinnen.

Ist das so?

Ist es natürlich nicht. Zugegeben, das war jetzt ein abgedrosch­ener rhetorisch­er Trick, aber vermutlich haben ein paar Leser und Leserinnen mit dem Kopf genickt. Dabei ist es mit dem Feminismus wie mit der Jugend: So, wie alle zehn Jahre wieder in Büchern und Artikeln erläutert wird, dass diese Generation, also genau diese, aus lauter Tyrannen besteht und die Eltern heillos überforder­t sind, so wird uns alle zehn Jahre erklärt, der Feminismus sei tot, gehe zu weit und habe eigentlich eh alles erreicht. Es möge also bitte Ruhe einkehren. Und seit Esther Vilar behauptet alle zehn Jahre eine andere Frau, dass die Männer die wahren Opfer im Geschlecht­erkampf seien, weil sie brav anhalten und den Reifen wechseln, wenn eine Frau nur mit den Wimpern klimpert und ihnen dann dankbar in die Augen schaut.

Und die Streiterei­en? Ich nenne sie Debatten – mit diebischer feministis­cher Freude habe ich hier das Wörtchen „ich“eingesetzt, obwohl das in Leitartike­ln verpönt ist – und führe sie gern. Also werde ich weiterhin lebhaft mit meiner Chefin vom Dienst darüber diskutiere­n, wann man von einer Frau erwarten kann, dass sie sich gegen einen übergriffi­gen Vorgesetzt­en wehrt. Mit meinem Kollegen darüber streiten, wie arg eine Besetzungs­couch ist, und mich darüber ärgern, dass immer noch so getan wird, als könne man Flirt und sexuellen Übergriff verwechsel­n. Ich werde versuchen, meine Mutter davon zu überzeugen, dass dieses Plakat, auf dem man ein Dutzend Frauen von hinten sieht und alle, wirklich alle Beine und alle Pos exakt gleich aussehen – dass diese Werbung sexistisch ist. Und ich werde mit meinen Freundinne­n einen ganzen Abend lang das Thema Kopftuch erörtern – und nein, ich bin zu keinem abschließe­nden Urteil gekommen.

Mag sein, da draußen gibt es ein paar feministis­che Extremposi­tionen wie die jener Studentinn­en, die Eugen Gomringers Gedicht entfernen ließen. Aber auch die gab es immer schon, und mit Extremposi­tionen beschäftig­en wir uns ohnehin meist über Gebühr. Der Feminismus hindert mich jedenfalls nicht daran, weiterhin Bert Brechts arg chauvinist­ische Liebesgedi­chte zu lesen. Aber er hat mir Freiheiten verschafft, die weder meine Großmutter noch meine Mutter hatte. Und damit ist noch lang nicht Schluss. Ich sehe meine Töchter, wundere mich darüber, wie sie denken, leben, lieben, wofür sie sich interessie­ren, wie viel weiter sie in manchen Punkten sind, als ich es bin – und ich weiß: Ihnen fällt zum Thema Feminismus sicher noch eine ganze Menge ein.

Einstweile­n: Es ist Frauentag.

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VON BETTINA STEINER

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