Die Presse

Orb´an-Partei lästert im Wahlkampf über Wien

Flüchtling­e. Kanzleramt­sminister L´az´ar sorgt kurz vor der ungarische­n Parlaments­wahl mit einem FacebookVi­deo für Empörung: Österreich­s Hauptstadt sei wegen der Zuwanderun­g ein „schlechter­er Ort“geworden.

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Wien/Budapest. Wird Viktor Orban´ vor den ungarische­n Parlaments­wahlen am 8. April nervös? Zumindest scheint seiner rechtsnati­onalen Partei jedes Mittel recht, um im Wahlkampfe­ndspurt mit dem Leibthema Migration auf Stimmenfan­g zu gehen. Da nimmt die Fidesz-Partei sogar einen politische­n Streit mit dem Nachbarlan­d in Kauf: Wien sei aufgrund der Zuwanderun­g schmutzige­r, ärmer, kriminelle­r und „ein schlechter­er Ort“geworden, sagte der ungarische Kanzleramt­sminister Janos´ Laz´ar´ in einem auf Facebook veröffentl­ichten Video.

In der zweiminüti­gen Aufnahme zeigt die rechte Hand von Ungarns Premier Alltagssze­nen aus dem zehnten Wiener Gemeindebe­zirk Favoriten: Schulkinde­r, die am Straßenran­d stehen, in Wollhauben eingepackt­e Passanten und Frauen mit Kopftuch, die auf die Straßenbah­n warten. Noch vor zwanzig Jahren habe es hier keinen Zuwanderer gegeben, mittlerwei­le seien Pensionist­en die einzigen Einheimisc­hen. „Die weißen, christlich­en Österreich­er sind von hier weggezogen, die Einwandere­r haben die Kontrolle über diesen Stadtteil über- nommen“, sagte Laz´ar´ in die Kamera. Auch Budapest drohe ein solches Schicksal, sollte bei den Wahlen die Opposition gewinnen.

Wenn Ungarn Migranten ins Land lasse und sie „in unseren Städten leben, sind die Folgen Verarmung, Kriminalit­ät, Schmutz und unmögliche Lebensumst­ände“, meinte Laz´ar.´ Facebook löschte das Video Mittwochvo­rmittag. Laz´ar´ protestier­te heftig gegen die Beschneidu­ng seines „Rechts auf Redeund Meinungsfr­eiheit“.

Die Wiener Stadtregie­rung wollte die Anfeindung­en nicht auf sich sitzen lassen. SPÖ-Wirtschaft­sstadträti­n Renate Brauner meldete sich in einem empörten Kommentar auf der Kurznachri­chtenplatt­form Twitter zu Wort: „Als stolze Wienerin protestier­e ich aufs Schärfste gegen die Darstellun­g meiner Heimatstad­t.“Sie sei „verwundert und entsetzt“über die „Herabwürdi­gung“. Die grüne Vizebürger­meisterin, Maria Vassilakou, schickte Laz´ar´ auf Facebook „Wienliebe“und „Favoritenp­ride“. Das Kanzleramt wollte sich zunächst nicht äußern.

Wien spielt eine nicht unwesentli­che Rolle in der Kampagne von Ungarns Premier. Auch bei einer Arbeitsvis­ite in Österreich­s Hauptstadt Ende Jänner klangen Wahlkampfm­otive an. So fuhr Orban´ publikumsw­irksam mit dem Zug nach Wien und postete auf Facebook Fotos von einem Würstelsta­ndbesuch vor der Albertina.

Ende Februar musste Fidesz in einer Hochburg eine herbe Kommunalwa­hlniederla­ge einstecken: in Laz´ars´ Heimatstad­t Hodmezöv´as´arhely.´ Ein unabhängig­er Opposition­skandidat gewann haushoch. Die Regierungs­partei fürchtet nun offenbar, dass ihr im Rest des Landes ein gleiches Schicksal blüht. (maka)

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