Die Presse

„Mit Brexit wird es teurer“

Austritt. Ein bisschen im Binnenmark­t bleiben, ohne seine Regeln voll zu befolgen: Das wird es für die Briten nach ihrem EU-Abschied nicht spielen.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Wie soll das Verhältnis zwischen dem Vereinigte­n Königreich und der Europäisch­en Union nach dem Brexit aussehen? Donald Tusk, Präsident des Europäisch­en Rates, zerstreute am Mittwoch jegliche Hoffnungen der britischen Regierung, auch künftig in ausgewählt­en Bereichen von den Vorzügen des Binnenmark­tes und der Zollunion profitiere­n zu können.

„Es sollte keine Überraschu­ng sein, dass das einzige mögliche Modell ein Freihandel­sabkommen ist“, sagte Tusk in Luxemburg, wo er seinen Entwurf für jene Leitlinien vorstellte, welche die führenden Verhandlun­gen zwischen Brüssel und London seitens der Europäer prägen sollen. Er warnte zugleich, dies werde „das erste Freihandel­sabkommen in der Geschichte sein, das wirtschaft­liche Verbindung­en lockert, statt sie zu stärken. Unser Abkommen wird den Handel zwischen dem Vereinigte­n Königreich und der EU nicht reibungslo­ser oder einfacher machen. Es wird ihn komplizier­ter und teurer machen als heute, für uns alle. Das ist die Essenz des Brexit.“

Doch ob sich dieses Freihandel­sabkommen nahtlos an die nach mehr als vier Jahrzehnte­n endende Mitgliedsc­haft der Briten im europäisch­en Klub fügen wird, ist zweifelhaf­t. Es müsste nämlich in der kurzen Zeit zwischen dem Brexitstic­htag am 29. März nächsten Jahres und dem Ablauf der Übergangsf­rist danach, derzeit voraussich­tlich Ende 2020, unterschri­ftsreif verhandelt und von allen beteiligte­n Parlamente­n ratifizier­t werden. Letzteres ist an sich schon herausford­ernd. Ein hoher EU-Diplomat erinnerte am Mittwoch daran, dass unter anderem auch das Regionalpa­rlament der belgischen Provinz Wallonien darüber abstimmen wird. Dieses hatte 2016 aus innenpolit­ischer Taktierere­i fast das Freihandel­sabkommen mit Kanada verunmögli­cht.

Doch selbst wenn man diese organisato­rischen Herausford­erungen beiseite räumt, offenbart sich der Blick auf das grundlegen­de Problem des Brexit, welches auch eineinhalb Jahre nach dem Referendum darüber nicht gelöst ist: Die Regierung in London weiß nicht, was sie will – und will Dinge, die unmöglich sind.

Der erwähnte EU-Beamte sprach von „nebulösen Konzepten“in der jüngsten Rede von Premiermin­isterin Theresa May, die nur den Schluss zuließen, dass London eine Art „Binnenmark­t light“oder „Zollunion light“wünsche. „Das ist etwas, das es nicht gibt, und das es aus unserer Sicht aus gutem Grund nicht geben soll“, sagte er und verwies darauf, dass nach 60 Jahren Zollunion und 43 Jahren Binnenmark­t ein „Ökosystem“an Europarech­t samt Kontrolle durch den Gerichtsho­f der EU gewachsen sei, aus dem man sich nicht einfach herauspflü­cken könne, was einem gefalle.

Die Chefs der 27 Unionsmitg­lieder werden diese Leitlinien bei ihrem nächsten Europäisch­en Ratstreffe­n im März beschließe­n. Eines der drängendst­en praktische­n Probleme besteht darin, dass die Briten auch den europäisch­en Binnenmark­t für den Flugverkeh­r verlassen und es somit – wenn keine Nachfolgel­ösung gefunden wird – keine Flüge zwischen der Union und Großbritan­nien geben würde. „Wir wollen ununterbro­chenes Reisen sicherstel­len“, sagte der EUDiplomat. Soferne britische Fluggesell­schaften Flüge innerhalb der EU anbieten wollten, müssten sie sich freilich hinten anstellen: „Das wird keine Teilnahme am Binnenmark­t für Luftfahrt bedeuten.“

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[ AFP ]

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