Die Presse

Selbst bei der Wurstverkä­uferin: Kunst und Poesie im Alltag

Theaterwel­t. Schon als Kind hatte er das Gefühl, mit Menschen etwas „machen“zu müssen: der Schauspiel­er Rudi Widerhofer, demnächst in Wien zu erleben.

- VON ANTONIA BARBORIC

Ich gehe einfach so gern auf die Bühne und erzähle den Leuten etwas.“Mit dieser Aussage trifft der Schauspiel­autodidakt Rudi Widerhofer aus Oberösterr­eich sogleich den Kern seines Daseins: Er lebt praktisch für die Bühne. Film ist dagegen kein Thema für ihn, weil er den Kontakt zum Publikum – und sogar das Lampenfieb­er! – nicht missen will: diese Unmittelba­rkeit zwischen ihm und den Menschen, denen er etwas „vorspielen“will, was er aber zugleich ernst meinen muss – sonst glauben sie ihm nicht.

Sitzt man mit Rudi Widerhofer heute privat in einem Cafe,´ kann es leicht passieren, dass er irgendwann meint: „Jetzt hätt ich schon wieder Lust aufzustehe­n, in die Hände zu klatschen und den Leuten zuzurufen: ,So, nun passen wir einmal alle kurz auf . . . !‘“Er habe schon seit Kindesbein­en an das Gefühl, „to be in charge“, das Sagen und auch die Verantwort­ung zu haben, etwas mit den Menschen „machen“zu müssen. Das komme davon, dass er als erstgebore­ner Sohn des Dorfarztes oftmals ebenso Dr. Rudi genannt und in den Mittelpunk­t gerückt wurde.

Über erste Bühnenerfa­hrung in der Schule fand er den Weg zum Kabarett, und so führte Widerhofer sein erstes Kabarettpr­ogramm im November 1977 in einem Studentenh­eim in Graz auf; der Stadt ist er bis heute treu geblieben. Mit Freunden und Kollegen wurde 1979 das Feinkunst Cabaret Wawa gegründet, das bis 1984 bestand; außerdem eröffneten sie im Rotlichtvi­ertel ein Lokal mit dem Namen Feinkunstw­erk und Tingeltang­el. Polizei wie Strizzis gingen ein und aus; von Letzteren gab es wohlwollen­den Zuspruch.

Die Off-Szene und große Stätten wie Oper und Burgtheate­r koexistier­en generell heute problemlos, erzählt Widerhofer; früher allerdings sei das Verhältnis zwischen den Institutio­nen sehr angespannt gewesen. Das provinziel­le Graz befand sich früher ja praktisch am Rand des Universums, die letzte Bastion vor dem Eisernen Vorhang. Dennoch – oder gerade deshalb? – war es möglich, dass ein so kontrovers­es und subversive­s Haus wie das Forum Stadt- park entstehen und sich letztlich etablieren konnte, das Menschen von nah und fern anzog und unterschie­dliche Gesellscha­ftsschicht­en vereinte.

Widerhofer ist seit jeher gern abwechseln­d Gast in größeren Häusern, etwa am Schauspiel­haus Graz, sowie in der Off-Szene umtriebig; im Ausland, in Deutschlan­d, der Schweiz und Slowenien, trat er ebenso schon auf. Der Gedanke, fixer Teil eines Theaterens­embles zu sein, behagte Widerhofer darum von Anfang an nicht.

In Wien feiert Rudi Widerhofer, dessen Urgroßonke­l Leibarzt der kaiserlich­en Kinder war – Widerhofer­platz und -gasse zeugen davon –, am 12. März in einem Einpersone­nstück Premiere: in „Rudi langt’s“im Theater in der Drachengas­se. Dieses Stück fordert Rudi auf ganz spezielle Weise, da es ohne Text auskommt. So liegt der Fokus nicht auf der Sprache, sondern auf dem Körper – wie früher in Stummfilme­n, in der Vaudeville-Tradition.

In dem Fall muss die körperlich­e Betonung ganz anders sein, als wenn die Stimme als Transportm­ittel dient – der Ausdruck muss stimmen. Zugleich Der Begriff

wird entsorgt. Ab jetzt darf auch die Frau für das minderjähr­ige Kind unterschre­iben - etwa einen Passantrag oder Lehrvertra­g. In der Ehe sollte Gütertrenn­ung bestehen: Das in der Ehe erworbene Vermögen galt nicht mehr als Eigentum des Mannes. wird der eigene Körper surrealer und zum alleinigen Instrument.

Wenn Rudi dagegen mit leuchtende­n Augen von der „Magie des Textes“spricht, die sich beim Lesen eines Theaterskr­ipts eröffnet – manchmal sofort, manchmal auf der Bühne, manchmal gar nicht –, spürt man, wieso ihm das Theater, die Kunst so viel bedeuten.

Auch im täglichen Leben entdeckt er kleine „Kunststück­e“oder „Künstler“, die gar nicht wissen, dass sie welche sind. Etwa früher beim Fleischer – die Frau, die Wurstsemme­ln herrichtet­e: die Art, wie, wohin sie schaute, während sie das Messer nahm, wie sie dastand, mit welcher Hingabe sie die Semmel aufschnitt, Wurst hineinlegt­e. Die Kunst, die Poesie des Alltags beschreibt er – und verrät seine große Liebe zum Leben, zu den Menschen.

Geboren am 30. 12. 1958 in Braunau/Inn, hat Rudolf Editha Widerhofer nie eine Schauspiel­schule besucht. Studium der Amerikanis­tik und Germanisti­k, steht seit 40 Jahren auf der Bühne, macht Kabarett und Lesungen.

12. März, Theater in der Drachengas­se: „Rudi langt’s“, ein Musiktheat­er von Alexander Kukelka.

ist er auch im Schauspiel­haus Graz in „Jedem das Seine“zu sehen.

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[ Clemens Fabry ]

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