Wenn Norbert Hofer Christian Kern lobt
Gibt es beim System Bahn tatsächlich keinen akuten Bedarf an Reformen?
A lle Maßnahmen sind gesetzt, es gibt keinen Bedarf an Reformmaßnahmen“: Christian Kern und Brigitte Ederer werden sich bei diesem von Norbert Hofer gelassen ausgesprochenen Satz zum Zustand der ÖBB wohl verwundert die Augen gerieben haben. So viel Lob des FPÖ-Verkehrsministers haben sich die beiden ehemaligen SPÖBahnlenker in ihren kühnsten Träumen nicht erwartet.
Tatsächlich müssen sie ja so ziemlich alles richtig gemacht haben, wenn der neue Oberboss so gar keinen Handlungsbedarf erkennen kann. Die Frage ist jetzt natürlich, wieso dann die Blaufärbung des BahnAufsichtsrats gar so Priorität hatte. Da wird ja am Ende nicht doch Uralt-Parteipolitik in Verbindung mit altbekannter Freunderlversorgung im Spiel gewesen sein? Können wir uns gar nicht vorstellen, wo jetzt doch „neu regiert“wird!
Wie auch immer: Da die wirklich vordringlichen Dinge erledigt sind, könnte sich der neue Verkehrsminister einmal mit der seit vielen Jahren versprochenen Verlagerung von Gütertransporten befassen. Die findet tatsächlich statt. Aber, wie überall in Europa, von der Schiene auf die Straße, also nicht ganz im Sinne der Erfinder.
Der Bahn-Gütertransport (gemessen an der beförderten Menge) liegt derzeit nämlich ungefähr auf dem Niveau von 2006. Klar, da liegt eine Wirtschaftskrise dazwischen. Der Straßengüterverkehr hat im selben Zeitraum aber trotzdem deutlich zugenommen.
Und das, obwohl die Bahn-Infrastruktur seit Jahren einen ungeheuren Bauboom erlebt. Tatsächlich fließen zwei Drittel der Verkehrs-Infrastrukturinvestitionen in die Bahn und ein Drittel in die Straße, obwohl die Straße zwei Drittel des Gütertransports bewältigt. Mit steigender Tendenz.
Auch der JahrhundertBauboom erzielt also nicht den gewünschten Verlagerungseffekt. Da scheint irgendwie doch mehr Handlungsbedarf zu bestehen als nur immer höhere Infrastrukturinvestitionen. N icht unbedingt nur bei den ÖBB, da hat der Minister recht. Die sind im Europavergleich ja relativ erfolgreich unterwegs. Aber bei der Verkehrspolitik auf nationaler, vor allem aber europäischer Ebene. Sonst werden wir zusehen, wie die vom Ministerium vorgegebenen Ziele immer weiter in die Ferne rücken, obwohl jeder Österreicher statistisch gesehen allein für die Eisenbahninfrastruktur fast 300 Euro im Jahr abdrückt.