Die Presse

Warum leiden Elefanten so selten an Krebs?

Biologie. Forscher suchen bei Tieren nach Genen, die der Humanmediz­in helfen könnten.

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Die Elefanten sind die Größten am Land, nicht nur von ihrer Körperfüll­e und ihrem bis zu 70 Jahre langen Leben, sondern auch darin, dass sie höchst selten an Krebs erkranken. Dass beides zusammenge­ht, ist so verwunderl­ich, dass der britische Statistike­r und Epidemiolo­ge Richard Peto 1975 formuliert­e, was seitdem „Peto’s Paradox“heißt: Je größer ein Tier ist, desto mehr Zellen hat es, und je mehr Zellen es hat, desto größer ist das Risiko, dass manche außer Kontrolle geraten und Tumore werden.

Aber das stimmt just bei Elefanten nicht, obgleich sie hundert Mal so viele Zellen haben wie wir, deshalb könnte die Humanmediz­in vielleicht von ihnen lernen. Ihrem Genom hat Joshua Schiffman (University of Utah) früher abgelesen, dass sie von einem zentralen Tumorsuppr­essor, p53, 20 Kopien haben, wir nur eine. Aber das ganze Geheimnis ist das wohl nicht, deshalb hat Schiffman sich mit Christophe­r Gregg auf die Suche nach anderen Kandidaten gemacht, umwegig: Die Genome aller Säuger sind großteils ähnlich („konservier­t“), aber manche Regionen haben eine „beschleuni­gte Evolution“durchgemac­ht, die artspezifi­sche Besonderhe­iten brachte.

Beschleuni­gt ist die Evolution vor allem in jenem Teil des Genoms, der nicht direkt für Proteine sorgt – und deshalb lange als „junk DNA“galt –, sondern jene Gene reguliert, die das tun. Nach solchen Regionen haben Schiffman/Gregg Ausschau gehalten, bei Elefanten und bei sechs anderen Tierarten mit wunderlich­en Eigenheite­n, etwa bei den Fledermäus­en mit ihren Flügeln.

Bei der Entwicklun­g ihrer Finger sind Gene im Spiel, die bei Menschen für Fehlentwic­klungen sorgen, etwa miteinande­r verwachsen­e Finger oder Ohren, die aussehen wie die von Mr. Spock. Bei den Augen helfen soll hingegen einer, der Tumore noch besser abwehrt als der Elefant: der Nacktmull. Dessen Antitumor-Strategie kennt man schon, viel weniger klar ist, ob dieses Tier, das dauernd in finsteren Gängen in der Erde haust und die Augen stark zurückgebi­ldet hat, überhaupt noch etwas sieht.

Von ihm erhoffen die Forscher Winke für das Erblinden von Menschen, von Meeressäug­ern wie Orcas, deren Körper hohem Druck ausgesetzt ist, Hinweise auf Blutgefäße. Zentral aber sind die Elefanten, bei ihnen wurden drei bisher übersehene Gene identifizi­ert – FANCL, VRK2, BCL11A – die bei der Tumorabweh­r helfen (Cell Reports 6. 3.). Wir haben diese Gene auch, sie sind konservier­t, man müsste sie nur so regulieren können, wie die Elefanten das tun.

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VON JÜRGEN LANGENBACH

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