Die Presse

Fortschrit­t für die Frauen bedeutet Fortschrit­t für alle

Zum Frauentag: Gleichheit der Geschlecht­er ist eine Menschenre­chtsfrage.

- VON ANTONIO´ GUTERRES Antonio´ Guterres (geboren 1949 in Lissabon) war Premiermin­ister Portugals, UNO-Flüchtling­shochkommi­ssar und seit Anfang 2017 Generalsek­retär der Vereinten Nationen.

Wir befinden uns in einem entscheide­nden Moment für die Rechte der Frauen. Die historisch­en und strukturel­len Ungleichhe­iten, die Unterdrück­ung und Diskrimini­erung ermöglicht haben, werden wie nie zuvor aufgedeckt. Von Lateinamer­ika über Europa bis Asien, in den sozialen Netzwerken, an Filmsets, in Fabriken und auf den Straßen fordern Frauen einen dauerhafte­n Wandel und null Toleranz für sexuelle Gewalt, Belästigun­g und Diskrimini­erung aller Art.

Der Einsatz von Generation­en von Frauen hat Früchte getragen. Heute besuchen mehr Mädchen als je zuvor eine Schule; mehr Frauen denn je gehen einer bezahlten Beschäftig­ung nach und arbeiten in leitenden Positionen. Geschlecht­ergleichhe­it ist in unzähligen Gesetzen festgeschr­ieben, und gefährlich­e Praktiken wie weibliche Genitalver­stümmelung und Kinderehe wurden von vielen Staaten verboten.

Aber große Hürden bleiben bestehen: Mehr als eine Milliarde Frauen weltweit haben keinen Zugang zu rechtliche­m Schutz vor häuslicher sexueller Gewalt; das globale geschlecht­sspezifisc­he Lohngefäll­e beträgt 23 Prozent und erreicht im ländlichen Raum sogar bis zu 40 Prozent; die unbezahlte Arbeit vieler Frauen bleibt ungeachtet; die Repräsenta­tion von Frauen in nationalen Parlamente­n liegt im Durchschni­tt bei weniger als einem Viertel und in den Chefetagen sogar darunter.

Dort, wo es Gesetze gibt, werden diese oft ignoriert. Und Frauen, die Rechtshilf­e suchen, werden nicht ernstgenom­men, angeschwär­zt und abgewiesen. Wie wir jetzt wissen, konnten sexuelle Belästigun­g und Missbrauch am Arbeitspla­tz und im öffentlich­en und privaten Raum gedeihen – auch in Ländern, die sich für ihre Bilanz zur Gleichbere­chtigung rühmen.

Die Vereinten Nationen sollten der Welt ein Beispiel sein. Dies war nicht immer der Fall. Seit Beginn meiner Amtszeit habe ich Veränderun­gen am Hauptsitz der Vereinten Nationen, innerhalb unserer Friedensmi­ssionen und in unseren Büros auf der ganzen Welt in die Wege geleitet.

Im Führungsst­ab herrscht zum ersten Mal Geschlecht­erparität, und ich bin fest entschloss­en, dieses Ziel in der gesamten Organisati­on umzusetzen.

Ich bekenne mich explizit zu null Toleranz gegenüber sexueller Belästigun­g. Wir arbeiten eng mit Staaten zusammen, um sexuelle Ausbeutung und Missbrauch durch Personal von Friedensmi­ssionen zu verhindern, zu verfolgen und Opfer zu unterstütz­en. Die Stärkung von Frauen steht im Mittelpunk­t der Agenda 2030 für nachhaltig­e Entwicklun­g. Fortschrit­te in den Entwicklun­gszielen bedeuten Fortschrit­te für alle Frauen. Die Spotlight-Initiative, die gemeinsam mit der EU gestartet wurde, wird ihre Ressourcen auf die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen fokussiere­n.

Dies ist kein Gefallen, den wir Frauen tun. Geschlecht­ergleichhe­it ist eine Menschenre­chtsfrage. Die Beteiligun­g von Frauen macht Friedensab­kommen stärker, Gesellscha­ften widerstand­sfähiger und die Wirtschaft stabiler. Vaterschaf­tsurlaub, Gesetze gegen häusliche Gewalt und für gleichen Lohn sind ein Gewinn für alle.

In diesem entscheide­nden Augenblick für die Rechte von Frauen ist es an der Zeit, dass Männer an der Seite der Frauen stehen, ihnen zuhören und von ihnen lernen. Transparen­z und Verantwort­ung sind grundlegen­d, wenn Frauen ihr volles Potenzial erreichen und uns alle, in unseren Gemeinscha­ften, Gesellscha­ften und unserer Wirtschaft beflügeln sollen.

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