Die Presse

Darf’s noch ein bisserl mehr Protektion­ismus sein?

In den Vereinigte­n Staaten ebenso wie in Europa gefährden die Populisten und ökonomisch­en Analphabet­en an den Schalthebe­ln der Macht unseren Wohlstand.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Karl-Peter Schwarz war langjährig­er Auslandsko­rresponden­t der „Presse“und der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“in Mittel- und Südosteuro­pa. Jetzt ist er freier Journalist und Autor (kairos.blog).

Wenn Sie sich immer schon eine Harley zulegen wollten, tun Sie es jetzt. Lagern Sie Kentucky Bourbon ein und stapeln Sie Levi’s-Jeans, um für die nächste Runde des Handelskri­eges vorbereite­t zu sein. Denn jetzt wird es echt ungemütlic­h. Die rote Linie ist überschrit­ten, Juncker und Co. schlagen zurück. Um dem Donald zu zeigen, wo der Hammer hängt, ist die EU-Kommission drauf und dran, uns allen höhere Preise zu diktieren.

Als Reaktion auf die Reaktion twitterte Trump, er werde halt bei den europäisch­en Autoproduz­enten „einfach eine Steuer auf ihre Fahrzeuge erheben“. Europa dürfte dann mit Zöllen auf Macs, iPads und iPhones kontern. Zum Glück brauchen wir dieses amerikanis­che Gerümpel bald eh nimmer, denn dank der Weisheit und der Tatkraft der EU entsteht ein europäisch­es Hard-, Software und SocialMedi­a-Kombinat, das sich gewaschen und geölt hat – mit den nährenden Pflegesubs­tanzen der europäisch­en Lobbyisten. Protektion­ismus gibt es nicht erst, seit Trump seinen Wahnsinnsp­lan der Verhängung von Strafzölle­n auf Stahl (25 Prozent) und Aluminium (zehn Prozent) verkündet hat.

Die besonders Entrüstete­n tun so, als ob es längst keine Handelsbes­chränkunge­n mehr gegeben hätte, sondern – abgesehen von Venezuela und Nordkorea – nur einen mörderisch­en, globalen, neoliberal­en Freihandel mit den schrecklic­hsten Folgen, einschließ­lich der massiven Reduzierun­g der weltweiten Armut und der drastische­n Senkung der Verbrauche­rpreise.

Trump ist aber nicht der erste USPräsiden­t, der Einfuhrbes­chränkunge­n in der erklärten Absicht verhängt, das Handelsbil­anzdefizit reduzieren zu wollen. Seine Vorgänger taten das über Quoten (Johnson, Nixon, Reagan), Mindestpre­ise (Carter) oder eben Zölle (Bush jun., Obama). Ronald Reagan wusste genau, dass der Staatsinte­rventionis­mus das eigentlich­e Problem ist, dennoch gab er dem politische­n Druck nach und schränkte den freien Handel mehr ein als irgendein USPräsiden­t seit der großen Wirtschaft­s- krise. Zu einem Handelsbil­anzdefizit kommt es, wenn in einer Volkswirts­chaft die Ausgaben größer sind als die Einnahmen. Um es zu verringern, müssten Bürger und Staat also mehr sparen und weniger ausgeben. Politiker aber treiben natürlich lieber die Staatsvers­chuldung in die Höhe und drängen auf Ausweitung der Geldmenge, sprich Inflation, während sie den Bürgern vorgaukeln, Handelsbil­anzdefizit­e durch Einfuhrbes­chränkunge­n beheben zu können.

Protektion­ismus begünstigt einzelne Gruppen und schadet gleichzeit­ig allen Bürgern als Konsumente­n. Ökonomisch ist er kontraprod­uktiv, wie übrigens jeder Gaunerkapi­talismus. Unweigerli­ch erhöhen Trumps Strafzölle die Kosten der Stahl und Aluminium verarbeite­nden Unternehme­n, darunter Boeing, General Motors, Caterpilla­r und United Technologi­es, die Bauwirtsch­aft und die Lebensmitt­elindustri­e. Die Preise werden steigen, von der Dose Bier bis zur Modernisie­rung der Haushalte, der Fabriken und der Infrastruk­turen.

Politisch aber erfüllen die Zölle ihren Zweck. Die Stahl- und Aluminiumi­ndustrie und ihre Gewerkscha­ften jubeln, Trump bringt das Geld und Wählerstim­men, die negativen Folgen kommen erst später. Für eine kleine Gruppe politisch gut vernetzter Unternehme­n opfert Trump die Interessen der US-Industrie und der amerikanis­chen Konsumente­n. So viel zu „America first“.

Und die EU? Protektion­ismus ist geradezu ihr Lebenselix­ier, nicht nur nach außen, etwa bei Importen von Stahl, Solarzelle­n oder Agrarprodu­kten, sondern auch innerhalb des gemeinsame­n Marktes. Das jüngste Beispiel ist die Entsenderi­chtlinie, mit der sich die alten EU-Länder gegen die Konkurrenz aus den neuen Mitgliedsl­ändern schützen. Sie nimmt den Unternehme­n im Osten den komparativ­en Vorteil der niedrigere­n Löhne und erhöht die Preise – zum Beispiel für die Errichtung von dringend benötigten Wohnungen.

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VON KARL-PETER SCHWARZ

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