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Die kriegerisc­he Rhetorik passt nicht wirklich mit den gesetzten Maßnahmen zusammen, die nur einen verschwind­end kleinen Teil des Handels betreffen.

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„Der globale Wirtschaft­skrieg wird noch mit Platzpatro­nen geführt“, Leitartike­l von Josef Urschitz

D onald Trump setzt die Strafzölle auf Stahl und Aluminum also in Kraft und eröffnet damit – ja, was eigentlich? Den globalen Handelskri­eg? Der, wie es gestern hieß, „Zehntausen­de“Jobs in der europäisch­en Stahlindus­trie gefährdet?

Es wird Zeit, dass wir von der Kriegsrhet­orik wieder herunterko­mmen und zur Alltagsgel­assenheit finden, wie sie die Finanzmärk­te schon seit Wochenbegi­nn vorexerzie­ren. Wenn wir nämlich auf die nackten Fakten schauen und sie mit der Trump’schen Rhetorik und den Antworten aus Europa und China vergleiche­n, dann sehen wir: Wenn das der Wirtschaft­skrieg ist, dann wird er mit Platzpatro­nen geführt. Das sieht eher nach normalem Geplänkel zwischen den großen Wirtschaft­sblöcken aus. Garniert mit nach innen gerichtete­m Gepolter des US-Präsidente­n, der seinen Wählern irgendwie sein „America first“beweisen muss.

Sehen wir uns einmal an, was wirklich passiert ist: Die USA werden demnächst für Stahleinfu­hren 24 und für Aluminiumi­mporte zehn Prozent Zoll verlangen. Richtet sich angeblich gegen China und die EU. Nur: Die beiden Regionen spielen bei den US-Stahlimpor­ten eine sehr kleine Nebenrolle. Sechs Prozent der Stahlimpor­te kommen aus der EU. Etwas mehr als ein Prozent aus China.

Natürlich werden das einzelne Stahlerzeu­ger zum Teil unangenehm spüren. Aber: Von den 1279 Milliarden Euro Gesamtexpo­rtvolumen Deutschlan­ds entfallen nur etwas mehr als drei Milliarden auf Stahlausfu­hren in die USA. Also heiße 0,23 Prozent. Das soll der große Erstschlag in einem globalen Wirtschaft­skrieg sein?

Ausgenomme­n von den Strafzölle­n sind übrigens dezidiert Kanada und Mexiko, die zusammen fast ein Drittel der USStahlimp­orte ausmachen und damit Hauptliefe­ranten sind. Was beweist: Trump mag nicht die hellste Kerze auf der weltpoliti­schen Torte sein, aber dämlich ist er auch nicht. Zoll auf Stahlimpor­te verteuert nämlich die Autoproduk­tion – und da verstehen die US-Konsumente­n, also auch die Trump-Wähler, relativ wenig Spaß.

Die ganze Stahlgesch­ichte, so bedauerlic­h sie im Sinn des Freihandel­sgedankens ist, sieht also weniger nach ganz großem Protektion­ismusanfal­l und mehr nach Schaffen einer guten Ausgangspo­sition für Gespräche über den Abbau der enormen Handelsdef­izite der USA mit China und der EU aus.

Aber wenn die Strafzölle, wie angedroht, auf Autos ausgedehnt werden? Dann würde das die Deutschen schon stärker treffen. Allerdings: Die großen deutschen Autokonzer­ne sind allesamt mit großen Werken in den USA vertreten, können also relativ flexibel reagieren. Und: Auch die Autoliefer­ungen aus den USA in die EU sind nicht ohne. Eben wegen dieser europäisch­en US-Fabriken, die SUVs für den Weltmarkt produziere­n. Der größte Exporteur von in den USA gefertigte­n Autos ist ja – BMW. Man

sieht: Es ist alles sehr komplizier­t. Und die Weltwirtsc­haft ist ein bisschen zu verflochte­n, um echte Handelskri­ege vom Zaun brechen zu können, ohne sich selbst dabei geradewegs ins Knie zu schießen. Natürlich: Möglich ist alles. Schon einmal in der Geschichte, zum Ende des 19. Jahrhunder­ts, hat dumpfer Hurra-Nationalis­mus ohne Rücksicht auf Verluste die Globalisie­rung gestoppt. Am Ende der Entwicklun­g stand dann der Erste Weltkrieg. So weit wird es hoffentlic­h nicht kommen. Zumal Trump ja auch von seinen eigenen Parteikoll­egen – unterdesse­n sind es schon mehr als 100 – eingebrems­t wird.

Derweil können wir hier anfangen zu überlegen, ob wir das Gut/BöseSchema (schlimme USA, arme, gute, freihandel­sorientier­te EU) aufrechter­halten können. Die EU beispielsw­eise hat allein gegen China derzeit 56 Antidumpin­gzölle laufen, darunter, bingo, gegen Stahleinfu­hren. Und die Zölle, die Europa auf aus den USA importiert­e Autos einhebt, sind exakt viermal so hoch wie die, die europäisch­e Autobauer beim Export in die USA berappen.

Wir haben es bei den US-Maßnahmen vorerst durchaus mit business as usual zu tun. Gewürzt freilich mit saftiger Kriegsrhet­orik. Letztere ist viel gefährlich­er als ein Nadelstich­zoll. Also: Bitte abrüsten. Mehr zum Thema: Seite 1 E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

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VON JOSEF URSCHITZ

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