„Zu viele Schüler im Gymnasium“
Gespräch. Viele Schüler säßen in der „falschen Schule“, sagt Bildungsdirektor Johann Heuras. Die AHS solle sich ihre Schüler aussuchen dürfen.
Niederösterreichs Bildungsdirektor will, dass AHS ihre Schüler aussuchen dürfen.
In den Schulen war in den vergangenen Wochen Anmeldungszeit. In dieser Zeit häufen sich die Erzählungen über Eltern, die im Kampf um bessere Noten für das Kind nicht zurückscheuen, Volksschullehrern Geld zu bieten oder ihnen mit dem Rechtsanwalt zu drohen. „Das sind keine Märchen“, sagt Niederösterreichs Bildungsdirektor, Johann Heuras, im Gespräch mit der „Presse“. Für einen Platz im Gymnasium täten Eltern eben viel. Viel zu viel.
Denn für diese Kinder sei, so Heuras, das Gymnasium ohnehin die „falsche Schule“. Vor einigen Jahren seien etwa in Niederösterreich 20 bis 25 Prozent eines Volksschuljahrgangs in die AHS gewechselt. Heute machen das 38 Prozent. „Der Prozentsatz ist um fünf bis zehn Punkte zu hoch. Es wechseln zu viele Schüler ins Gymnasium“, sagt der schwarze Bildungsdirektor. Dort sei der Druck für diese Kinder zu groß.
Deshalb brauche es bei der Schulwahl einen Paradigmenwechsel. „Nicht die abgebende Schule, sondern die aufnehmende, also das Gymnasium, soll entscheiden“, fordert Heuras. Derzeit ist das nicht so. So lange Platz ist, müssen alle Kinder mit Einsern und Zweiern im Zeugnis in der AHS aufgenommen werden. „Doch schon ein Gut ist von Volksschule zu Volksschule unterschiedlich viel wert“, sagt der Bildungsdirektor.
Deshalb solle das Gymnasium Aufnahmekriterien festlegen. Von einem punktuellen Test hält Heuras zwar wenig. Er kann sich aber ein mindestens halbjähriges Verfahren, das aus mehreren Tests und Beobachtungen besteht, vorstellen. Die verpflichtenden Bildungsstandards sollen mitentscheidend sein. Dazu müsste man diese zentralen Leistungstests, die derzeit in der vierten Klasse durchgeführt werden, um ein Jahr vorziehen.
In einem Elternberatungsgespräch, dem sowohl Volksschullehrer- und -direktor als auch AHS- und NMS-Lehrer und -Direktor beiwohnen, sollte basierend auf den Ergebnissen des Aufnahmeverfahrens eine Bildungswegempfehlung abgegeben werden. Daran sollten sich Eltern in der Regel halten. „Die Letztentscheidung liegt zwar bei ihnen. Doch sollten sie gegen die Empfehlung handeln, sollte das verbrieft sein“, so Heuras.
Er ist nicht der Erste, der diese Forderungen stellt, auch die neue AHS-Direktorensprecherin, Isabella Zins, hat sich kürzlich im „Presse“-Interview für ein Aufnahmeverfahren an Gymnasien ausgesprochen. Offenbar besteht nun, seit die türkis-blaue Regierung übernommen hat, die Hoffnung, dass derartige Schritte gesetzt werden.
Unbegründet ist das nicht. Im Koalitionspakt ist tatsächlich von einer Ermöglichung von „temporären Eingangsverfahren für höhere Schulen“die Rede. Näheres findet man dazu allerdings nicht. Auch im Bildungsministerium sind etwaige Aufnahmeverfahren (noch) kein Thema. Minister Heinz Faßmann (ÖVP) wird sich zuerst der Reform der Neuen Mittelschule widmen. Diese dürfe „weder zur Restschule noch zur Sackgasse werden“.
„Das ist derzeit vielleicht in manchen Fällen so“, sagt Heuras, „wir haben in Niederösterreich aber auch hervorragende NMS.“Durch ihr angekratztes Image fehlten ihnen aber „häufig die Zugpferde“, also die leistungsstarken Schüler. Dabei hätte die NMS viele Vorteile: mehr Berufsorientierung, mehr Teamarbeit und mehr individuelle Förderung. Außerdem sei sie näher.
Für Kritiker bleibt da wohl eine Frage: Weshalb soll sich die AHS nur um die besten rund 30 Prozent, wie Heuras es sagt, kümmern? „Das hat für mich nichts mit besseren und schlechteren Schülern zu tun. Für manche eignet sich die AHS-Unterstufe – die Unterstufe der Allgemeinbildung. Und für andere die Neue Mittelschule – die Unterstufe der Berufsbildung. Mit beiden kann man bis zur Matura kommen“, sagt Heuras. Zwischen AHS und NMS brauche es mehr Durchlässigkeit. Damit Fehlentscheidungen, die bei der Schuleinschreibung getroffen wurden, durch einen Wechsel korrigiert werden können.