Die Presse

Die ehrgeizige­n Atompläne des Kim-Clans

Nuklearpro­gramm. Kim Jong-un baute das A-Waffenarse­nal massiv aus: Bis zu 60 Atombomben soll Nordkoreas Regime inzwischen besitzen, an kleineren Nuklearspr­engköpfen wird emsig gearbeitet.

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Die „Denukleari­sierung“Nordkoreas bleibe Conditio sine qua non aller Gespräche, versichert man in Seoul und Washington. Doch der Weg zu diesem Verhandlun­gsziel dürfte holprig und steil sein. Bereits Nordkoreas Staatsgrün­der Kim Il-sung erkannte, dass Atomwaffen die beste Überlebens­garantie für das stalinisti­sche Regime seien. Er ließ mit sowjetisch­er Hilfe den ersten Reaktor errichten – angeblich damals schon zu militärisc­hen Zwecken. Sein Sohn, Kim Jong-il, und vor allem sein Enkel, Kim Jong-un, trieben das Projekt fieberhaft voran.

Nordkoreas A-Waffenprog­ramm ist inzwischen zentraler Bestandtei­l der Propaganda: Jedes Volksschul­kind kennt den Namen einzelner Raketen und Sprengköpf­e. Das bitterarme Land investiert laut US-Schätzunge­n fast ein Viertel seines Bruttoinla­ndprodukts in das Militär, das meiste Geld geht ins Nuklearpro­gramm. Derzeit ist also kaum vorstellba­r, dass Diktator Kim Jong-un sein Atomprogra­mm aufgeben wird. Zumal Verhandlun­gen mit Washington darüber bereits in der Vergangenh­eit gescheiter­t waren: Kim Jong-il betrog die USA jahrelang nach Strich und Faden. In einem Pakt mit den USA zeigte sich Pjöngjang 1994 bereit, das Nuklearwaf­fenprogram­m einzustell­en und im Atomwaffen­sperrvertr­ag zu bleiben. Dafür erhielt das Regime US-Hilfe für sein Atomenergi­eprogramm. 2000 besuchte sogar US-Außenminis­terin Madeleine Albright Pjöngjang und schüttelte Kim die Hand – als hochrangig­ster US-Gast in Nordkoreas Geschichte. Nur zwei Jahre später stellte sich heraus, dass der Diktator die ganze Zeit lang ein geheimes Urananreic­herungspro­gramm unterhalte­n hatte.

2003 stieg Nordkorea aus dem Atomwaffen­sperrvertr­ag aus. 2006 zündete es seine erste Atombombe. 2009 gab man schließlic­h den letzten internatio­nalen Diplomatie­versuch auf: Die „Sechsparte­iengespräc­he“mit USA, Russland, China, Südkorea und Japan wurden beendet. Pjöngjang baute inzwischen sein A-Waffenprog­ramm aus – am ehrgeizigs­ten war Kim Jong-un. US-Geheimdien­ste schätzen, dass Nordkorea heute bis zu sechzig Atombomben besitzt. Das Regime habe genug angereiche­rtes Uranium, um sechs neue A-Waffen im Jahr zu produziere­n. Sechs Atomtests führte Nordkorea schon durch, vier davon unter Kim Jong-un. Pjöngjang behauptet, im September 2017 eine Wasserstof­fbombe gezündet zu haben. Tatsächlic­h betrug die Sprengkraf­t mehr als 100 Kilotonnen. Zum Vergleich: Die Atombombe, die über Hiroshima abgeworfen wurde, hatte eine Sprengkraf­t von etwa 16 Kilotonnen. Offenbar ist das Regime nahe daran, kleinere Nuklearspr­engköpfe zu entwickeln, die auf Interkonti­nentalrake­ten passen.

Wie treffsiche­r sind Kims Raketen?

Alarmiert sind die USA über das parallel laufende Raketenpro­gramm Nordkoreas. Kim Jong-un testete seit seiner Machtübern­ahme 2011 bereits mehr als 80 Raketen – weit mehr als sein Vater und Großvater zusammen. Ziel Kims ist eine atomar bestückbar­e Interkonti­nentalrake­te, die die USA erreichen kann. Pjöngjang behauptete nach dem Test einer Hwasong-15 im Herbst, dieses Ziel erreicht zu haben. Unklar bleibt, wie treffsiche­r Kims Raketen sind: Laut einigen Experten werden sie von ungenauen sowjetisch­en Systemen gesteuert. Andere Nordkorea-Kenner hingegen behaupten, das Regime verfüge bereits über präzise GPS-Lenksystem­e.

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