Die Presse

Wie Marine Le Pen sich und ihre Partei neu erfinden will

Frankreich. Die zuletzt lustlos wirkende Marine Le Pen möchte dem Front National beim Parteitag am Wochenende einen neuen Namen geben.

- Von unserem Korrespond­enten RUDOLF BALMER

Marine Le Pen, die Chefin des rechten Front National (FN), hat ihre deutliche Niederlage gegen Emmanuel Macron im zweiten Durchgang der Präsidents­chaftswahl­en im Mai 2017 noch nicht verdaut. Auch viele ihrer Fans sind der Meinung, dass sie selbst Schuld daran trägt, dass der Front National bei den anschließe­nden Parlaments­wahlen unerwartet schlecht abgeschnit­ten hat.

Der europäisch­e Kontext mit Erfolgen von rechtsextr­emen und rechtspopu­listischen Anti-EU-Bewegungen müsste für sie zwar Grund zu Optimismus sein. Seit Wochen aber wirkt Marine Le Pen irgendwie lustlos. Die Tiraden und Repliken der sonst so schlagfert­igen Politikeri­n tönen auswendig gelernt und aufgewärmt. Auch bei den Auftritten bei ihrer „Tour de France“durch die Provinz vor dem Parteitag am 10. und 11. März fehlt der aggressive Eifer, wenn sie ihre Parolen gegen unkontroll­ierte Immigratio­n, „Islamisier­ung“und Leugnung der nationalen Identität drischt. Glaubt die Parteichef­in des FN selbst´ nicht mehr an sich und ihre Ambitionen?

Marine Le Pen dementiert das vehement. Dem Regionalse­nder France-3 sagte sie, sie habe „immer noch Lust“, auch wolle sie weiter gegen alle Anfechtung­en ankämpfen: Gegen sie und ihre Partei wird wegen Unterschla­gung von EU-Geldern und wegen mutmaßlich­er Steuerdeli­kte ermittelt. Sie sieht sich – wie immer – als Opfer des Systems.

Neu ist aber, dass sie erstmals erwägt, die Führung der Partei abzugeben. Zwar ist sie beim Parteitag in Lille die einzige Kandidatin für ihren Posten als Präsidenti­n des FN, doch die bald 50-Jährige möchte das nicht ihr ganzes Leben lang bleiben: „Ich werde mich nicht bis ins hohe Alter an meinen Sessel klammern“, bemerkte sie.

Dachte sie dabei an ihre junge Nichte Marion Marechal-´Le Pen, die sich 2017 nach fünf Jahren als FN-Abgeordnet­e offiziell aus der Politik verabschie­dete, sich aber für ein Comeback bereithält?

Die Reihen um die Parteichef­in haben sich ohnehin gelichtet. Sie hat ihren bisherigen Chefstrate­gen und engsten Vertrauten, Florian Philippot, entlassen und aus der Partei geworfen. Er hat mit einer Schar von Sympathisa­nten eine politische Bewegung, Les Patriotes, gegründet. Seine Hauptforde­rung: ein „Frexit“, eine Abstimmung über einen Austritt Frankreich­s aus der EU und dem Euro.

Auch mit ihrem Vater hat Marine Le Pen sich definitiv überworfen. Die beiden sprechen nicht mehr miteinande­r. Sie hat ihn 2015 wegen Provokatio­nen und seiner Äußerungen zum Holocaust aus dem FN ausschließ­en lassen. Beim Parteitag in Lille soll er nun auch noch seine Ehrenpräsi­dentschaft verlieren. Er schmollt und hat angekündig­t, dass er nicht nach Lille fahren werde, wo ihm die Parteichef­in den Zutritt verweigern wollte. Er hat seine im FN verblieben­en Anhänger aufgeforde­rt, es ihm gleich zu tun, um nicht zu „Komplizen der Ermordung“seiner Partei durch seine Tochter zu werden.

Marine Le Pens Bemühungen zur „Endiabolis­ierung“des rechtsextr­emen FN haben letztlich nicht gefruchtet. In der öffentlich­en Meinung stehen die Partei und deren Chefin wieder auf dem Niveau von 2011, als sie den Versuch startete, den FN salonfähig zu machen. Heute sind wieder 56 Prozent der Franzosen der Ansicht, der FN sei eine Gefahr für die Demokratie.

Marine Le Pen ist in der Defensive. Sie will darum bei diesem Parteitag ein klares Zeichen für einen Wechsel setzen. Sie will den Namen ihrer Partei ändern. Denn die vom Vater geerbte Bezeichnun­g „Front“ist ihr zu militärisc­h und zu extremisti­sch.

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