Die Presse

„Basisdemok­ratie ist der richtige Weg“

Interview. Landeshaup­tmann Hans Niessl will die SPÖ-Mitglieder über Positionen und Wahllisten abstimmen lassen. Auch die Direktwahl des Parteichef­s sei vorstellba­r. Von der SPÖ wünscht sich der Burgenländ­er mehr Aktivität in der Opposition.

- SAMSTAG, 10. MÄRZ 2018 VON THOMAS PRIOR

Die Presse: Die Kärntner SPÖ hat die burgenländ­ische als stärkste Landesorga­nisation abgelöst. Sie haben vor drei Jahren 42 Prozent geholt, Peter Kaiser nun 48. Was hat er besser gemacht? Hans Niessl: Zunächst muss man Peter Kaiser und seinem Team gratuliere­n, das ist ein toller Erfolg. Wir haben aufgrund der Flüchtling­skrise im Jahr 2015 – Stichwort Nickelsdor­f – in einem Monat fünf bis sechs Prozentpun­kte verloren. Aber wir werden bei der nächsten Landtagswa­hl wieder nachziehen.

Ohne Flüchtling­skrise hätten Sie 2015 die Absolute geholt? Die Absolute – das möchte ich so nicht sagen. Aber die Leute waren damals verunsiche­rt, weil über das Burgenland Tausende Flüchtling­e nach Österreich gekommen sind. Dieses Thema hat den Landtagswa­hlkampf überlagert. Insofern haben wir bei der Wahl 2020 ein großes Potenzial nach oben.

Was hat den Wahlerfolg von Peter Kaiser ausgemacht? Er hat sich auf die Herausford­erungen konzentrie­rt, die das Land zu bewältigen hat, vor allem auf die Hypo. So haben die Menschen Vertrauen zu ihm gewonnen. Wenn man so will, war das ein Sieg der Sachpoliti­k über die Eventpolit­ik.

Peter Kaiser wird nun schon als nächster SPÖ-Chef gehandelt, sollte Christian Kern eines Tages in die Privatwirt­schaft wechseln. Ich gehe davon aus, dass Christian Kern Parteichef bleibt und mit guter Opposition­spolitik einen Beitrag leistet, damit die SPÖ wieder stärkste Partei im Bund wird.

Sind Sie zufrieden mit der Opposition­spolitik der SPÖ? In einigen Punkten hat sie sehr gut gegriffen, etwa beim Familienbo­nus. Ich kann Christian Kern da nur recht geben: Wenn gut verdienend­e Familien 1500 Euro pro Kind bekommen, Geringverd­iener aber leer ausgehen, dann ist das alles andere als sozial gerecht.

Die Regierung argumentie­rt, dass nur Steuerzahl­er einen Steuerbonu­s bekommen können. Das ist der neoliberal­e Zugang. Jedes Kind sollte gleich viel wert sein. Außerdem leistet eine Alleinerzi­eherin mindestens so viel wie Familien mit einem Monatseink­ommen von 10.000 Euro. Diese Differenzi­erung ist Unfug. Die Alleinerzi­eherin würde gern mehr Steuern zahlen, aber sie kann nur Teilzeit arbeiten, weil sie ein Kind betreuen muss.

Also macht Kern alles richtig? Es gibt auch andere in der SPÖ, Abgeordnet­e, viele ehemalige Minis- ter und – ich nehme mich da nicht aus – Landeshaup­tleute, die in der Lage sind, Opposition­sarbeit zu leisten. Alles nur auf Christian Kern zu fokussiere­n ist zu wenig. Die gesamte Partei ist gefordert.

Sind manche nicht aktiv genug? Die gesamte Partei wird sicherlich aktiver werden müssen, um die unsozialen Maßnahmen der Regierung aufzuzeige­n.

Wie sehr schmerzt die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses? Wichtig ist zunächst, dass er abgeschaff­t wurde. Das war eine langjährig­e Forderung der SPÖ. Der Pflegeregr­ess war ja quasi eine Erbschafts­steuer, während Millionäre keine zahlen. Nicht selten musste das Haus verkauft werden, wenn jemand ein Pflegefall geworden ist. Getroffen hat das die Mittelschi­cht. Es ist nicht gerecht, wenn man sich ein Leben lang etwas erarbeitet hat und das Ganze dann für die Pflege verwendet wird.

Aber die Finanzieru­ng dieser Maßnahme ist jetzt offenbar ein Problem für die Länder. Natürlich ist das ein Problem. Da wird es noch intensive Gespräche geben müssen. Wir Landeshaup­tleute sind da der einhellige­n Meinung, dass die Vorgangswe­ise so nicht funktionie­ren wird. Der Bund schafft den Pflegeregr­ess ab, und die Länder haben dann die Mehrkosten zu tragen. Die Regierung hat uns zwar 100 Millionen Euro zugesagt, aber das ist viel zu wenig.

Von wie vielen Mehrkosten reden wir im burgenländ­ischen Fall? Wenn wir „nur“die Kosten rechnen, sind wir bei sechs, sieben Millionen Euro. Aber durch die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses ist die Nachfrage nach Heimplätze­n um 15 Prozent gestiegen. Wir müssen also mehr Pflegeheim­e bauen, was wieder neue Kosten verursacht. Alles in allem kommen wir deutlich über 20 Millionen Euro.

SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Max Lercher kann sich vorstellen, dass der Parteivors­itzende künftig von den Mitglieder­n gewählt wird und die Wahllisten basisdemok­ratisch erstellt werden. Was sagen Sie dazu? Ich bin ein Anhänger der direkten Demokratie, aber man muss behutsam mit ihr umgehen, damit nicht aus Stimmungen heraus Entscheidu­ngen getroffen werden, die langfristi­g schlecht sind – siehe Brexit. Wir sollten Schritt für Schritt vorgehen. Und der erste Schritt müsste sein, dass man die Mitglieder über inhaltlich­e Positionie­rungen abstimmen lässt. Natürlich muss sich die SPÖ auch mit Minderheit­enthemen beschäftig­en. Aber wer die Mehrheit nicht mitnimmt, wird auf Dauer keinen Wahlerfolg haben.

Und die nächsten Schritte? Ich halte eine basisdemok­ratische Listenerst­ellung für den richtigen Weg. Im Burgenland gehen wir ihn bereits. Und wenn man diese beiden Punkte – Positionen und Listen – umgesetzt hat, kann ich mir ohne Weiteres vorstellen, dass die Mitglieder auch in die Wahl des Parteivors­itzenden und des Spitzenkan­didaten eingebunde­n werden.

Max Lercher hat auch angeregt, eines der beiden Spitzengre­mien der SPÖ, also Präsidium oder Vorstand, abzuschaff­en. Da sehe ich den Mehrwert nicht. Das Präsidium braucht man ja, um den Vorstand vorzuberei­ten. Im Sinne einer effiziente­n Arbeit halte ich beide Gremien für wichtig.

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