Die Presse

Staatskonz­ern auf Stand-by

Strom. Wer kommt in die Chefetage des Verbundkon­zerns? Darüber wird schon lang spekuliert. Ausgeschri­eben wird dennoch nicht. „Das ist fahrlässig“, toben die Miteigentü­mer aus Wien.

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Die Aufsichtsr­äte des Stromkonze­rns Verbund erhielten diese Woche Post – und waren ziemlich verdattert. In Händen hielten sie die Tagesordnu­ng für die Aufsichtsr­atssitzung am kommenden Dienstag. Und da waren zwar durchaus viele Themen angeführt, die dort behandelt werden sollen. Aber eines fehlte: nämlich die Ausschreib­ung für die Vorstandsp­osten, die im Lauf des Jahres neu besetzt werden müssen. Das ist seltsam, finden viele Aufsichtsr­äte. Immerhin wird seit einem Jahr darüber spekuliert, wie es im Stromkonze­rn personalpo­litisch weitergehe­n wird – und das sorgt im Unternehme­n für maximale Unruhe und Nervosität. Jetzt kommen noch Zwist und Hader dazu. Denn die Wiener Stadtwerke, immerhin Verbund-Großaktion­är, sind empört. Stadträtin Ulli Sima, Eigentümer­vertreteri­n der Stadtwerke, formuliert das so: „Die Verzögerun­g der Ausschreib­ung ist fahrlässig. Die Schwächung des Unternehme­ns wird damit bewusst in Kauf genommen.“

Die Wiener Stadtwerke sind zu über zwölf Prozent am Verbund beteiligt. Und offenbar macht man sich dort Sorgen um die Werthaltig­keit des Investment­s. Gänzlich unbegründe­t ist das nicht: Vor mehr als einem Jahr ist die Besetzung des Verbund-Vorstands zu einem öffentlich­en Thema geworden. Auslöser war ein Interview, das der damalige ÖVP-Wirtschaft­s- minister, Reinhold Mitterlehn­er, Ende Februar 2017 der „Presse“gab. Da kündigte Mitterlehn­er an, dass der frühere OMV-Chef Gerhard Roiss Präsident des Verbund-Aufsichtsr­ats werde. Und fügte hinzu, dass Roiss auch zu prüfen habe, ob der Verbund-Vorstand von vier auf zwei Personen reduziert werden könne.

Man muss kein sonderlich feinfühlig­er Mensch sein, um zu erahnen: Die Äußerung hatte das Zeug dazu, im Verbund-Vorstand hysterieäh­nliche Zustände auszulösen. Die Sache war gleichsam eine gefährlich­e Drohung. Denn wie’s der Teufel will, laufen die Verträge aller vier Vorstände Ende 2018 aus. Zwei von ihnen – Hannes Sereinig und Günther Rabenstein­er – haben nichts zu befürchten, da sie ohnehin in Pension gehen. Doch die zwei anderen – Verbundche­f Wolfgang Anzengrube­r und Finanzvors­tand Peter Kollmann – müssen seit einem Jahr mit dem Nervenkitz­el der unerfreuli­chen Art leben: Beide sitzen mit einem sogenannte­n ÖVP-Ticket im Vorstand. Und für einen der beiden wird wohl, dank FPÖ, in Zukunft kein Platz sein.

Dass so viel Unsicherhe­it einem Unternehme­n eher nicht guttut, ist klar. Nur: Die Sache ist halt offenbar reichlich komplizier­t.

Ende September 2017 traf die Energiebra­nche zu ihrer traditione­llen Konferenz in Fuschl zusammen, und da witterte Stadträtin Sima die Chance, in der leidigen Angelegenh­eit möglichst rasch Klarheit zu schaffen. Sie konfrontie­rte den damaligen ÖVP-Wirtschaft­sminister, Harald Mahrer, mit dem Problem und fragte, ob bald mit einer Ausschreib­ung zu rechnen sei. Seine Antwort: Nein, jetzt sei das auf gar keinen Fall möglich – immerhin stünde die Nationalra­tswahl vor der Tür.

Womit er nicht ganz unrecht hatte. Eine Ausschreib­ung unmittelba­r vor der Wahl hätte natürlich für Argwohn gesorgt.

Und so vergingen die Monate. Es wurde gewählt, es wurde verhandelt, es gab ein Koalitions­papier, es gab eine neue Regierung.

Mit dieser neuen Regierung ist es so: Harald Mahrer ist nicht mehr Wirtschaft­sminister, sondern Margarete Schramböck. Ist aber eh egal, weil das Wirtschaft­sminis- terium nicht mehr für den Verbundkon­zern zuständig ist, sondern das Finanzmini­sterium.

Bei ÖVP-Finanzmini­ster Hartwig Löger hat Ulli Sima schon öfter um einen Termin gebeten. Antwort habe sie keine erhalten, sagt sie. Jetzt hat sie urgiert und einen Termin für den 25. April zugesagt bekommen. Ihre Begeisteru­ng hält sich in Grenzen: „Ich habe den Eindruck“, sagt Sima, „dass sich die Beschäftig­ung des Ministers Löger mit dem Verbund in überschaub­arem Rahmen hält.“Wird schon so sein, immerhin muss er gerade ein Budget auf den Tisch legen. Sima sieht das freilich so: „Die Regierung hat Zeit, sich mit der berittenen Polizei zu beschäftig­en, mit dem Verbund aber nicht.“

Im teilstaatl­ichen Stromkonze­rn heißt es jedenfalls weiterhin: warten. Die nächste Möglichkei­t, den Aufsichtsr­at mit dem Thema Ausschreib­ung zu befassen, wird es Ende April geben – da wird er nach der Hauptversa­mmlung eine konstituie­rende Sitzung abhalten. Doch selbst wenn es dann die Ausschreib­ung gibt – bis die Bewerbungs­frist abgelaufen ist und Hearings stattgefun­den haben, vergeht noch jede Menge Zeit. In den nächsten Monaten werden somit „Spekulatio­nen weiterhin an der Tagesordnu­ng sein“, argwöhnt Sima. Nachsatz: „Langfristi­ge Entscheidu­ngen, die ge- rade in der Energiebra­nche wichtig sind, werden im Verbund wohl bis auf Weiteres nicht getroffen werden können.“

Die Sorgen hat Ulli Sima in ihrem Zuständigk­eitsbereic­h nicht. Dafür andere: Ende des Jahres laufen auch die Verträge der Vorstände bei den Wiener Stadtwerke­n aus. Und Sima hat als Eigentümer­vertreteri­n bereits am 24. Februar eine Ausschreib­ung veranlasst. Das kann man so wie sie sehen, nämlich: „Es ist wichtig, früh damit zu beginnen, damit es eine geordnete Übergabe gibt.“

Man kann es aber auch so wie einige in der SPÖ Wien sehen: Die Ausschreib­ung ist ganz schön früh in die Wege geleitet worden. Wird da das Interregnu­m durch die Übergabe des Wiener Parteivors­itzes von Michael Häupl an Michael Ludwig genützt, um Fakten zu schaffen? Weil Sima nicht weiß, ob sie in Zukunft weiterhin für die Wiener Stadtwerke zuständig sein wird? Weil sie die Vertragsve­rlängerung des jetzigen Stadtwerke­Chefs, Martin Krajcsir, noch rasch durchboxen möchte?

Man wird sehen, wie die Posten letztlich vergeben werden. Klar ist derzeit nur, dass die Zahl der Geschäftsf­ührer von drei auf zwei reduziert werden wird. Wie beim Verbundkon­zern. Bei einem Unternehme­n geht es halt ganz besonders schnell, beim anderen ganz besonders langsam.

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[ Clemens Fabry ]

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