Die Presse

Musterknab­en und der böse Tanktouris­mus

Steuerverz­icht ohne Umweltnutz­en – klingt intelligen­t, oder?

- Josef.urschitz@diepresse.com

D er neulich dem Parlament vorgelegte Fortschrit­tsbericht zur Senkung der Treibhausg­asemission­en verlangt „zusätzlich­e Maßnahmen, insbesonde­re im Verkehr“. Sonst seien die heimischen Klimaziele nicht zu erfüllen. Prinzipiel­l eine gute Idee. Die CO2-Emissionen von Autos sind zwar in den vergangene­n Jahren am stärksten von allen Sektoren zurückgega­ngen, aber die Autoindust­rie hat da noch Senkungspo­tenzial.

Interessan­t ist aber der Grund, warum der Kohlendiox­idausstoß von Pkw und Lkw hierzuland­e langsamer als gewünscht zurückgeht: der Tanktouris­mus. Der alte Hut: Weil Diesel und Benzin ein paar Cent billiger sind als in Italien oder Deutschlan­d, tanken Autofahrer auf der Durchreise eben nicht in Kiefersfel­den oder Freilassin­g, sondern in Kufstein oder Salzburg.

Sehr gut, würde der praktisch denkende Österreich­er meinen. Das verschafft dem Finanzmini­ster zusätzlich­e Mineralöls­teuereinna­hmen. Im Fall Österreich­s bis zu eineinhalb Milliarden Euro im Jahr. Also nicht gerade nichts.

Allerdings: Praktisch denkende Österreich­er werden selten Umweltexpe­rten. Sie würden sonst entschiede­n gegen die Erhebungsm­ethode des Treibhausg­asausstoße­s im Verkehr vorgehen. Diese bemisst ja nicht den konkreten Ausstoß im Land (der wäre auch schwer zu ermitteln), sondern die getankte Treibstoff­menge. Tankt ein Durchreise­nder, dann wird die „getankte“Kohlendiox­idmenge zur Gänze Österreich zugerechne­t.

Bei Zielübersc­hreitungen beschert uns das KyotoStraf­zahlungen. Ziemlich sinnbefrei­t, aber Österreich hat diesen Vertrag nun einmal unterschri­eben. Nur: In der Regel bleibt nach Abzug der Strafzahlu­ng von den zusätzlich­en Mineralöls­teuereinna­hmen immer noch ein dreistelli­ger Millionenb­etrag übrig. D ieser ist den auf Musterknab­entum bedachten Umweltexpe­rten aber ein Dorn im Auge, weshalb regelmäßig gefordert wird, den Tanktouris­mus durch kräftige Treibstoff­preiserhöh­ung abzudrehen. Also ein paar Hundert Millionen von Wien nach Berlin oder Rom zu transferie­ren, ohne dass deshalb ein einziges Gramm CO2 weniger in die Atmosphäre entweicht. Hört sich superintel­ligent an. Vielleicht sollten doch auch ein paar praktisch denkende Österreich­er die Laufbahn eines Umweltexpe­rten einschlage­n. Damit wir hier nicht gar so viele ökonomisch­e Dummheiten machen.

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