Musterknaben und der böse Tanktourismus
Steuerverzicht ohne Umweltnutzen – klingt intelligent, oder?
D er neulich dem Parlament vorgelegte Fortschrittsbericht zur Senkung der Treibhausgasemissionen verlangt „zusätzliche Maßnahmen, insbesondere im Verkehr“. Sonst seien die heimischen Klimaziele nicht zu erfüllen. Prinzipiell eine gute Idee. Die CO2-Emissionen von Autos sind zwar in den vergangenen Jahren am stärksten von allen Sektoren zurückgegangen, aber die Autoindustrie hat da noch Senkungspotenzial.
Interessant ist aber der Grund, warum der Kohlendioxidausstoß von Pkw und Lkw hierzulande langsamer als gewünscht zurückgeht: der Tanktourismus. Der alte Hut: Weil Diesel und Benzin ein paar Cent billiger sind als in Italien oder Deutschland, tanken Autofahrer auf der Durchreise eben nicht in Kiefersfelden oder Freilassing, sondern in Kufstein oder Salzburg.
Sehr gut, würde der praktisch denkende Österreicher meinen. Das verschafft dem Finanzminister zusätzliche Mineralölsteuereinnahmen. Im Fall Österreichs bis zu eineinhalb Milliarden Euro im Jahr. Also nicht gerade nichts.
Allerdings: Praktisch denkende Österreicher werden selten Umweltexperten. Sie würden sonst entschieden gegen die Erhebungsmethode des Treibhausgasausstoßes im Verkehr vorgehen. Diese bemisst ja nicht den konkreten Ausstoß im Land (der wäre auch schwer zu ermitteln), sondern die getankte Treibstoffmenge. Tankt ein Durchreisender, dann wird die „getankte“Kohlendioxidmenge zur Gänze Österreich zugerechnet.
Bei Zielüberschreitungen beschert uns das KyotoStrafzahlungen. Ziemlich sinnbefreit, aber Österreich hat diesen Vertrag nun einmal unterschrieben. Nur: In der Regel bleibt nach Abzug der Strafzahlung von den zusätzlichen Mineralölsteuereinnahmen immer noch ein dreistelliger Millionenbetrag übrig. D ieser ist den auf Musterknabentum bedachten Umweltexperten aber ein Dorn im Auge, weshalb regelmäßig gefordert wird, den Tanktourismus durch kräftige Treibstoffpreiserhöhung abzudrehen. Also ein paar Hundert Millionen von Wien nach Berlin oder Rom zu transferieren, ohne dass deshalb ein einziges Gramm CO2 weniger in die Atmosphäre entweicht. Hört sich superintelligent an. Vielleicht sollten doch auch ein paar praktisch denkende Österreicher die Laufbahn eines Umweltexperten einschlagen. Damit wir hier nicht gar so viele ökonomische Dummheiten machen.