Booking-Rivale heizt das Duell um Europa an
Tourismus. Dem Onlineriesen Expedia ist die Vormacht auf dem US-Heimmarkt nicht genug. Der neue Chef gibt ambitionierte Ziele vor: Europa, Asien, am besten die Welt. Dafür verbrennt er viel Geld. Die Konkurrenz holt zum Gegenschlag aus.
Mark Okerstrom sitzt sehr entspannt auf der Bühne der weltgrößten Tourismusmesse ITB in Berlin. Jeans, gelb gepunktete Socken, T-Shirt, Blazer unter einem jugendlichen Gesicht. Gerade erklärt er den Hunderten Zuhörern im Saal, wie er, der Unternehmer aus den USA mit dem Ivy-LeagueAbschluss, den internationalen Markt – und das heißt vor allem den europäischen Markt – aufrollen will. Die USA sind ihm nicht genug. Daraus macht er keinen Hehl. „Dort sind wir fantastisch, wir haben jedes Hotel, jeden Flug in jeder Stadt. Aber außerhalb davon sind wir einfach nicht so gut.“
5,3 Mrd. Dollar. Diese Rekordsumme gab Expedia im Vorjahr aus. Viel davon floss in das von Okerstrom ausgegebene Ziel, die internationalen Märkte zu erobern. In Europa dürfte das nicht so einfach werden. In der alten Welt hat Gillian Tans das Sagen. Die Booking.com-Chefin, die nur einen Tag davor im selben Sessel auf der ITB-Bühne Platz nahm, wickelt laut europaweiten Branchenzahlen von 2016 zwei Drittel der Onlinebuchungen ab. Expedia liegt mit 17 Prozent abgeschlagen auf dem zweiten Platz.
Beide Riesen unter den Buchungsplattformen wurden 1996 gegründet. Beide haben die Veränderungen von zwei Jahrzehnten mitgemacht und stetig jüngere Konkurrenten aufgekauft, um die Oberhand im digitalen Wettlauf zu behalten. Und beide blasen gleichzeitig zum Sturm auf die Kunden des jeweils anderen.
Bei Expedia, zu dem auch die Suchmaschine Trivago und die Ferienwohnungsseite Homeaway gehören, ging mehr als die Hälfte des Jahresumsatzes 2017 sofort wieder in Marketing und Vertrieb. Als Okerstrom bei seiner ersten Bilanzpräsentation im Februar auch noch anmerkte, dass er die Ausgaben weiter hoch halten will und das den Gewinn heuer drücken dürfte, ver- stimmte er die Anleger gründlich. Gillian Tans’ US-Mutterkonzern Priceline wiederum ruft gerade eine große Marketingoffensive in den USA aus. Dort hat Expedia traditionell die Nase vorn. Der jüngste Schachzug, der die Kunden herüberlocken sollte, war simpel: Priceline nannte sich in Booking um. Damit zollte es der hochprofitablen Amsterdamer Tochter, die geschätzte 80 Prozent der elf Mrd. Dollar Umsatz hereinbringt, Tribut – und bekam gleichzeitig einen zugkräftigeren Namen.
Der schärfere Wettbewerb dürfte die Preise drücken und Kunden freuen. Aber auch Expedias Europa-Chef, Andreas Nau, zeigt sich über die Agenda seines Konzerns erfreut: „Das ist für uns natürlich hervorragend“, sagt er im Interview mit der „Presse“. Wie viel Geld man in die Hand nimmt, um in Ländern wie Österreich relevanter zu werden, oder welche Strategie man dabei verfolgt, sagt er nicht. Nur so viel: „Wir gehen jetzt wirklich in die Länder rein und beobachten die Kunden. Sie müssen an uns denken, auch wenn sie nur nach Linz reisen wollen.“Auch Okerstrom selbst hat für seine Zuhörer nicht mehr als den kryptischen Satz: „Wir werden auf einer globalen Basis lokal relevant sein.“
Offensichtlich ist aber, dass sich das Rennen wegverlagert vom Hotel. Die Gäste möchten Abwechslung, und Booking.com und Expedia wollen sie ihnen geben, bevor es ein anderer tut. Etwa der stark expandierende Airbnb-Konzern, der früher die Luftmatratze am Wohnzimmerboden und heute das ausgefallene Boutiquehotel, Baumhaus oder Iglu vermittelt. „Ein Nischenplayer in einer ziemlich großen Nische“, sagt Okerstrom auf der ITB. Aber er weiß um die Relevanz des 100 Mrd. Dollar schweren und stark wachsenden Markts und baut das Portfolio entsprechend aus. Das kostet, genauso wie die 6000 Softwareentwickler, die für Expedia hinter den Kulissen einen Einkaufswagen bauen, der stark an den AmazonMarktplatz erinnert. Okerstrom führt ihn in Berlin erstmals vor. Für alle im Saal, die es noch nicht begriffen haben, macht er klar: „Wir wollen das Amazon der Urlaubsbuchungen werden.“
Noch ist man weit davon entfernt. „Die gesamte Reisebranche ist 1,29 Mrd. Euro schwer. Wir haben als einer der Weltgrößten ein bis zwei Prozent. Insofern ist da noch Luft für alle“, sagt Nau. Das kann man als Trost oder Stressfaktor empfinden.