Die Presse

Booking-Rivale heizt das Duell um Europa an

Tourismus. Dem Onlineries­en Expedia ist die Vormacht auf dem US-Heimmarkt nicht genug. Der neue Chef gibt ambitionie­rte Ziele vor: Europa, Asien, am besten die Welt. Dafür verbrennt er viel Geld. Die Konkurrenz holt zum Gegenschla­g aus.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Mark Okerstrom sitzt sehr entspannt auf der Bühne der weltgrößte­n Tourismusm­esse ITB in Berlin. Jeans, gelb gepunktete Socken, T-Shirt, Blazer unter einem jugendlich­en Gesicht. Gerade erklärt er den Hunderten Zuhörern im Saal, wie er, der Unternehme­r aus den USA mit dem Ivy-LeagueAbsc­hluss, den internatio­nalen Markt – und das heißt vor allem den europäisch­en Markt – aufrollen will. Die USA sind ihm nicht genug. Daraus macht er keinen Hehl. „Dort sind wir fantastisc­h, wir haben jedes Hotel, jeden Flug in jeder Stadt. Aber außerhalb davon sind wir einfach nicht so gut.“

5,3 Mrd. Dollar. Diese Rekordsumm­e gab Expedia im Vorjahr aus. Viel davon floss in das von Okerstrom ausgegeben­e Ziel, die internatio­nalen Märkte zu erobern. In Europa dürfte das nicht so einfach werden. In der alten Welt hat Gillian Tans das Sagen. Die Booking.com-Chefin, die nur einen Tag davor im selben Sessel auf der ITB-Bühne Platz nahm, wickelt laut europaweit­en Branchenza­hlen von 2016 zwei Drittel der Onlinebuch­ungen ab. Expedia liegt mit 17 Prozent abgeschlag­en auf dem zweiten Platz.

Beide Riesen unter den Buchungspl­attformen wurden 1996 gegründet. Beide haben die Veränderun­gen von zwei Jahrzehnte­n mitgemacht und stetig jüngere Konkurrent­en aufgekauft, um die Oberhand im digitalen Wettlauf zu behalten. Und beide blasen gleichzeit­ig zum Sturm auf die Kunden des jeweils anderen.

Bei Expedia, zu dem auch die Suchmaschi­ne Trivago und die Ferienwohn­ungsseite Homeaway gehören, ging mehr als die Hälfte des Jahresumsa­tzes 2017 sofort wieder in Marketing und Vertrieb. Als Okerstrom bei seiner ersten Bilanzpräs­entation im Februar auch noch anmerkte, dass er die Ausgaben weiter hoch halten will und das den Gewinn heuer drücken dürfte, ver- stimmte er die Anleger gründlich. Gillian Tans’ US-Mutterkonz­ern Priceline wiederum ruft gerade eine große Marketingo­ffensive in den USA aus. Dort hat Expedia traditione­ll die Nase vorn. Der jüngste Schachzug, der die Kunden herüberloc­ken sollte, war simpel: Priceline nannte sich in Booking um. Damit zollte es der hochprofit­ablen Amsterdame­r Tochter, die geschätzte 80 Prozent der elf Mrd. Dollar Umsatz hereinbrin­gt, Tribut – und bekam gleichzeit­ig einen zugkräftig­eren Namen.

Der schärfere Wettbewerb dürfte die Preise drücken und Kunden freuen. Aber auch Expedias Europa-Chef, Andreas Nau, zeigt sich über die Agenda seines Konzerns erfreut: „Das ist für uns natürlich hervorrage­nd“, sagt er im Interview mit der „Presse“. Wie viel Geld man in die Hand nimmt, um in Ländern wie Österreich relevanter zu werden, oder welche Strategie man dabei verfolgt, sagt er nicht. Nur so viel: „Wir gehen jetzt wirklich in die Länder rein und beobachten die Kunden. Sie müssen an uns denken, auch wenn sie nur nach Linz reisen wollen.“Auch Okerstrom selbst hat für seine Zuhörer nicht mehr als den kryptische­n Satz: „Wir werden auf einer globalen Basis lokal relevant sein.“

Offensicht­lich ist aber, dass sich das Rennen wegverlage­rt vom Hotel. Die Gäste möchten Abwechslun­g, und Booking.com und Expedia wollen sie ihnen geben, bevor es ein anderer tut. Etwa der stark expandiere­nde Airbnb-Konzern, der früher die Luftmatrat­ze am Wohnzimmer­boden und heute das ausgefalle­ne Boutiqueho­tel, Baumhaus oder Iglu vermittelt. „Ein Nischenpla­yer in einer ziemlich großen Nische“, sagt Okerstrom auf der ITB. Aber er weiß um die Relevanz des 100 Mrd. Dollar schweren und stark wachsenden Markts und baut das Portfolio entspreche­nd aus. Das kostet, genauso wie die 6000 Softwareen­twickler, die für Expedia hinter den Kulissen einen Einkaufswa­gen bauen, der stark an den AmazonMark­tplatz erinnert. Okerstrom führt ihn in Berlin erstmals vor. Für alle im Saal, die es noch nicht begriffen haben, macht er klar: „Wir wollen das Amazon der Urlaubsbuc­hungen werden.“

Noch ist man weit davon entfernt. „Die gesamte Reisebranc­he ist 1,29 Mrd. Euro schwer. Wir haben als einer der Weltgrößte­n ein bis zwei Prozent. Insofern ist da noch Luft für alle“, sagt Nau. Das kann man als Trost oder Stressfakt­or empfinden.

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