Die Presse

Man muss die Zither nicht `a la Anton Karas reißen!

Im Gespräch. Karl Stirner erklärt, warum er sein Instrument lieber sanft spielt. Und was er mit Elektronik will.

- VON SAMIR H. KÖCK beim Internatio­nalen Akkordeonf­estival: 10. März, Sargfabrik, Wien 14, Goldschlag­straße 169.

Vor zwei Jahren wurde die Wiener Spielweise der Zither zum Weltkultur­erbe erklärt. Das hat wohl auch mit Carol Reeds Filmwelter­folg „Der dritte Mann“und dem darin auftretend­en Zitherspie­ler, Anton Karas, zu tun: Das „HarryLime-Thema“kam auf Platz eins der USCharts; Karas’ Stil – mit charakteri­stischen Knackgeräu­schen und starken Tremoli – wurde für viele Zitherspie­ler zum Vorbild.

Nicht für den heute 47-jährigen Karl Stirner: „Das Karas’sche Gereiße, das war nicht meins“, sagt er: „Mein Ansatz war immer ein sanfter. Meine Theorie ist, dass die Zither immer schon ein Marketende­rinneninst­rument war: etwas, was gar nicht hörbar sein sollte. Mit so einer Zither kommst du ja nicht gegen die Blas- und Bratlmusik an. Da hat man die schönste Frau als Blickfang hingesetzt, und statt eines Schnapsfas­ses hielt sie halt eine Zither in Händen.“

Dass Stirner das im urbanen Raum selten gewordene Instrument lernte, verdankt er dem Rat seiner Mutter. Zunächst übte er brav die alte Zitherlite­ratur: „Bis ich blutige Blasen an den Fingern hatte.“Mit 14 entdeckte er den Blues und die Begräbnism­usik aus New Orleans: „Das griff mir ans Herz“, erzählt er. So richtig vom Gleis hob ihn aber sein Studium bei Kurt Schwertsik: „Er war der Einzige, der gelacht hat. Und zwar mit mir und nicht über mich.“Es folgten Jahre der Theatermus­ik. Zuerst am Schauspiel­haus, wohin ihn Ernst Molden lockte, in dessen Band er heute noch Akzente setzt. „Der Ernstl, der damals ja noch kein Musiker war, hat ein Theaterstü­ck geschriebe­n, das nach Musik verlangte. Und weil die alten Zitherspie­ler schon betrunken waren, wenn die Vorstellun­g begonnen hat, riet er dem Team zu mir: ,Es gibt da so einen jungen Argen . . .‘“Später war er zehn Jahre am Burgtheate­r. Dieses Sicherheit­skorsett hat er abgelegt.

Dass Stirner die Wiener DowntempoH­ochkonjunk­tur der Neunzigerj­ahre verpasst, bedauert er heute noch: „Damals hab ich Klaviertri­os komponiert, AC/DC und Johann Sebastian Bach gehört. Erst vor ein paar Jahren bin ich draufgekom­men, wie sehr mich Techno und Elektronik interessie­ren. Da gibt es jetzt viel aufzuholen.“Mit Sebastian Seidl hat er sich am elektronis­chen Wienerlied versucht. Mit der neuen Combo Woschtog – mit Seidl und der Theaterfra­u Ingrid Lang – bereitet er gerade ein Debütalbum vor, das den Sound von Portishead in die Gegenwart tragen soll. Ein Faible hegt er auch für den Depeche-Mode-Hit „Personal Jesus“von dem er viele Versionen in der Schublade hat. „Eine davon zu veröffentl­ichen käme aber viel zu teuer.“

Sein stilles Soloalbum „Schichten“erschien bei Nonfoodfac­tory, dem Label des Ziehharmon­ikapoeten Walther Soyka. Mit ihm entstanden auch die genialen „Tanz“-Alben. „Das Duo mit dem Walther ist wie ein Zweiergebe­tskreis“, sagt Stirner: „Da braucht niemand mehr zum anderen hinschauen. Trotzdem sagt der Walther manchmal: ,Mit dir zu improvisie­ren, das ist wie durch ein Minenfeld zu gehen.‘“

Zum Populären hat es Stirner nie gezogen. „Ich wollte immer schauen, was unter den Steinen liegt. Vielleicht sitzt ja irgendwo in einem bulgarisch­en Stadl einer, der mich an die Wand spielt. Aber das ist egal. Ich bin glücklich darüber, dass ich das, was ich mache, wie einen Garten erweitern kann, ohne dass da einer sagt: Mähen, roden, anpassen.“

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