Slowakische Staatskrise: Wählen zwischen Soros und Putin
Regierungschef Robert Fico muss abtreten. Sonst wird die Slowakei nie zu einem Rechtsstaat werden.
D ie Slowakei, in der ich zwölf Jahre gelebt habe, steckt nach der Ermordung des Journalisten Jan´ Kuciak in einer Staatskrise. Angst liegt in der Luft, viele warnen vor Gewalt. Anders als in Österreich, wo so ein Kreuzritter nirgendwo anders als an der Peripherie des Diskurses vegetieren kann, schreibe ich in der Slowakei für die Mitte der Gesellschaft. Dieser Tage wurde ich gebeten, meinen Standpunkt darzulegen. Was sollen die gläubigen Christen tun? Ich überlege fieberhaft. Meine Antwort kann ein Lehrstück über das Dilemma christlichen Engagements werden.
Es geht um das Überleben des starken Mannes der Slowakei, Regierungschef Robert Fico. Der „gefirmte Kommunist“war in zehn Regierungsjahren ein verlässlicher Partner der Kirche. Der Populist schrieb die Ehe als Bund zwischen Mann und Frau in die Verfassung, stemmte sich resolut gegen jegliche islamische Zuwanderung und stoppte die Übernahme genderideologischer Passagen der Istanbul-Konvention in slowakisches Recht. Unsere ÖVP-Familienministerin bekennt indessen: „Ich versuche auch stets bei der Sprache zu gendern.“
Der Preis für die Zusammenarbeit war hoch: Ficos oligarchisches Regime hat Hunderte Millionen Steuergeld gestohlen, Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte sind mit Komplizen durchsetzt, die Bischofskonferenz hat aber taktvoll geschwiegen. Die Kollaboration bröckelt erst jetzt, da Kuciaks letzte Reportage Fico endgültig kompromittiert: Der Premier hatte im engsten Umfeld Geschäftspartner der kalabrischen Mafia – im Staatssicherheitsrat, im Büro und im Bett.
Nun fährt der Mafia-Premier eine brandgefährliche Vorwärtsstrategie: Er beschuldigt Präsident, Opposition und Demonstranten, dass sie auf Anleitung des liberalen Finanzmagnaten George Soros einen Staatsstreich ausführten. Zwar sind der Staatspräsident und sein Redenschreiber treue Soros-Fans, doch kommt mir vor, dass Fico den Schwachsinn selbst nicht glaubt. Er kann jedoch damit rechnen, dass seine Konspiration gerade auch bei manchen Katholiken verfängt. Für sie ist Soros zu Recht ein rotes Tuch. A n dieser Stelle fällt mir auf, dass ich den Schwestern und Brüdern hinter der March fast nicht schreiben kann, ohne mich zwischen zwei Verschwörungstheorien zu entscheiden. Der Hauptunterschied der beiden besteht darin, dass die eine mehr in den Zeitungsartikeln vertreten wird, die andere mehr darunter.
Für die einen ist Putin an allem schuld, für die anderen Soros. Die Slowaken, die den lasch prorussischen Fico stürzen wollen, sind meist Gläubige der Konfession, die auch noch hinter dem Brexit und Katalonien Putin sieht. In diesem Dilemma ist die slowakische Kirchenführung keine große Hilfe. Der junge Weihbischof, der Kuciaks gleichfalls ermordete Verlobte beerdigte, forderte unzweideutig Ficos Abgang. Der Vorsitzende der Slowakischen Bischofskonferenz wiederum sandte keine Botschaft an die Regierung, bat nur die Demonstranten um Bewahren der Ruhe.
Ich selbst nehme seit Jahren an allen größeren Anti-Fico-Demos teil. Meine Ansage fällt daher eindeutig aus: Fico muss gehen, sonst wird das nie ein Rechtsstaat. Selbst wenn ein Machtwechsel in einigen Jahren den Homo-Gender-Zirkus in die Slowakei bringt, hat der Sturz dieses Regimes heute Vorrang. Auch wenn mir diese Wahl gegen den Strich geht: diesmal für Soros und gegen Putin.