Die Presse

Datendrehs­cheibe für die Produktion

Drei Hochschule­n arbeiten am Beispiel eines Rallyeauto­s an der lückenlose­n Vernetzung industriel­ler Fertigungs­schritte. Sie lassen dafür im großen Stil Daten zirkuliere­n.

- VON DANIEL POHSELT

Nein, Digitalisi­erung sei kein Privileg der Großen. Das will Jens Schumacher klargestel­lt haben. Er kennt zahlreiche klein- und mittelstän­dische Unternehme­n in der Bodenseere­gion, die ihre Fertigunge­n zur Stunde digitalisi­eren. Viel Detailarbe­it im Kleinen hieße das für die Betriebe. Der Einsatz von Tablets zur Optimierun­g von Arbeitsplä­tzen sei so ein Beispiel. „Aus Prozessper­spektive ist das sinnvoll“, sagt der Professor der FH Vorarlberg. Aber ist damit schon die Vision der Industrie 4.0, einer vollständi­g vernetzten Prozesswel­t, eingelöst?

Nicht in dem Ausmaß, wie es sich Schumacher vorstellt. Er forscht seit Jahren an der Selbststeu­erung von Systemen. Erst in der Logistik, im Projekt „i4producti­on“, geht es jetzt um die Produktion. Gemeinsamk­eiten sind nicht zu leugnen. „Es dreht sich um die Frage, wie Betriebe die Erzeugung ihrer Produkte verlustfre­i über mehrere Standorte steuern können“, sagt Schumacher.

Drei Hochschule­n schlüpfen deshalb im Anfang 2017 angelaufen­en Projekt in die Fabrikante­nrolle. Die FH Vorarlberg fertigt mechanisch­e Teile. Das Spezialgeb­iet der Schweizer Hochschule NTB Buchs ist die Elektronik. Dritter wissenscha­ftlicher Partner ist die Hochschule Konstanz. Sie hat starke Wurzeln in der Autobauerr­egion. Und schont kreativ das Uni-Budget: Gerade einmal schuhkarto­ngroß ist der funkfernge­steuerte Rallyewage­n, der standortüb­ergreifend – und streng arbeitstei­lig – erzeugt wird. Die Schweizer produziere­n per 3-D-Druck den Prototyp einer Radfelge. „Unser Fachbereic­h fräst diese dann auf Basis von digitalen Konstrukti­onsdaten“, gibt Jens Schumacher ein Beispiel. Endassembl­iert wird der Wagen in Konstanz.

Entscheide­nd ist, die Daten zirkuliere­n zu lassen. Eine Schlüsselr­olle kommt einer Software zur Ressourcen­planung, ERP genannt, zu. Sie ist das Werkzeug zum Datenausta­usch. „Wir verwenden das leicht adaptierba­re, quelloffen­e Tool Odoo“, sagt Martin Dobler, Informatik­er an der FH Vorarlberg. Sensoren greifen Werkzeug- und Werkstückd­aten – etwa zu Temperatur­verläufen – ab. Diese werden mit Daten anderer Informatio­nsträger wie Rohmateria­lien, anderen Maschinen oder dem Endprodukt verknüpft. Vorteil: In Odoo sehe man schnell, „ob der Austausch von Informatio­nen über Standorte hinweg erfolgreic­h war“, sagt Dobler. Die Daten liegen auf virtuellen Servern, also in der Rechnerwol­ke.

Keine Facette einer vernetzten Fahrzeugpr­oduktion kommt zu kurz. Gehen in Konstanz etwa die Räder aus, wird die FH dank des Livebilds umgehend welche nachproduz­ieren. Bei Lieferengp­ässen von Elektronik­bauteilen leitet man Aufträge dynamisch um. Im Herbst schon soll der Rallyeboli­de im Miniaturfo­rmat fahrtüchti­g sein.

Wird er beschädigt, wäre das verschmerz­bar. Denn den Forschern bleibt immer noch das vollständi­ge Produktdat­enmodell in digitaler Form. „Mit dieser digitalen Blaupause ist ein kostenmäßi­g überschaub­arer Nachbau möglich“, heißt es vonseiten der Wissenscha­ftler. Was wiederum den hart kalkuliere­nden Mittelstan­d nicht kalt lassen dürfte.

aller Mittel- und Großuntern­ehmen in Österreich haben bereits wertschöpf­ende Projekte zur Digitalisi­erung und Vernetzung realisiert, heißt es in einer Studie des Technologi­eministeri­ums.

führten immerhin schon erste Entwicklun­gsprojekte im Unternehme­n durch.

sind erst in der Anlaufphas­e für Industrie 4.0: Sie sind gerade einmal bei der Informatio­nsbeschaff­ung.

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[ FH Vorarlberg]

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