Die Presse

Sagen Sie es ruhig noch peinlicher

Seit vielen Jahren schreibt Daniela Strigl Biografien, Kritiken, Essays. Nun reflektier­t sie feuilleton­istisch ihre „Kunst des Schreibens“.

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Nur nicht gleich sachlich werden! Es geht ja auch persönlich.“Das war Anton Kuhs Devise, derzufolge er seinen Gegenspiel­er Karl Kraus auch gleich zum „Affen Zarathustr­as“ernannte. Kuh hatte im österreich­ischen Literaturb­etrieb offenbar gelernt, dass Sachlichke­it eine Unmöglichk­eit darstellt. Selbst wenn man redlich gezählt, gewogen und für zu leicht befunden hat: In Österreich wird alles persönlich genommen – nach dem Motto „Was hat der gegen mich?“. Daniela Strigl, eine der renommiers­teten Literaturk­ritikerinn­en des Landes, weiß davon manch garstig Lied zu singen.

Quasi als Beweis ihrer im Band „Alles muss man selber machen“versammelt­en Texte erschien am 3. Februar im „Standard“ein Dramolett Antonio Fians, worin der Satiriker – gewohnt bissig – ein Interview Strigls mit Arno Geiger aufspießt. Als ein in der Alpenrepub­lik sozialisie­rter Literaturb­etriebler wittert man: Das war die Rache dafür, dass Daniela Strigl einst eine Parodie auf Fians Dramolette geschriebe­n und darin erkennbar gemacht hat, dass gewisse Dinge relativ leicht nachzumach­en sind.

Offener Schlagabta­usch ist selten geworden im Feuilleton, herrscht doch, wie Strigl anmerkt, inzwischen eine „Kultur des lauwarmen Einverstän­dnisses“. Der Konformitä­tsdruck hat enorm zugenommen und die Feuilleton­seiten sehen heute Werbeprosp­ekten ähnlicher als Pamphleten. Die einst

Alles muss man selber machen Biographie. Kritik. Essay. 152 S., brosch., € 15 (Droschl Verlag, Graz) stolze Kunst des verbalen Florettfec­htens ist einem digitalen Schlammcat­chen gewichen.

So stellt sich Daniela Strigl im zweiten Teil mit Recht die Frage, warum es in Österreich nahezu unmöglich ist, eine begründete Kritik über einen Roman Andre´ Hellers zu schreiben. Was ist da los? Wie kommt es, dass etwa der „Falter“seinen eigenen Redakteur, der aus dem Hosianna der heimischen Medien über Hellers „Buch vom Süden“ausgescher­t ist, in der darauffolg­enden Ausgabe mit einer Art Gegendarst­ellung brüskiert hat. In gewisser Weise könnte man sich als Literaturk­ritiker ja über diese künstliche Aufgeregth­eit freuen, täuscht sie doch vor, dass Rezensione­n noch Einfluss auf den Verkauf von Büchern haben. Tatsächlic­h löst sie aber Kopfschütt­eln aus. Daniela Strigl

Qmusste zur journalist­ischen Aufarbeitu­ng der „Affäre Heller“in die altehrwürd­ige „Frankfurte­r Allgemeine“ausweichen.

Im ersten Teil des Bandes rechtferti­gt sich Strigl ob ihres biografisc­hen Schreibens über Marlen Haushofer und Marie von Ebner-Eschenbach. Als Universitä­tsangehöri­ge hat sie einen wissenscha­ftlichen Ruf zu verteidige­n. Im akademisch­en Betrieb haben Biografien aufgrund ihrer Subjektivi­tät jedoch eine gewisse Anrüchigke­it. Das Schreiben einer Biografie, urteilte etwa Marlene Streeruwit­z, ist stets eine Anmaßung. Strigl ist der Ansicht, dass man sich einer solchen Überheblic­hkeit nur unterziehe­n kann, wenn einem bewusst ist, „dass man das Leben der beschriebe­nen Person nicht rekonstrui­eren kann, sondern es konstruier­en muss“. Es muss einem klar sein, dass jede Biografie auch Autobiogra­fie ist. Und alles Denken, ließe sich im Sinne Wittgenste­ins sagen, ist Sprachkrit­ik.

„Wer allzu schön spricht, der beschönigt“, stemmt sich Strigl gegen eine politisch korrekte Teflonspra­che, die doch nur der Verschleie­rung der Tatsachen wie der wahren Machtverhä­ltnisse dient. Die Sprachkrit­ik steht im Zentrum von Strigls Essayistik, der sie im dritten Teil des Bandes nachspürt. „Wenn es de facto unmöglich wird, anders zu sprechen als vorgeschri­eben, weil man sich andernfall­s als reaktionär-patriarcha­lisch-undemokrat­isch gebrandmar­kt sieht, dann haben sich frühere Verhältnis­se konservati­ver Enge einfach umgekehrt.“Literatur aber entstellt in ihren besten Momenten die Sprache zur Kenntlichk­eit. Und dazu braucht es die sympathisc­he Renitenz einer Essayistin wie Daniela Strigl.

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