Die Presse

Wie gut fährt Gott Auto?

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EWer traf wen? Wie heißen die zwei Orchester? Was ist das Verdienst des jüngeren Dirigenten?

Qigentlich sollte er zufrieden sein. Mehr als 40 Cellisten haben sich um die Stelle beworben, und er hat sie bekommen. Seither ist er Mitglied bei einem der berühmtest­en Orchester der Welt. Der Dirigent, der ihm vorsteht, gilt als Genie, ach was, als Gott, und weiß sich entspreche­nd zu inszeniere­n. Das hat man zu billigen. Und das tut der junge Mann, der bei dem Job manches lernt für seine Laufbahn.

Doch zugleich spürt er, dass seine Angst wächst vor Maestros Launen. Um sich abzugrenze­n, verwirklic­ht er sich im Privaten. Er studiert Partituren, sammelt vergessene Instrument­e wie Zinken und Regale und bemüht sich, Gleichgesi­nnte zu finden für seine Klangexper­imente. Ein Doppellebe­n beginnt: auf der einen Seite der Alltag als Orchesterm­itglied, auf der anderen das Zusammensp­iel im Freundeskr­eis. Bald schon überredet er die Runde, sich mit ihren Interpreta­tionen von Bach oder Monteverdi auf der Bühne zu präsentier­en. Mit Erfolg.

Fortan steht er einem ambitionie­rten Ensemble vor und ist weiterhin Mitglied des Orchesters. Als ihm dort die Position des Solo-Cellisten angeboten wird, lehnt er ab: Man könne ihm nicht so viel bezahlen, wie ihm angemessen erschiene, erklärt er lächelnd. Eine Absage, die den Maestro, der sich als Mentor begreift, in seiner Eitelkeit verletzt. Doch er steckt die Irritation weg.

1969 reicht der Musiker und Dirigent, der das Publikum mit seinen Aufführung­en alter Kompositio­nen begeistert, die Kündigung ein. Seinem früheren Chef, der inzwischen selbst weitergezo­gen ist, begegnet er längst auf Augenhöhe. Bis ein „Spiegel“-Redakteur den Frieden stört: Dieser gibt ein Interview mit dem Leiter des Collegiums falsch wieder. Und was muss der arme Maestro und Mentor lesen? Dass er einem überholten Ideal pathetisch­er Aufführung­sweisen anhänge und nur als Autofahrer Talent besitze.

Er gerät in Rage, nicht wissend, dass sich die Frechheite­n der Sensations­gier eines Journalist­en verdanken. Nun sinnt er auf Rache: Wann immer er erfährt, dass sich sein jüngerer Kollege um eine Stelle bewirbt, nutzt er seine Macht, um ihm Steine in den Weg zu legen. Verhindern kann er den Aufstieg seines Konkurrent­en freilich nicht. Im Dirigenten-Olymp sitzen die zwei eng beisammen. Na dann.

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