Die Presse

In der Ruhe liegt die Überzeugun­gskraft

Südtirol. Das Sarntal war nie touristisc­h überlaufen, ist aber gastronomi­sch hoch entwickelt und von Bozen aus schnell erreicht. Man wandert zwischen Latschen, wundert sich über rätselhaft­e Steingebil­de und badet wie vor hundert Jahren.

- VON MADELEINE NAPETSCHNI­G

Die Welt macht es den Sarnern nicht ganz so leicht wie anderen Südtiroler­n, scheint es. Der eigenständ­ige Dialekt, angereiche­rt mit einigen aaas und einem Hauch langsamere­n Sprechtemp­os mach(t)en sie zum beliebten Objekt von Witzen, ein bisschen so wie unsere Burgenländ­er, damals. Auch die Lage in der Mitte des Landes half der Destinatio­n paradoxerw­eise weniger auf die Sprünge als anderen ihr weit abgelegene­res Setting inmitten der Dolomiten. Und die Straße vom nahen Bozen durch die Schlucht herauf in das schöne Tal wand sich lange, bis zum heutigen Ausbau, in schmalere, riskant zu schneidend­e Kurven, sodass sich die Sarner oder der Gast, war er einmal gelandet, schon gut überlegte, ob er wegen einer Kleinigkei­t noch einmal ins Auto steigt und die vielen Kurven wieder aus dem Tal hinausfähr­t.

So eine vermeintli­che Benachteil­igung hat umgekehrt seine größeren Vorteile, und schließlic­h reift man an seinen Prüfungen: Die Phasen, in denen manches Alpental von hinten bis vorn und weit hinauf zugebaut und verdichtet worden ist, hat diese Gegend einfach ausgesetzt und sich erst dann in eine umfangreic­here touristisc­he Erschließu­ng eingeklink­t, als man das Feld des Bauens in Südtirol nicht mehr dem schnöden Folklorism­us überließ. Sprich: Die nicht allzu vielen Häuser im Sarntal sind ansehnlich. Sarnthein, der Hauptort zeigt sich als eine kompakte, lebendige Gemeinde mit schönen alten Häusern. Dort und da stehen im langen Tal und seinem Abzweiger, dem Durnholzer­tal, sorgfältig zusammenge­halten alte Bauernhäus­er. Die allermeist­en werden noch als solche bewirtscha­ftet, weil es sich eben ausgeht mit den Tätigkeite­n als Bauer, Zimmerverm­ieter und etwas anderem Zuverdiens­t. Und vor allem, weil in Süd- tirol kein Bauernhof zu hoch liegt, als dass nicht längst eine Straße und Infrastruk­tur erreicht hätte. Hat zur Folge, dass manche Siedlungen, etwa Reinswald, Haus an Haus auf einer Höhenkante sitzen.

Hat aber auch zur Folge, dass sich Gastronome­n am Berg etwas trauen, was mancher anderswo im Tal nicht wagt. Personen wie Heinrich und Gisela Schneider, Bruder und Schwester, die den Betrieb ihrer Eltern in eine ganz neue Richtung ausgebaut haben. Sie betreiben den Auener Hof auf über 1600 Metern Höhe. Zwei Michelin Sterne locken weit gereiste Gäste auf den Berg hinauf, gefühlte 50 Kehren, die sich über den Alchemismu­s von Heinrich Schneider freuen, Druide nennen sie ihn, weil der Koch Tiefenkenn­tnis von Pilzen, Flechten und Moosen besitzt.

Das Restaurant „Terra“im Auenerhof ist nicht der einzige hochdekori­erte Betrieb im Sarntal: Einen Stern trägt das „Alpes“im Bad Schörgau. Ebenso ein Ort, an dem – von Egon Heiss – vor allem verarbeite­t wird, was die Region hergibt. Darunter das bekanntest­e Naturprodu­kt, die Sarner Latsche. Freilich kommt der auf 2000 Metern wachsende, niedrige Baum nicht in Rohform auf den Tisch, sondern als Öl der Destillat. Bad Schörgau überhaupt ist ein speziell

„Terra“im Auener Hof: zwei Michelin Sterne in ungewöhnli­cher Lage. In dem modernen Bau befinden sich auch coole Zimmer und Suiten. Mitglied bei Relais & Chateaux, https://terra.place/de/ „Alpes“in Bad Schörgau, ein Michelin Stern. Der Ort ist inspiriere­nd, ein altes Bad, erweitert um einen kleinen-feinen Hotelbetri­eb, Outdoorsau­na und ein originell ausgebaute­s altes Haus für Veranstalt­ungen. Großer idyllische­r Garten. www.bad-schoergau.com

www.suedtirol.info anregender Ort im Sarntal: Lange existierte dort ein Bauernbadl. Diese Tradition hat Familie Wenter wiederaufg­enommen und im Betrieb integriert. Stück für Stück entstand in der Idylle durch geschickte Sanierung und Upcycling, neue Architektu­r und die Handschrif­t von Gregor Wenter ein inspiriert­er Treffpunkt für Gäste, die offen sind für den Geist eines Ortes.

Rätselhaft hingegen mutet dieser Geist in der Höhe an, bei den Stoanernen Mandln, unzähligen aufgeschic­hteten Steintürme­n auf der Hohen Reisch. Angeblich sollen im Mittelalte­r hier Hexen zusammenge­troffen sein, ein fatales Gerücht für die urkundlich bekannte „Pacher Zottl“. Steht man heute da droben, sieht man den Bogen, den die Sarntaler Alpen bilden. Und denkt man ihn weiter, geht’s über einen Pass erst wieder hinaus – das steile Penser Joch. Insofern ist da hinten wirklich Sarntalsch­luss.

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