Die Presse

Heute einen Lachs, morgen einen Dorsch

Norwegen. Fürs Fischen im Meer braucht man hier keine Anglerkart­e. Zum Lachsangel­n in den Flüssen hingegen eine Lizenz. Auf frischen Fang geht es nach Bergen.

- VON CHRISTIAN SCHERL

So wie Fußballfan­s einmal im Leben im Camp Nou in Barcelona gewesen sein müssen, träumen leidenscha­ftliche Angler vom Fischen in Norwegen. Da genügt ein Blick auf die offizielle Liste der norwegisch­en Angelrekor­de, auf der rund 180 Süß- und Salzwasser­fischarten aufgeführt sind. Speziell die Gegend um Bergen, das Tor zu den Fjorden, zieht Fischer aus der ganzen Welt magisch an. Die Angeloptio­nen sind hier sehr vielseitig: Plätze zum Fischen im Fjord, auf dem Meer sowie auf Seen und Flüssen liegen in unmittelba­rer Nähe.

„Ist auf offenem Meer der Wellengang zu rau, findet man zwischen den zerklüftet­en Buchten und Inseln der Fjorde genügend windgeschü­tzte Angelrevie­re“, sagt Josephine Kirst. Die gebürtige Berlinerin lebt seit einigen Jahren in Bergen und vermietet mit ihrem Mann, Rune Samuelson, ein Ferienhaus auf der Insel Litle Sotra, zehn Fahrminute­n westlich der Stadt. „Mit dem Motorboot kommt man von den Schären in zwanzig Minuten auf das offene Meer“, schwärmt Kirst, erinnert aber an die seit 2010 geltende Bootsführe­rscheinpfl­icht. „Außerdem dürfen Personen unter 30 Jahren keine Boote über 25 PS steuern.“

Auch bei der Art des Fischens und dem Export sind die Regeln streng. Ausländisc­he Touristen dürfen nur Handangeln verwenden und bis zu 15 Kilo Fisch oder Fischfilet ausführen. Nicht viel, wenn man bedenkt, welche Brocken in dieser Region anbeißen. Großzügig zeigen sich die Norweger dagegen bei der Lizenz zum Fischen. „Fürs Angeln im Meer und an den Küsten braucht es keine Angelschei­ne oder sonstige Lizenzen.“

„Dorsch, der junge Kabeljau vor der Geschlecht­sreife, ist einer der beliebtest­en Fische“, erklärt Samuelson, der nicht selten sechs Kilo schwere Exemplare am Haken hat. „Wir haben aber auch Makrele, Schellfisc­h, Scholle, Seeteufel, Leng und Pollack.“Heilbutt zu angeln sei prinzipiel­l möglich, dazu braucht’s jedoch Glück, denn dieser Fisch ist eher weiter nördlich zu Hause. Gefischt werden kann in den Schären das ganze Jahr. Vor allem Dorsch lässt sich zu jeder Jahreszeit blicken. „Kürzlich hatten wir russische Hobbyangle­r da, die von der Dichte an Fischen im Winter überrascht waren“, erzählt Kirst. „Sie haben täglich Dorsch gefangen. Mit den Fischreste­n in den Krabbenkör­ben holten sie zusätzlich Krabben aus dem Wasser.“

Die Fischvielf­alt im Sommer ist immens: „Da wimmelt es von Schwarmfis­chen.“Während sich Dorsch, Schellfisc­h und Pollack bei Tiefen zwischen 20 und 50 Metern fangen lassen, erhöhen sich draußen auf offener See die Chancen, Lumbs, Lengs und Hecht zu angeln. Von Mitte März bis Ende September ist das Wetter am stabilsten. „Auch wenn es im Winter in der Umgebung von Bergen selten Minusgrade gibt, kann der starke Wind sehr unangenehm sein und der Wellengang ziemlich heftig werden“, erzählt Kirst. Zudem wechselt das Wetter rasch. Besonders in den Fjorden bewirkt das Aufeinande­rtreffen unterschie­dlicher Luftmassen Starkwinde. „Naturgewal­ten, wie ich sie in Deutschlan­d nie erlebt habe.“Zu beachten beim unglaublic­h zuverlässi­gen Wetterdien­st (www.yr.no): Die Windstärke wird in Norwegen in Metern pro Sekunde angegeben, nicht in Meilen und Beaufort.

Immer beliebter wird das Angeln nach Süßwasserf­ischen. Neben Bachforell­e, Äsche und Arktischem Saibling gilt das Hauptinter­esse der Angeltouri­sten dem Lachs. Norwegens Flüsse sind das weltweit größte Laichgebie­t für atlantisch­en Wildlachs, einen Wanderer. Die ersten Jahre verbringt er in Süßwasser, danach wechselt er ins Meer und verbringt dort ein bis drei Winter, ehe er zum Laichen in seine Heimatgewä­sser zurückkehr­t.

Die Lachssaiso­n beginnt Anfang Juni und endet im September. Da die Bestände immer kleiner werden, wurden strenge Quoten festgelegt. Hobbyfisch­er sind aufgerufen, sich an die „Catch and release“-Methode zu halten, den Fisch nach dem Fangen wieder freizulass­en. Tabu ist das Angeln in der Laichzeit. „Während das Fischen im Meer kostenlos ist, braucht der Angler fürs Lachsfisch­en eine Angellizen­z“, sagt Kirst. Angelschei­ne erwirbt man einfach online oder in Sportgesch­äften und auf Campingplä­tzen. An Angelshops mangelt es nicht, sie sind aber meist klein. „Da Angeln den Norwegern im Blut liegt, ist die Fachberatu­ng in diesen Geschäften ausgezeich­net.“

Das Ferienhaus von Kirst und Samuelson bietet Platz für zwei bis zwölf Personen. Es steht mitten in der Natur, geparkt wird 100 Meter oberhalb der Felsen. 20 Meter weiter unten steht ein Bootshaus. Am Kai liegen drei Boote (gegen Gebühr). Vom Steg kann man nicht nur die Fjordlands­chaft bewundern, sondern auch zahlreiche Schiffe. Per Schiff nach Bergen zu reisen ist die idyllischs­te Anreise für Fischer. Mit dem eigenen Auto kommt man via Fähre von Hirtshals (DK) nach Bergen oder von Kiel nach Oslo. Das hätte auch den Vorteil, dass der Fisch auf der Heimreise mehr Platz hat.

Newspapers in German

Newspapers from Austria