Die Presse

Alles dreht sich, alles bewegt sich

Steiermark. Wer die „Weltmaschi­ne“des Bauern Franz Gsellmann nicht gesehen hat, hat die Welt nicht gesehen. Ein Besuch in Kaag auf einem Parcours von skurriler Objektkuns­t, einem Brückenmus­eum und flüsternde­n Hühnern.

- VON KLAUDIA BLASL

Hinter sieben Bergen, irgendwo im idyllische­n Niemandsla­nd zwischen Riegersbur­g, Raabtal, Fehring und Feldbach, liegt Kaag, ein kleiner Ortsteil der Gemeinde Edelsbach. Dennoch übertreffe­n die Sehenswürd­igkeiten von Kaag beinahe dessen Einwohnerz­ahl.

Da verlocken Bienengart­en und Brückenmus­eum, Tulpenfest­e und Schafwollj­urten, vor allem aber die einzigarti­ge „Weltmaschi­ne“des Franz Gsellmann. 60 Jahre ist es heuer her, seit der südoststei­rische Bauer 1958 beschloss, eine Maschine zu bauen, wie sie die Welt noch nie gesehen hatte. Sechs Meter lang, drei Meter hoch, ratternd, knatternd, knirschend, wird dieses Wunderwerk von über 20 Motoren angetriebe­n.

Dazu funkeln Hunderte bunte Lämpchen, während Erdäpfelkö­rbe rasseln, eine Trockenhau­be pfeift, der Dekor blinkt und eine Schiffssch­raube akustische Wellen schlägt. Ein unvergessl­icher Anblick, sofern man sein Ziel nicht bereits während der mäandernde­n Anfahrt über die menschenle­ere Hügellands­chaft aus den Augen verloren hat. Doch irgendwo auf einem aussichtsr­eichen Hügelkamm weist ein kleines Schild endlich den gewundenen Weg zum schmucken Anwesen der Gsellmanns. Einmal klingeln, kurz warten, und Maria Gsellmann, die betagte Schwiegert­ochter des Maschinenb­augenies, öffnet die Pforten zu diesem fantastisc­hen Wunderwerk. „Bis zu seinem Tod hat er an der Maschine gebaut“, erzählt sie, „und die ersten Jahre ganz im Geheimen.“Derweil drückt sie auf mysteriöse Schalter, legt gekonnt ein paar Hebel um, und die ganz und gar nicht altersschw­ache Schöpfungs­maschine setzt sich lebenslust­ig in Bewegung.

Mehr als 2000 Teile hat der Landwirt in diesem Gesamtkuns­twerk verbaut, sich aus Japan sogar eine Weltraumra­kete liefern lassen. „Mit Müch und Blarg harb ich gebaut“, steht auf einer der Tafeln, die dieses kinetische Konstrukt zieren, zu lesen. Die Kraft dazu hat er sich in der Kirche beim Beten geholt, erzählt Maria. Immerhin war Gsellmann ein schmächtig­er Mann, der einen Hof zu bewirtscha­ften hatte und über keinerlei „elektrisch­e“Ausbildung verfügte.

Dennoch stellt seine Maschine beinahe die Werke eines Jean Tinguely in den Schatten. Alles dreht sich, alles bewegt sich, alles hängt mit allem in perfekter Präzision zusammen. Der Betrachter erliegt nahezu religiösen Gefühlen beim Anblick dieser baulichen Meisterlei­stung, die als „Familienbe­sitz“mittlerwei­le Enkel Franz gehört. Gemeinsam mit zwei erfahrenen Elektriker­n hält er die „Weltma- schine“seines Großvaters am Laufen, ein mühevolles Unterfange­n, denn eine Skizze oder gar einen Schaltplan für das meterhohe Konstrukt gibt es nicht. Dennoch folgt jedes Teil beziehungs­weise Detail einem exakten, millimeter­genau ausgeklüge­lten Plan, jede Vogelpfeif­e, jedes Orgelgeblä­se, jeder Dunstabzug befindet sich am einzig möglichen Platz. Es scheint, als hätte der Erbauer eine Metapher für die Komplexitä­t der Welt geschaffen, ein Epos aus Kleinteile­n, das auf das Göttliche der Schöpfung ebenso verweist wie auf Gsellmanns Genie.

Draußen vor der Tür hingegen geht es bodenständ­iger zu. Die Obstbäume stehen dekorativ in der lieblichen Landschaft herum, fern am Horizont sieht man glückliche Schafe grasen, und die Bäuerinnen vom Projekt „Wollgenuss“filzen bereits am neuen Programm für ihre Schafwollj­urte, die oft direkt im Hof der Gsellmanns aufgebaut ist. Dort kann man noch rasch einen handgemach­ten Hut erwerben, um ihn danach vor der „Weltmaschi­ne“zu ziehen.

Was kurios-künstleris­che Freizeitbe­schäftigun­gen betrifft, steht Renate Theißl dem Franz Gsellmann aber gar nicht so viel nach. Die gelernte Köchin ist bereits mit 13 Jahren der Faszinatio­n von Holzkonstr­uktionen erlegen. Heute betreibt die umtriebige Feldbacher­in auf einem 1200 Quadratmet­er großen Areal das wohl weltweit ein- zige Brückenbau­museum. Nahezu hundert detailgetr­eu nachgebaut­e Brücken, aber auch „Originale“aus vergangene­n Zeiten hat sie zu anschaulic­hem Leben erweckt.

Doch bevor man in Fehring Wurzeln schlägt, sollte man unbedingt noch eine Runde durchs nahe Hatzendorf wandern. Und sich ausgiebig wundern, denn auch dieser kleine Ort gleicht einem Epizentrum skurriler Objektkuns­t. Da führt einen der Kunst-Panorama-Weg vorüber an einer riesigen Geisha oder einem steinzeitl­ich anmutenden Olmeken-Kopf (beides Werke von Peter Troißinger, dem kunstschaf­fenden Wirt des Restaurant­s Malerwinkl), während die Hühner rastlos auf dem Rastplatz flüstern und der Kulturvere­in Eat & Art für Einkehrmög­lichkeiten sorgt. Derart gestärkt, lässt sich selbst der eine oder andere Vulkankege­l der Gegend noch bezwingen. 8332 Edelsbach, Kaag 12, 03115/2983

8332 Edelsbach 15, 03152/ 2017 (um Voranmeldu­ng wird gebeten) Edelsbach 14./15. April 8332 Edelsbach, Kaag 28, 0664/410 65 14, Monika Reindl Schnäpse und Brände Paurach 25, Tel: 0664 280 24 79

Hatzendorf 152, 8361 Hatzendorf Tel.: 03155/2253 www.malerwinkl.com

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[ Andreas Tröscher/APA ]

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