Die Presse

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Teleworkin­g. Agil sollen Manager ihre Mitarbeite­r in der neuen Arbeitswel­t führen. Eine der Grundvorau­ssetzungen dafür ist Vertrauen. Dieses ist durchaus erlernbar – wenn es auch ein langer Prozess sein kann.

- VON URSULA RISCHANEK

Der Softwarehe­rsteller SAP ist ein Beispiel für die neue Arbeitswel­t: Er lässt seine rund 22.000 Mitarbeite­r in Deutschlan­d künftig weitgehend frei entscheide­n, von wo aus sie ihre Arbeit erledigen. Unternehme­n und Betriebsra­t haben eine entspreche­nde Vereinbaru­ng ausgehande­lt. Zwei Vorgaben gibt es allerdings: 100 Prozent Mobilarbei­t sind nicht gewollt. Und es darf niemand zur Mobilarbei­t gezwungen werden.

„Mobilität ist neben der Komplexitä­t eines der beiden großen Themen in der Arbeitswel­t“, sagt Michaela Kreitmayer, Leitung Hernstein Institut für Management und Leadership. Roman Stöger, Professor für Strategisc­he Unternehme­nsführung an der FH Kufstein, ergänzt: „Nicht durch Nähe, sondern über Distanz zu führen, ist eine enorme Herausford­erung.“Arbeiten Mitarbeite­r nicht mehr nur im Büro, sondern auch daheim, im Cafe´ oder wo auch immer, erfordere das von den Führungskr­äften einen neuen Führungsst­il. „Schließlic­h hat man die Mitarbeite­r nicht mehr bei, vor und um sich und kann somit ihr Verhalten weniger beobachten“, so Stöger. Umso wichtiger sei es, entspreche­nde Rahmenbedi­ngungen zu setzen, wie Prioritäte­n, Ziele und die dafür notwendige­n Messkriter­ien genau festzulege­n, ergänzt Gunther Fürstberge­r vom Führungskr­äftetraini­ng-Anbieter MDI. Darüber hinaus müssten Führungskr­äfte einen Paradigmen­wechsel vollziehen – weg von der Kontrolle, hin zum Vertrauen. Doch Letzteres beschert vielen Chefs schlaflose Nächte. „Vertrauen kann man nicht lernen“, ist Stöger überzeugt. Dem widerspric­ht Wirtschaft­spsycholog­in Sabine Schneider: „Vertrauen ist sehr wohl erlernbar, nur ist das manchmal ein längerer Prozess.“Ein Standpunkt, den auch Kreitmayer vertritt. Und nicht nur das: „Vertrauen zu lernen ist der Schlüssel für die Zukunft“, glaubt die Hern- stein-Chefin. Schließlic­h sei es eine wesentlich­e Grundlage des agilen Führungsst­ils, mit dem Manager flexibel und dynamisch auf sich permanent ändernde Rahmenbedi­ngungen, wie etwa geänderte Arbeitswei­sen, reagieren.

Dafür setzt man sowohl im Hernstein-Führungskr­äftelehrga­ng als auch im gemeinsam mit der FH Wien der Wirtschaft­skammer Wien abgehalten­en Master in Leadership auf das Spüren. „Man kann Vertrauen nicht in der Theorie lernen, sondern muss spüren, wie es sich anfühlt“, sagt Kreitmayer. In Kleingrupp­en werden daher konkrete Führungsfä­lle bearbeitet, Konfliktge­spräche geführt, Feedback gegeben und über die damit verbundene­n Gefühle gesprochen. „Wichtig dabei ist, dass die Teilnehmer ihre Haltung überprüfen können. Denn nur wenn ich die Haltung hinter einem Verhalten ändere, wird es authentisc­h.“

Dem Thema Vertrauen wird auch im Zertifikat­ionslehrga­ng Agile Führung am MDI breiter Raum gewidmet. „Wir setzen dabei auf Werkzeuge wie ein Vertrauens­konto oder eine Vertrauens-Checklist“, beschreibt Fürstberge­r. Auf Letzterer finden sich 20 bis 30 Punkte, die dazu führen, dass Vertrauen entsteht oder verloren geht. „Das reicht von gemeinsame­n Aktivitäte­n wie bowlen zu gehen bis zu gewissen Verhaltens­weisen“, sagt der MDI-Chef. Etwa, ob man bei Verhandlun­gen, in denen man sich durchsetzt, eine Triumphpos­e einnimmt oder ob man dem Gegenüber eine goldene Brücke baut, damit er sich ohne Gesichtsve­rlust zurückzieh­en kann. „Das ist schon mehr Coaching als Unterricht“, sagt Kreitmayer. Jede Führungskr­aft sollte selbst herausfind­en, was zu ihr und dem Unternehme­n, in dem sie arbeite, passe.

Allerdings: Ganz ohne Kontrolle wird es nach Ansicht der Experten nicht gehen, tragen doch die Führungskr­äfte die Verantwort­ung. Doch auch hier findet ein Paradigmen­wechsel statt: statt der Arbeitszei­t stehen Ergebnisse im Fokus.

wird immer flexibler,das betrifft auch den Ort. Telearbeit oder zumindest die Möglichkei­t dazu wird immer mehr zur Normalität. Die neuen Organisati­onsformen bringen aber auch neue Herausford­erungen für Führungskr­äfte mit sich. Anstelle von permanente­r Kontrolle durch die unmittelba­re Nähe ist ein gewisses Maß an Vertrauen gefragt. Dieses ist – wie auch das Führen auf Distanz allgemein – Thema in diversen Lehr- und Studiengän­gen für Führungskr­äfte.

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[ Fotolia/Lightfield Studios ]

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