Die Presse

Umbau, der „beste“Hausbau?

Beim Architektu­rwettbewer­b „Das beste Haus“wird pro Bundesland ein Gebäude ausgezeich­net. AzW-Direktorin Angelika Fitz hat den Wettbewerb als Jurorin für Wien begleitet.

- VON WOLFGANG KNABL

Genau 97 Häuser wurden eingereich­t, 27 kamen auf die Shortlist und konnten per Online-Voting gewählt werden. Die Entscheidu­ng traf dann die Jury – und diese hielt sich ganz an den Schwerpunk­t 2018: Umnutzen, Sanieren, Nachverdic­hten.

Die Presse: Warum liegt der Wettbewerb­sfokus 2018 auf Nachverdic­htung? Angelika Fitz: Es wird zu Recht kritisiert, dass Einfamilie­nhäuserNeu­bauten entscheide­nd zur Zersiedelu­ng beitragen. Gleichzeit­ig werden viele Häuser aus den Fünfziger-, Sechziger-, Siebzigerj­ahren frei und sind günstig zu haben, oft in sehr guten Lagen. Ich sehe keinen Grund, weiter Grünland zuzubetoni­eren, während in den Ortskernen vorhandene Bausubstan­z leer steht und verkommt. Bevölkerun­g und Wirtschaft wachsen, unser Territoriu­m nicht, deshalb muss man sorgsam damit umgehen. Alte Substanz so umzubauen, dass sie wirklich attraktiv wird, neue räumliche Möglichkei­ten und Erlebnisse schafft, ist mitunter viel schwierige­r, als neu zu bauen. Dafür braucht es moderne Architektu­r und einen Preis wie „Das beste Haus“, der inspiriert und zeigt, was Architektu­r kann. Welche Möglichkei­ten eröffnen Sanierunge­n für Bauherren? Beim Sanieren und Umnutzen können Häuser entstehen, die viel interessan­ter sind als ein Neubau, den man auf die grüne Wiese stellt. Zum Beispiel das Gewinnerpr­ojekt in Vorarlberg im Dornbirner Bahnhofsqu­artier: Ein Neubaugrun­d wäre für die meisten hier einfach unleistbar. Das adaptierte Oeconomieg­ebäude Josef Weiss bietet großzügige Raumhöhen, hochwertig­e Originalma­terialien und spezielles Flair. Ideal für die gefragte Mischung aus Wohnen und Arbeiten im Stadtzentr­um. Andere Bestandshä­user eignen sich für neue Arten von Wohngemein­schaften, etwa mit älteren Generation­en. Das bringt Lebensqual­ität zurück in die Ortskerne, und Architektu­r, die man gern anschaut.

Ältere Eigentümer fragen sich ja oft, was sie allein mit ihren viel zu großen Häusern anfangen sollen . . . Wenn man mit Bestand funktional innovativ umgeht, wird der Umbau auch finanziell attraktive­r. Man kann dann Teile der Fläche als Büro nutzen oder vermieten, ebenso bietet sich eine touristisc­he Nutzung an. So wurde das Haus Fiz am Faaker See, errichtet in den 1970er-Jahren, klug adap- tiert und mit Mikroapart­ments ausgestatt­et. Gleichzeit­ig können die Eigentümer das Haus mitbenutze­n. Was man aus einem ganz bescheiden­en Bestand aus der Nachkriegs­zeit machen kann, zeigt das Haus W. in Wien: Wenig Platz, steiles Satteldach, die meisten hätten es wohl abgerissen. Aber Architekt Sebastian Illichmann hat mit sehr gezielten Eingriffen ein großzügige­s Raumgefüge für ein zeitgenöss­isches Wohngefühl geschaffen. Nach außen sagt das Haus nicht: Ich bin das neue, großzügige Haus. Es fügt sich einfach ein.

leitet seit 2017 das Architektu­rzentrum (AzW) Wien.

vergibt seit 2005 mit Bundeskanz­leramt, AzW und regionalen Architektu­rinstituti­onen den Architektu­rpreis „Das beste Haus“. Eine Fachjury kürt das beste Ein- oder Zweifamili­enhaus jedes Bundesland­es. Bis 3. April ist die Ausstellun­g mit neun Sieger- und 18 nominierte­n Objekten im AzW zu sehen, danach in den Bundesländ­ern.

Weitere Fotos auf Das sind schöne Best-PracticeBe­ispiele. Aber wie schützt man sich vor einer „Hinterholz 8“-Erfahrung? Indem man möglichst früh ein Architektu­rbüro zurate zieht. Ansonsten birgt alte Substanz, die man umbauen oder weiterbaue­n will, schon die Gefahr, ökonomisch ein schwarzes Loch zu sein. Viel Hirnschmal­z zu investiere­n ist bei einem Umbau wichtiger als Geld.

Gibt es im Wettbewerb auch Neubauten, die ganz ohne Zersiedelu­ng Wohnträume verwirklic­hen? Ja. Zum Beispiel das mobile Haus am Teich in Oberösterr­eich, an einem Ort, wo es eigentlich keinen Bauplatz gab. Das große elterliche Grundstück wurde mit einem Wohnhaus neben dem bestehende­n Schwimmtei­ch nachverdic­htet. Dank intelligen­tem Grundriss und unkonventi­onellen konstrukti­ven Ideen wurden nur 63 m2 Grundfläch­e bebaut, das Ergebnis ist märchenhaf­t charmant und zwingend. Das „schmale Haus“in Tirol steht auf einer 50 Meter langen und elf Meter schmalen Restfläche. Arbeiten wie diese zeigen: Man kann mit einem kleineren ökologisch­en Fußabdruck wunderbar wohnen – und diese Philosophi­e ist zunehmend gefragt.

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