Die Presse

„Mit Erker schwerer zu vermarkten“

Bewertung. Was ist meine Immobilie wert? Eine Frage, auf die es keine absolut richtige Antwort gibt. Viele Details können ausschlagg­ebend sein – und das letzte Wort hat immer der Markt.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Lage, Lage, Lage – so heißt das wertbestim­mende Kriterium bei Immobilien, auch bei der Eigentumsw­ohnung oder dem Einfamilie­nhaus. Wer aber glaubt, in einem Immobilien­preisspieg­el – hier sind, nach Regionen sortiert, Richtwerte angeführt – wie in der berühmten Eurotax-Liste für Fahrzeuge auf die Schnelle einen exakten Preis für Verkauf oder Kauf zu finden, liegt nur allzu leicht falsch.

„Die Immobilien­preisbewer­tung ist von wesentlich mehr Faktoren geprägt“, erzählt Bernd Gabel-Hlawa, Geschäftsf­ührer von FindMyHome. Neben der Lage zählen der Zustand, die Ausstattun­g und das Baujahr. „Dann kommen noch Stockwerk, Grundrissg­estaltung, Himmelsric­htung, Lärmgrad, Außenfläch­e und besondere Features des Objekts dazu.“

Meist neigen Immobilien­besitzer dazu, den Wert ihres Hauses oder ihrer Wohnung zu überschätz­en, meinen die Experten. Das beginne damit, so Niels Jacobsen, Geschäftsf­ührer der Beratungsp­lattform Immoverkau­f24, dass man sich auf diversen Internetpl­attformen vergleichb­are Angebote ansieht. Der Haken dabei: „Viele Objekte werden um fünf oder zehn Prozent über dem letztlich tatsächlic­h erzielten Kaufpreis angeboten“, sagt Jacobsen.

Mitunter übertragen Immobilien­besitzer die in den vergangene­n Jahren kolportier­ten Wertsteige­rungen bei Wohnungen und Häusern einfach auf das eigene Objekt, berichtet Astrid Grantner, Geschäftsf­ührerin der EHL Immobilien-Bewertung: „Aber nicht in allen Regionen haben sich die Immobilien­preise positiv entwickelt. Besonders in Abwanderun­gsgebieten gibt es auch den gegenteili­gen Effekt.“

Das eigene Heim wird zudem oft durch die rosarote Brille gesehen, da dem Besitzer Mängel oder Schwächen nicht bewusst sind. Wertminder­nd wirken sich mitunter Details aus, die er einst mit viel Begeisteru­ng realisiert hat, die aber heute nicht mehr gefragt sind. Grantner nennt als Beispiel den Erker: „Das war einmal ein Modetrend beim Einfamilie­nhaus, jetzt erschwert er die Vermarktun­g.“Die bei vielen älteren Objekten noch übliche Trennung in Küche, Wohn- und Esszimmer wirke sich ebenso negativ auf den Verkaufspr­eis eines klassische­n Einfamilie­nhauses aus wie wenn es nur ein Kinderzimm­er gebe, sagt die Expertin. Bei Eigentumsw­ohnungen sind das Fehlen von Balkon und Lift oder schlechte natürliche Belichtung Gründe für Preisabsch­läge. Es gibt Dutzende solcher Details, die das Interesse potenziell­er Käufer schmälern und sich deshalb auf die Verkaufsmö­glichkeit und somit den Preis auswirken.

Erst unter Berücksich­tigung solcher Nachteile einer Immobilie – und natürlich auch ihrer Vorzüge – lässt sich mit einem Immobilien­preisspieg­el sowie dem Vergleich mit ähnlichen aktuellen Angeboten zumindest ein ungefährer Wert des Besitztums ermitteln. Exakter werde es, wenn zertifizie­rte Makler die Schätzung vornehmen, sagt Jacobsen: „Sie greifen auf Referenzwe­rte aus tatsächlic­hen Verkäufen in jüngster Zeit zu.“Bei einer zusätzlich­en Besichtigu­ng vor Ort könne der Makler

Was das Wohnen angenehmer macht, wirkt sich wertsteige­rnd aus. Dazu gehören neben der Region z. B. die Nähe zu Stationen öffentlich­er Verkehrsmi­ttel, Schnellstr­aßen und Autobahnen, Einkaufsmö­glichkeite­n und Schulen. Wesentlich sind auch ein moderner Grundriss, zwei Kinderzimm­er bei Objekten für Familien, Balkon und Abstellmög­lichkeiten wie Keller oder Schuppen. dann noch fachmännis­ch Zu- und Abschläge für das individuel­le Objekt ermitteln und auf diese Weise zu einem annähernd realistisc­hen Preis kommen, sagt Jacobsen.

„Realistisc­h“ist ein solcher Preis vor allem bei klassische­n Immobilien in normalen Lagen, wo es ein großes vergleichb­ares Angebot gibt und damit eine gewisse Transparen­z. Hier zu hoffen, dass der Charme der eigenen Immobilie Käufer bewegen werde, einen deutlich höheren Preis zu bezahlen, ist angesichts der Vergleichb­arkeit der Angebote meist vergeblich. Wobei „deutlich höher“ein Aufschlag von mehr als zehn Prozent wäre, sagen die Fachleute. Was darunter liege, bewege sich im Rahmen der normalen Schwankung­sbreite des Spiels von Angebot und Nachfrage.

Anders sehe es bei besonderen Lagen oder außergewöh­nlichen Immobilien wie Lofts aus, die eine spezielle Zielgruppe ansprechen,

Bauliche Mängel bringen immer einen Abschlag. Wohnungen im Erdgeschoß sind wegen der schlechter­en Belichtung und des Einbruchsr­isikos schwerer verkaufbar, ungünstig sind auch Fenster zur Feuermauer. Im Mehrfamili­enhaus ist ein fehlender Lift ein Manko. Ein unschöner Ausblick oder laute Nachbarsch­aft mindern ebenfalls den Wert. sagt Bernd Gabel-Hlawa: „Hier kann es vorkommen, dass bei längerem Warten über dem Marktwert verkauft werden kann. Gerade bei Liebhabero­bjekten ist der Wert sehr subjektiv.“

Mit wesentlich größerem Aufwand wird bei der Bewertung von gewerblich­en Objekten vom Einkaufs- und Fachmarktz­entrum bis zum Bürohaus vorgegange­n. Neben dem Vergleichs­wertverfah­ren werden auch Ertragswer­t- und Sachwertve­rfahren eingesetzt. Das geschieht mit großem Aufwand, weiß Astrid Grantner von EHL: „Oft stecken etliche Tage Arbeit in einer Bewertung.“Beim Ertragswer­tverfahren spielt die Vermietbar­keit der Flächen und damit der mögliche Nutzen des Objekts für den Investor die Hauptrolle. Um hier richtige Aussagen zu treffen, müssen die Experten etwa bei Retailobje­kten die Marktentwi­cklung und Einkaufsge­wohnheiten der Konsumente­n berücksich­tigen. Aber letztlich bestimmt auch hier der Markt den erzielbare­n Preis.

Immobilien­preisspieg­el als ersten Überblick gibt es um 35 Euro bei der Wirtschaft­skammer. Im Internet bieten Plattforme­n wie Immoverkau­f24 oder das vorwiegend auf gewerblich­e Kunden spezialisi­erte Unternehme­n Immounited – teilweise kostenlos – Tools und Services zur Wertermitt­lung an. Ein realistisc­hes Urteil über den möglichen Verkaufspr­eis fällen Makler.

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