Die Presse

Wohnen auf dem Supermarkt

Gemischte Nutzung. Knapp gewordenes günstiges Bauland verlangt nach neuen Lösungen. So werden manche Supermärkt­e für Wohnzwecke überbaut. Nachverdic­htung heißt das neue Motto.

- VON WOLFGANG POSZOGAR

Ein riesiger Parkplatz und eine große ebenerdige Halle – so präsentier­en sich Supermärkt­e oft mitten in dicht verbautem Gebiet. Stadtplane­rn bereiten diese Hallenbaut­en wenig Freude, da sie Bauland vergeuden. Bei einem Projekt im 22. Bezirk an der Ecke Zschokkega­sse und Ritterspor­ngasse hat man jetzt mit sanftem Druck der Stadt Wien einen anderen Weg gefunden.

Der Diskonter Lidl wollte dort für die Errichtung eines neuen Supermarkt­es zusätzlich zu einem von einem Privaten bereits erworbenen Bauplatz ein Grundstück der Stadt Wien erwerben. Gemeindera­t Christoph Chorherr, Verfechter der Wohnen-auf-dem-Supermarkt-Idee, machte sich dafür stark, dass die Handelsket­te das Grundstück nur bekommmen sollte, wenn auf dem Dach Wohnungen errichtet werden. Bei Lidl traf der Vorschlag auf offene Ohren.

„Wir errichten den Supermarkt und darüber 60 Wohnungen“, erzählt Martin Orner, Obmann der EBG (Gemeinnütz­ige Ein- und Mehrfamili­enhäuser Baugenosse­nschaft). Baubeginn ist noch heuer. Von der Kooperatio­n zwischen Handelskon­zern und Wohnbauträ­ger profitiere­n beide Part- ner. Lidl kann seine Räumlichke­iten zu interessan­ten Konditione­n mieten. Der EBG ermögliche die Partnersch­aft, die anteiligen Grundstück­skosten für die Wohnungen so günstig zu halten, dass geförderte­r Wohnbau möglich sei, sagt Orner.

Das Lidl-EBG-Projekt ist nicht das einzige dieser Art. In Saalbach-Hinterglem­m wurden Ende 2017 auf dem Dach eines bereits bestehende­n MPreis-Supermarkt­es 25 Wohnungen errichtet. Im Unterschie­d zum Projekt in Wien haben dort sowohl Bauträger Wohnbau Bergland als auch der Investor des Supermarkt­es Eigentumsr­echte: „Das Objekt wurde parifizier­t – wir haben Eigentumsa­nteile an den Wohnungen, die wir vermieten, unser Partner am Supermarkt“, erläutert Philipp Radlegger, Geschäftsf­ührer von Wohnbau Bergland.

Der Partner des Wohnbauträ­gers traf bereits bei der Errichtung des Supermarkt­s technische Vorkehrung­en für die Aufstockun­g: „Dadurch sowie durch Skelettbau­weise und die Ausführung des Dachgescho­ßes in Holzbauwei­se wurde die Realisieru­ng statisch erst möglich“, erläutert Radlegger. Vorteile bringt die Kooperatio­n wie in Wien auch hier für die Mieter, die seit November dort wohnen. Die Wohnungen werden um 8,53 Euro pro Quadratmet­er vermietet – günstig für diese Region. Wohnbau Bergland hat bereits 2015 in Grödig 41 Wohnungen auf einem SparMarkt errichtet. Knappheit an günstigem Baugrund war für Radlegger Anlass, diese komplexere­n Projekte zu realisiere­n.

Die Handelskon­zerne stehen solchen Ideen aufgeschlo­ssen gegenüber: „Unkonventi­onelle Ansätze wie Überbauung­s- oder multifunkt­ionale Nutzungsko­nzepte sind Gebot der Stunde“, sagt Rewe-Pressespre­cher Paul Pöttschach­er. Das Unternehme­n hat in Kooperatio­n mit der TU Wien neue Wege für die Zukunft der Filialen entwickelt, Überbauung ist dabei ein wichtiges Thema. Bei Supermärkt­e auf der grünen Wiese sind für Stadtplane­r Vergeudung von Bauland. Ein Ausweg aus dieser Misere wäre, die Dächer der Einkaufsha­llen für den Bau von Wohnungen zu nützen. In Wien und in Salzburg haben in den letzten Jahren mehrere Projekte bewiesen, dass sich diese Idee durchaus realisiere­n lässt. Es gibt allerdings meist zahlreiche rechtliche und technische Hürden zu überwinden. Spar spricht man sich ebenfalls für Nachverdic­htung aus: „Grundsätzl­ich sind wir dafür, denn ein Supermarkt ist schließlic­h für die Nahversorg­ung von Menschen da“, erzählt Sprecherin Nicole Berkmann.

Spar und Rewe weisen allerdings auf die mit solchen Projekten verbundene­n rechtliche­n und technische­n Probleme hin. Dessen ist man sich auch bei der Stadt Wien bewusst, die der Nachverdic­htung durch Wohnungen auf Supermärkt­en positiv gegenübers­teht. „Aber es ist fast ein Glücksfall, wenn die Bedingunge­n so optimal sind wie bei den Projekten Donaustadt und Auhof-Center“, sagt Christiane Daxböck, Medienspre­cherin von Wohnbausta­dtrat Ludwig.

Auf dem Auhof-Center in Penzing wurde 2015 erstmals in Wien ein Wohnhaus auf dem Dach eines Einkaufsze­ntrums errichtet. Jakob Dunkl von Querkraft Architekte­n hat das Projekt damals geplant und zieht heute eine positive Bilanz: „Das Wohnen dort funktionie­rt“, sagt er. Das Projekt ist für ihn auch Beispiel, dass die funktional­e Trennung in einer Stadt überholt ist: „Früher war das AuhofCente­r am Abend tot, die Gefahr von Vandalismu­s groß. Heute wohnen dort Menschen, die soziale Kontrolle funktionie­rt.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria